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Reich gedeckter Tisch. Störche finden auf Müllhalden allerlei Essbares (hier ein Foto aus Schwanebeck in Brandenburg). Eine Studie mit GPS-Sensoren ergab jetzt, dass viele Störche sich die lange Reise ins südliche Afrika sparen und stattdessen auf Deponien im Mittelmeerraum überwintern.

© Patrick Pleul/dpa

Zugvögel: Störche überwintern zunehmend auf Müllkippen

Warum denn bis ins südliche Afrika fliegen, wenn es sich auf halber Strecke bequem rasten lässt? Immer mehr Störche überwintern auf Deponien. Oder bleiben ganz zu Hause.

Die Müllkippe wimmelt vor Weißstörchen, so wie in vielen Orten in Spanien und Marokko. Im Abfall der Siedlungen finden sie Essensreste, um ihre Mägen zu füllen. Für einige der Zugvögel wird daher der Zwischenstopp zum Ziel, sie fliegen gar nicht mehr weiter ins südliche Afrika, berichtet ein Team um Andrea Flack und Martin Wikelski vom Max-Planck-Institut für Ornithologe in Radolfzell und der Universität Konstanz im Fachblatt „Science Advances“. Die Tiere sparen sich Flugkosten. Warum sollten sie den langen, gefährlichen Flug von Mitteleuropa über die Sahara bis in ihr Winterquartier in der Sahelzone auf sich nehmen?

Vögel mit Sendern versehen

Die Forscher rüsteten junge Störche in Usbekistan, Armenien, Russland, Polen, Südwest-Deutschland, Spanien, Griechenland und Tunesien mit 66 Gramm schweren Sendern aus. Alle fünf Minuten bestimmen die Geräte über GPS den Standort des jeweiligen Vogels. Sie zeichnen auf, ob er sich bewegt oder ruhig ist und verraten die Routen, auf der die Störche erstmals nach Süden fliegen. Anhand der Daten können die Forscher auch den Energieverbrauch schätzen.

Bewegt sich ein Tier längere Zeit nicht, ist es vermutlich tot. Das passiert oft: 33 der 70 beobachteten Vögel starben in den ersten fünf Monaten; nach einem Jahr waren nur 21 Tiere übrig. „Das ist nicht ungewöhnlich“, sagt Flack. Jungstörche leben gefährlich. Sie bleiben nicht bei ihren Eltern, sondern schließen sich zu Jugendgruppen zusammen und brechen auf eigene Faust in den Süden auf. Die unerfahrenen Störche sterben in den Klauen von Adlern, werden von Stromschlägen getötet, wenn ein Tier eine Freileitung und einen Strommast gleichzeitig berührt oder sie vergiften sich. Die Art gefährdet das nicht. Schließlich kann ein Storchenpaar dreißig Jahre lang brüten und in jeder Saison zwei oder drei Küken groß ziehen. Um den Bestand zu halten, sind insgesamt nur zwei Nachkommen nötig.

Störche segeln auf kräftigen Aufwinden

Die Überlebenden lernen, dass die Flugkosten im Süden geringer werden. Denn über den Wüsten und Steppen Afrikas heizt die Luft sich viel stärker auf als über Wäldern oder großen Wasserflächen. Entsprechend kraftvoll sind die Aufwinde, von denen sich die Störche in die Höhe tragen lassen. Mit einer Spannweite von rund zwei Metern gleiten sie dann wie Segelflieger ihrem Ziel entgegen. Tatsächlich meldeten die Messgeräte im Süden deutlich weniger Bewegungen. Der Energieverbrauch sollte dort auf jedem Kilometer rund 15 Prozent niedriger liegen, errechneten die Forscher. Trotzdem steigen mit der Entfernung die Gesamtkosten. Besonders hoch sind sie für Störche aus Polen, Russland und Griechenland, die über den Bosporus weit nach Süden, manchmal bis nach Südafrika, fliegen. In den ersten fünf Lebensmonaten legten sie durchschnittlich mehr als 16 000 Kilometer zurück – und sie überlebten seltener. Störche aus Armenien und einige vom Bodensee hatten es leichter: Sie blieben nördlich der Sahara, bedienten sich auf Müllkippen und flogen in der gleichen Zeit 5000 Kilometer.

Menschen beeinflussen das Verhalten der Vögel aber nicht nur durch Müllkippen, zeigen Störche aus Usbekistan. Obwohl es dort im Winter rund zehn Grad kälter ist als in Mitteleuropa, bleiben die Jungstörche. „Sie sind früher vermutlich Richtung Indien gezogen“, meint Flack. Heute finden sie an Fischteichen in der Heimat Futter.

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