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Berlin ist stolz auf seine Straßenbäume, doch es werden immer weniger.

© Kitty Kleist-Heinrich

Anpassung an den Klimawandel: Volksbegehren soll Berlin doppelt so viele Straßenbäume bringen

Rechtsanspruch auf Hitzeschutz, Katastrophenvorsorge und mehr Bäume: Für einen Volksentscheid, der all das durchsetzen soll, werden in Berlin demnächst Unterschriften gesammelt.

Die Anzahl der Straßenbäume in Berlin soll sich bis 2035 auf 800.000 fast verdoppeln. Bürger dürfen die künftig größeren Baumscheiben mit Blumen und Sträuchern bepflanzen. Alle Berliner haben Anspruch auf einen Baum in höchstens 50 Meter Entfernung von ihrer Haustür, in Ausnahmefällen 100 Meter. Für jeden gefällten Baum müssen mindestens drei neue gepflanzt werden – nicht irgendwo, sondern in der Nähe. 90 Prozent der landeseigenen Gebäude sollen begrünte Fassaden und Dächer bekommen, sofern sie sich dazu eignen.

Diese und weitere Forderungen stehen im Entwurf zum „Baum-Plus-Gesetz“, über das die Berliner bei einem Volksentscheid am Termin der nächsten Bundestagswahl 2025 abstimmen sollen. Am Montag haben die Initiatoren ihre Pläne für das Werk präsentiert, das sie als bundesweit erstes Gesetz zur Anpassung an den Klimawandel etablieren wollen. Die Begrünung Berlins soll das wichtigste Mittel sein, um das Stadtklima in künftigen Sommern erträglich zu halten und Bewohner vor dem Hitzetod zu bewahren, der nach Auswertungen des Robert-Koch-Instituts in den vergangenen Sommern jeweils mehrere hundert Menschen ereilt hat.

Bürger sollen Baumscheiben künftig selbst begrünen dürfen.
Bürger sollen Baumscheiben künftig selbst begrünen dürfen.

© imago images/Schöning

Jene, die in besonders hitzegeplagten Kiezen wohnen, sollen einen Rechtsanspruch darauf bekommen, dass ihre Wohngegend tagsüber maximal vier Grad wärmer als das Umland ist. Nachts sollen es sogar nur zwei Grad Differenz sein. Die Daten sollen online jederzeit abrufbar werden – ebenso wie die Fortschritte bei der Begrünung Berlins, wobei notfalls die Bürger selbst aktiv werden sollen, falls es die Verwaltung nicht schafft.

Die Online-Tools „macht Ihnen eine IT-Firma in einem halben bis dreiviertel Jahr“, sagt Heinrich Strößenreuther, der zu den Initiatoren gehört und spätestens seit dem von ihm forcierten Fahrrad-Volksbegehren – aus dem das Mobilitätsgesetz entstand – für seine Hartnäckigkeit bekannt ist.

Nach Auskunft von Génica Schäfgen, Deutschland-Chefin des Suchmaschinendienstes Ecosia, haben in den vergangenen Wochen mehr als 30 Ehrenamtliche – die meisten davon Juristen – den „Gesetzesentwurf für ein wetterfestes und hitzeresistentes Berlin“ erarbeitet. Ecosia habe rund 100.000 Euro Anschubfinanzierung geleistet.

Das Gesetz würde nach erfolgreichem Volksentscheid sofort in Kraft treten

Bis zum 22. März ruft die Initiative Interessierte auf, online am Feinschliff für das Gesetz mitzuwirken, für das zunächst 20.000 Unterschriften binnen sechs Monaten gesammelt werden müssen. Beginn der ersten Unterschriftensammlung soll im Frühjahr sein. Für die später nötige Sammlung von rund 200.000 Unterschriften sollen Spenden und Freiwillige geworben werden. Sofern der Senat das Gesetz nicht für rechtswidrig befindet, träte es nach einem Volksentscheid in Kraft, falls ein Viertel der Wahlberechtigten und zugleich eine Mehrheit dafür stimmt.

Die Erfolgschancen dürften angesichts der verbreiteten Sympathie fürs Stadtgrün und der zunehmend spürbaren Effekte des Klimawandels gut stehen – aus Sicht von Strößenreuther besser als beim gescheiterten Entscheid für Klimaneutralität bis 2030, der sich aus seiner Sicht zu stark auf die „Innenstadt-Bubble“ fokussiert habe. Bis April wollen die Initiatoren nicht nur einen noch fehlenden Paragrafen zum Regenwasser-Management im Entwurf ergänzen, sondern auch eine Kostenschätzung erarbeiten.

Die Kosten dürften weit in den dreistelligen Millionenbereich gehen, zumal auch die Verwaltung gestärkt werden müsste. Auf der anderen Seite stünden vermiedene Folgekosten des Klimawandels – von lokalen Überflutungsschäden bis zum hitzebedingten Ausfall von Arbeitskräften. In Bäume sei das Geld eventuell sinnvoller investiert „als in Vattenfall-Kraftwerke und Magnetschwebebahn“, merkte Strößenreuther an.

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