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Steinmeier steht an einem Rednerpult, Studierende sitzen mit Abstand voneinander auf einer Freitreppe.

© Bernd von Jutrczenka/dpa

Zum Start des digitalen Sommersemesters: Steinmeiers Mutrede an Studierende

Ein empathischer Bundespräsident hofft mit Studierenden auf ein letztes Online-Only-Semester. Frank-Walter Steinmeier versichert: "Unser Land braucht Sie!"

Studierende fühlen sich in der Coronakrise alleingelassen. Im WG-Zimmer sitzen sie in Online-Veranstaltungen vor oftmals schwarzen Kacheln. Und die Politik hat Hochschulen bei Modellversuchen für mehr Präsenz bislang ausgespart. Unmut gibt es auch über zu viel Bürokratie bei Nothilfen.

In dieser Situation wandte sich am Montag Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zum Start des Sommersemesters mit einer Mutmacherrede an die Studierenden – per Videoansprache aus der frisch sanierten Berliner Staatsbibliothek Unter den Linden.

Der Bundespräsident sprach zu einigen eingeladenen Studentinnen und Studenten, die mit weitem Abstand voneinander auf der historischen Freitreppe der "Stabi" saßen. Die Ansprache wurde im Livestream übertragen und kann hier abgerufen werden.

Durch die pandemiebedingten Beschränkungen verzögerten sich die Träume, Hoffnungen und Wünsche junger Menschen immer weiter, sagte Steinmeier. „Aber eines weiß ich sicher: Unsere Unternehmen, unsere öffentlichen Verwaltungen, unsere Schulen und Universitäten, unsere Krankenhäuser brauchen Sie – und das nicht nur, weil die geburtenstarken Jahrgänge nach und nach aus dem Arbeitsleben ausscheiden. Sie werden gebraucht gerade wegen der Erfahrungen, die Sie aus dieser Krise mitbringen.“

Der Bundespräsident rief den Studierenden zu: „Wir brauchen Sie! Unser Land braucht Sie!“

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Die jungen Menschen hätten in der Pandemie enorme Solidarität gezeigt mit den Älteren und besonders Gefährdeten. „Jetzt ist es umgekehrt auch an uns, den Älteren, Solidarität mit Ihnen zu zeigen! Die Gesellschaft darf nicht darüber hinwegsehen, wie die junge Generation aus dieser Jahrhundertkrise hervorgeht.“ Bildung gehörte auch in der Pandemie ganz oben auf die Tagesordnung.

Steinmeier: Hoffentlich das letzte "vollverkachelte Semester"

Der Bundespräsident erwähnte auch, dass die Pandemie „gravierende soziale und ökonomische Folgen für viele Studierende“ habe, insbesondere für jene, die es schwer hätten, überhaupt zu studieren. „All jenen Studentinnen und Studenten, die durch die Pandemie in eine Notlage geraten sind, muss schneller geholfen werden – und unbürokratischer.“ Gut sei, dass der Bund die Überbrückungshilfen für das Sommersemester 2021 verlängert habe.

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Eine schnelle Öffnung der Hochschulen konnte Steinmeier nicht versprechen. Aber er zeigte einmal mehr Empathie mit den Studierenden: „Ich freue mich mit Ihnen auf jenen hoffentlich nicht fernen Tag, an dem der Campus sich wieder füllt mit jungen Menschen aus aller Welt, an dem in Seminarräumen wieder von Angesicht zu Angesicht gestritten und in Clubs und Kneipen die Nacht zum Tage wird.“

Am Ende wünschte der Bundespräsident „von Herzen alles Gute für dieses hoffentlich letzte ,vollverkachelte Semester‘ “.

Grüne würdigen Rede als "Novum"

Als „Novum“ würdigte Kai Gehring, hochschulpolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag „die warmen Worte des Bundespräsidenten an die Studierenden“. Die Rede enthalte aber auch „eine deutliche diplomatische Kritik an Bundesbildungsministerin Karliczek“. Sie habe pandemiebedingte finanzielle Nöte der Studierenden bisher „nur achselzuckend zur Kenntnis genommen“, erklärte Gehring und forderte, das Bafög müsse für Studierende in Not geöffnet und zu einer Grundsicherung ausgebaut werden.

