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Haus eins auf dem Campus der Berliner Union Film-Studios in Tempelhof, die heute als „Atelier Gardens“ firmieren. Das Haut hat vier Büroetagen à 350 Quadratmeter. Die Mietpreise starten bei zwanzig Euro pro Quadratmeter. Je höher es hinaufgeht, desto teurer wird es.

© Schnepp Renou

„Atelier Gardens“ am Tempelhofer Feld: Vom historischen Filmcampus zum Coworking-Space

Wo früher Klassiker der Unterhaltung gedreht wurden, will ein Projektentwickler soziales und regeneratives Unternehmertum zur Blüte bringen.

„18 Uhr 45. Hier ist das ZettDeeEff Berlin! Herzlich willkommen zur Hitpara-deeeee aus dem Studio Eins der Berliner Union Film“. 183 Ausgaben der Schlagersendung moderierte Dieter Thomas Heck ab 1969 an der Tempelhofer Oberlandstraße. Am 5. September 1974 präsentierte Wim Thoelke zum ersten Mal sein Quiz „Der große Preis“ aus den Berliner Union Film-Studios (Bufa).

Die beiden Sendungen sind tief im kollektiven Gedächtnis von Fernsehzuschauern der 1970er-Jahre gespeichert. Den Ordnern gelang es damals kaum, die euphorisierten Gäste vor den Toren vom Ansturm auf dieses Odeon der Television abzuhalten. Zu diesem Zeitpunkt waren die Zeiten der Stummfilmstreifen längst vorbei, auch Regisseure aus der Kategorie Alfred Hitchcock oder Trickfilmer wie Walt Disney gingen an der Oberlandstraße nicht mehr ein und aus.

Der Film „Der Blaue Engel“ mit Marlene Dietrich in der Hauptrolle wurde auf dem Filmgelände in Tempelhof produziert.
Der Film „Der Blaue Engel“ mit Marlene Dietrich in der Hauptrolle wurde auf dem Filmgelände in Tempelhof produziert.

© RecomArt-Cruse-Color

Seit 2019 wird der sechs Hektar große Filmcampus behutsam umgestaltet, unter der Leitung des Londoner Projektentwicklers Fabrix, des niederländischen Architekturbüros MVRDV, des lokalen Architekturbüros Hirschmüller Schindele Architekten und des britischen Landschaftsarchitekten Harris Bugg Studio.

Neues Label für den Standort

Aus der einstigen TV- und Filmtraumfabrik am südlichen Rand des Tempelhofer Feldes soll ein Innovationsstandort werden, allerdings ohne die Filmstudios aufzugeben. „Nicht profitgetrieben, sondern purposegetrieben“ solle der Ort sein, sagt Campus-Manager Selim Güngör auf einem Rundgang mit dem Tagesspiegel. Der Zweck also – die Arbeit an einer regenerativen Zukunft – soll die Mittel heiligen. Ein schneller Weiterverkauf sei nicht geplant.

Aus dem in die Jahre gekommenen Areal mit 24.000 Quadratmeter Mietflächen soll unter dem Label „Atelier Gardens“ ein Zukunftsort werden – mit nachhaltigen Maßnahmen von Regenwasserzisternen bis hin zu Pionierpflanzen, die versiegelte Böden aufbrechen. Alte Studiofenster sollen künftig in der Kreislaufwirtschaft zirkulieren.

Durch eine kluge Auswahl der Mieter der Film- und Bürogebäude soll eine Gemeinschaft von Gleichgesinnten aus unterschiedlichen Branchen geschaffen werden, die sich die Bälle zuspielen können – oder auf Neudeutsch: Synergien nutzen.

Gemeinschaft von Gleichgesinnten

Dass an diesem Ort Brücken gebaut werden, signalisiert im Eingangsbereich bereits eine hohe gelbe Treppe, die vom Dach- zum Untergeschoss des Hauses Eins führt. In ihrer Linienführung und Funktion – als Begegnungsort mit Sitzmöglichkeiten auf Zwischenpodesten – erinnert sie an die Rotterdamer „Luchtsingel-Brücke“, eine 2015 eingerichtete temporäre Brücke zur Vernetzung eines Bürogebäudes mit seiner Umgebung.

Haus eins hat vier Büroetagen à 350 Quadratmeter. „Wir suchen aktiv nach Mietern, der Mietpreis hängt von der Etage ab“, sagt Campus-Manager Güngör. Je höher es hinaufgeht, desto teurer wird es. Die Mietpreise starten bei zwanzig Euro. „Wir haben ab 24 Quadratmeter alles hier.“ Für andere Flächen auf dem Areal zahlen Organisationen mit wenig Geld deutlich weniger als zwanzig Euro.

Campus-Manager Selim Güngör mit ausgemusterten Fenster, die mit einem Rohstoffpass versehen wurden, damit sie weiterverwertet werden können.
Campus-Manager Selim Güngör mit ausgemusterten Fenster, die mit einem Rohstoffpass versehen wurden, damit sie weiterverwertet werden können.

© Reinhart Bünger TSP

Kleine Organisationen können etwas hinzumieten, wenn sie wachsen. „Fridays for Future“ hat hier bereits seinen Sitz, neben einigen Bienen und Hühnern, die mit ihren Produkten die Kantine versorgen. Diese wird betrieben von einem früheren Mieter der Markthalle Neun in Kreuzberg, dessen Küche durch Mitmieter „Tiny Farms“ versorgt wird – ein Start-up aus dem Bereich Farming, das mit Bauernhöfen zusammenarbeitet und frisches Gemüse direkt in den Kochtöpfen abliefert. Dass die Küchenabfälle am Ende des Tages auf einem Geländestreifen der Berliner Union Film landen, versteht sich von selbst.

„Social Economy und damit zirkuläre Wirtschaft sind Riesenthemen“, sagt Güngör. Im Grunde genommen ist das Gelände der Berliner Union Film ein großer Coworking-Space. Die Mietdauer fängt bei zwölf bis 24 Monaten an, kann aber auch auf fünf oder sieben Jahren vereinbart werden.

„Wir sehen das Ganze als Diversifizierung des Geschäftsmodells“, sagt Güngör: „Das heißt, wir arbeiten auch weiterhin mit Filmern zusammen.“ Man habe weiterhin sehr treue, wiederkehrende Kunden und vergleiche sich nicht mit Studio Babelsberg. Immer noch wird hier viel öffentlich-rechtliches Fernsehen produziert.

Blick auf das Gelände der „Atelier Gardens“.
Blick auf das Gelände der „Atelier Gardens“.

© Reinhart Bünger TSP

Die Studios sind indessen nicht nur primär Filmstudios, sondern auch Event Locations mit entsprechender Veranstaltungstechnik. Greenpeace hat hier eine Jahreskonferenz gemacht und der Campus war Schauplatz der Alternativen Fashion Week.

Güngör ist stolz auf eine Kooperation mit dem Filmkino Sputnik aus Kreuzberg, das im Sommer Filme auf einer Freifläche zeigt. Zudem gibt es einen Mieter, der Bogenschießen als Teambuilding anbietet. „Die Herausforderung ist natürlich, dass wir auch ein laufender Betrieb sind.“ Man habe angefangen, Zisternen in die Erde zu bringen, um Wasser für die Toilettenspülungen zu sammeln. „Und Fotovoltaik kommt als Nächstes dran.“

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