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Wahlhelfer und Wahlhelferinnen zählen in einem Berliner Wahllokal Stimmzettel für die Bundestagswahl.

© Foto: dpa/Sebastian Gollnow

Update

Wegen zahlreicher Pannen: Bundestag beschließt teilweise Wahlwiederholung in Berlin

Das Parlament folgte einer Empfehlung des Wahlprüfungsausschusses. 500.000 Berliner sollen ihre Stimme nochmals abgeben können. Doch viele Fragen sind noch offen.

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Wegen zahlreicher Pannen soll in Teilen von Berlin die Bundestagswahl vom vergangenen Jahr wiederholt werden. Das beschloss der Bundestag am späten Donnerstagabend und folgte damit einer entsprechenden Empfehlung seines Wahlprüfungsausschusses.

Demnach können rund 500.000 Wahlberechtigte ihre Stimmen nochmals abgeben. Die Bundestagswahl soll in 431 von insgesamt 2257 Berliner Wahlbezirken wiederholt werden. Es gilt allerdings als wahrscheinlich, dass dieser Parlamentsbeschluss noch vor dem Bundesverfassungsgericht angefochten wird. Deshalb ist unklar, wann die Teilwiederholung der Wahl tatsächlich stattfinden wird.

Wo soll überall noch einmal gewählt werden?

In Berlin entspricht ein Wahlbezirk einem Wahllokal. Wiederholt werden soll sowohl die Erst- als auch die Zweitstimmenabgabe. Die zwölf Wahlkreise Berlins wären von einer Wahlwiederholung unterschiedlich betroffen.

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Während in Pankow in 144 von 175 Wahllokalen nochmal abgestimmt werden soll (82,3 Prozent) bewegt sich der Anteil der Wahllokale in den Wahlkreisen Steglitz-Zehlendorf, Neukölln, Spandau/Charlottenburg Nord, Tempelhof-Schöneberg, Marzahn-Hellersdorf, Lichtenberg und Treptow-Köpenick im einstelligen Prozentbereich.

In Charlottenburg-Wilmersdorf, Friedrichshain-Kreuzberg/Prenzlauer Berg Ost und Reinickendorf soll in 30 bis 40 Prozent der Wahllokale nochmal gewählt werden. In Mitte sind es 17,4 Prozent.  

Warum hat der Bundestag so entschieden?

Laut Empfehlungsbeschluss des Wahlprüfungsausschusses waren mit Blick auf die 431 Wahlbezirken zwei Faktoren abzuwägen: einerseits die dokumentierten Wahlfehler sowie die Mandatsrelevanz, andererseits der „Bestandsschutz einer gewählten Volksvertretung“.

Demnach seien in insgesamt 327 Wahllokalen Fehler aufgetreten, die eine Wiederholung notwendig machen. Dies betrifft etwa die zwischenzeitliche Schließung eines Wahllokals oder die Ausgabe falscher Stimmzettel. Da bei Auszählung der Briefwahlstimmen einzelne Wahlbezirke zusammengefasst werden, müsse die Wahl auch in 104 Wahllokalen wiederholt werden, in denen keine schweren Fehler auftraten, weil die sich aufgrund der Verknüpfung bei der Auszählung nicht trennen ließen.

Was würde die teilweise Wiederholung der Bundestagswahl kosten?

Mit Blick auf eine mögliche Wiederholung der Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus und den Bezirksverordnetenversammlungen (BVV), über die das Berliner Verfassungsgericht am 16. November entscheiden will, gab Innensenatorin Iris Spranger (SPD) an, mit Kosten in Höhe von 39 Millionen Euro zu planen. In der Summe ist nach ihren Angaben auch eine Teilwiederholung der Bundestagswahl berücksichtigt. Das ist deutlich mehr Geld als bei der zurückliegenden Wahl. Die Wahl 2021 hatte nach Angaben der Senatsfinanzverwaltung etwa 14 Millionen Euro gekostet.

Innensenatorin Spranger und Finanzsenator Daniel Wesener (Grüne) hatten bereits angekündigt, dass Wahlhelfer diesmal mehr Geld bekommen sollen. Das sogenannte Erfrischungsgeld soll auf 240 Euro vervierfacht werden. Zudem sollen mehr Wahlhelferinnen und Wahlhelfer gewonnen werden. Im vergangenen Jahr waren etwa 34.000 in Urnen- und Briefwahllokalen in Berlin im Einsatz.

Worin besteht die Kritik der Opposition?

Die Union kritisierte in einer Stellungnahme die Ampel-Entscheidung.  „Angesichts der zahlreichen und erheblichen Wahlfehler, die in Berlin unstreitig stattgefunden haben, reicht eine auf einzelne Wahlbezirke beschränkte Wahlwiederholung nicht aus“ heißt es. Der Vorschlag der Koalition sei „weder juristisch überzeugend, noch ist er geeignet, das verloren gegangene Vertrauen in die Korrektheit der parlamentarischen Wahlen in Deutschland und speziell in der Bundeshauptstadt zurückzugewinnen“.

Mehrere Abgeordnete der Union haben angekündigt, dass sie eine Beschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht gegen den Beschluss über die Wahlwiederholung begrüßen würden. Berechtigt hierfür sind die Bundestagsfraktionen oder ein Zusammenschluss von mindestens einem Zehntel der Bundestagsabgeordneten. Die Frist für eine Beschwerde beträgt zwei Monate.

Wie kam die Ampelkoalition zu ihrer Entscheidung?

Die Union kritisiert auch „eine starke Politisierung des Wahlprüfungsverfahrens“. Tatsächlich gab es über das Ausmaß der Wahlwiederholung lange Streit zwischen SPD, Grünen und FDP. Nach Tagesspiegel-Informationen wollte insbesondere die FDP das Ausmaß der Wiederholung geringhalten, während die SPD für eine breite Wiederholung plädierte.

Während die FDP offenbar einen Mandatsverlust befürchtete, würde die SPD am ehesten von einem besseren Zweitstimmenergebnis profitieren. Der Partei fehlten bei der Bundestagswahl 2021 nur 802 Stimmen für einen 207. Sitz im Deutschen Bundestag.

Allerdings würde dies voraussetzen, dass die Zweitstimmenergebnisse aller anderen Parteien unverändert bleiben. Da eine Wiederholungswahl nur rund 0,8 Prozent aller Wahlberechtigten in Deutschland betreffen würde und mit einer niedrigeren Wahlbeteiligung gerechnet wird, sind Auswirkungen auf die Sitzverteilung im Bundestag eher unwahrscheinlich.

Anders sieht es bei den Direktkandidaten aus. In Reinickendorf betrug der Abstand zwischen der siegreichen Monika Grütters (CDU) und dem Zweitplatzierten Torsten Einstmann (SPD) nur 1,4 Prozentpunkte. In Pankow lagen zwischen dem Grünen Stefan Gelbhaar und dem SPD-Mann Klaus Mindrup vier Prozentpunkte – allerdings soll hier in über 80 Prozent der Wahllokale neu gewählt werden. (mit dpa)

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