Oliver Nerger und Charlotte Sonneborn, Mitglieder des Bundesvorstandes der Juso-Hochschulgruppen, forderten, Studierenden die Semesterbeiträge für die Corona-Semester zurückzuerstatten. Dazu solle die Bildungsministerin einen Bundesfonds einrichten. Viele Angebote und Möglichkeiten, die mit dem Semesterbeitrag finanziert werden, könnten wegen des Hochschul-Lockdowns nicht genutzt werden – allen voran das Semesterticket für den öffentlichen Nahverkehr.

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Die Dachorganisation der Studierendenvertretungen fzs mahnte zum Semesterstart: „Viele Studierende leiden aufgrund der Schließungen an starker Einsamkeit und Stress.“ Zudem könne das Lehrangebot in praktischen Fächern teilweise kaum sinnvoll umgesetzt werden.

Eine junge Studentin verfolgt an ihrem Laptop eine Videokonferenz.
Studienalltag auch im dritten Digitalsemester in Folge.

© imago images/UIG

„Die Lösung sehen wir aber nicht in der Öffnung der Hochschulen, wenn wir die Pandemie solidarisch und gesamtgesellschaftlich besiegen wollen“, betonte fzs-Vorstandsmitglied Paul Klär. Vielmehr müssten Beratungsangebote ausgebaut und soziale Interaktionsräume geschaffen werden.

Außerdem sollten etwa Freiversuchsregelungen und Bafög-Verlängerungen beibehalten werden. Wo sich Präsenzlehre „nicht vermeiden lässt“, müssen die Länder tägliche Covid-Tests kostenfrei bereitstellen und Schutzmaßnahmen veranlassen.

Bundesbildungsministerium für Modellöffnungen an Unis

Vorsichtige Öffnungsszenarien hält das Bundesbildungsministerium unterdessen für denkbar. Auf eine Frage der FDP-Fraktion im Bundestag nach möglichen Öffnungsschritten antwortet das BMBF, die zuletzt im MPK-Beschluss genannten zeitlich befristeten Modellprojekte mit strengen Schutzmaßnahmen und einem Testkonzept seien auch an den Hochschulen möglich.

„Für die konkrete Umsetzung sind die Länder, in deren Zuständigkeitsbereich die Hochschulen liegen, verantwortlich“, schreibt Staatssekretär Michael Meister. Das BMBF habe sich aber bereits mit der Bitte an die Kultusministerkonferenz gewandt, „dass sowohl in der aktuellen schwierigen pandemischen Lage als auch bei künftig sinkendem und niedrigem Infektionsgeschehen so viel Normalität wie jeweils machbar für die Studierenden ermöglicht wird“.

Ministerin Anja Karliczek (CDU) hat Modellversuche vorgeschlagen, bei denen vor allem Erstsemester nach Tests zu Präsenzveranstaltungen in die Hochschulen kommen könnten.

Jens Brandenburg, hochschulpolitischer Sprecher der FPD-Fraktion, fordert, „die psychischen Folgen der sozialen Isolation im Lockdown“ dürfen nicht länger übersehen werden. „Die Länder sollten eine weitere Öffnung der Hochschulen vorbereiten. Große Hörsäle könnten für kleine Seminare genutzt werden, ohne die Abstandsgebote zu verletzen.“

Neues Testzentrum an der TU Berlin

An der Technischen Universität Berlin eröffnete am Montag zum Semesterstart ein Corona-Schnelltestzentrum. Das öffentliche Testzentrum auf dem Vorplatz des TU-Hauptgebäudes an der Straße des 17. Juni 135 (Charlottenburg) wird vom Unternehmen "Medicare Testzentrum" betrieben und steht nach vorheriger Terminbuchung "allen TU-Mitgliedern, Student*innen und Bürger*innen zur Verfügung", wie die TU mitteilte.

TU-Präsident Christian Thomsen betonte jedoch, dass mit der Testmöglichkeit explizit nicht die Aufforderung oder Möglichkeit verbunden sei, "wieder mehr in Präsenz zu arbeiten oder mehr Lehrveranstaltungen, Prüfungen usw. in Präsenz durchzuführen".

Das Testzentrum sei lediglich ein Angebot für Mitarbeitende, "die unabdingbare Aufgaben vor Ort erledigen müssen" und für Studierende, die "sehr kleine Praxisangebote in Präsenz" wahrnehmen. (mit dpa)

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