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„Über die gesamte Dissertation verteilt.“ Dekan Bleckmann verkündet das Plagiatsurteil über Annette Schavan.

© dpa

Schavan täuschte „systematisch“: Wie die Uni Düsseldorf den Titelentzug begründet

Am Dienstagabend hat die Universität Düsseldorf Bildungsministerin Schavan den Doktortitel entzogen. Dieses Vorgehen wird auch kritisiert. Dekan Bleckmann tritt den Vorwürfen entgegen.

Um 20.15 Uhr trat Bruno Bleckmann, der Dekan der Philosophischen Fakultät der Universität Düsseldorf, vor die Presse und verlas sein Statement: Bundesbildungsministerin Annette Schavan wird der Doktorgrad entzogen. Die 15 stimmberechtigten Mitglieder des Fakultätsrats, darunter acht Professoren, stimmten demnach zuerst darüber ab, ob sie „den Tatbestand einer vorsätzlichen Täuschung durch Plagiat“ erkennen: „Diese Entscheidung wurde mit 13 Ja-Stimmen und zwei Enthaltungen gefällt“, sagte Bleckmann.

Nach dieser Abstimmung habe der Fakultätsrat dann „alle Argumente gründlich gewürdigt, die zugunsten der Betroffenen anzuführen sind“, besonders den „langen Zeitabstand, der seit der Anfertigung der Arbeit verstrichen ist, sowie der Umstand, dass die Betroffene neben ihrer Promotion über keinen anderen Studienabschluss verfügt“. Der Rat habe dann geheim darüber abgestimmt, ob Schavan der Doktorgrad entzogen werden muss. Zwölf Mitglieder stimmten für Ja, zwei mit Nein, ein Mitglied enthielt sich.

Bleckmann antwortete am Dienstagabend auch auf die massive Kritik, die an dem Vorgehen der Fakultät geäußert worden war. So hatten Schavan und ihre Verteidiger öffentlich externe Gutachter von Erziehungswissenschaftlern gefordert, um die Arbeit im Lichte einer vermeintlich speziellen Fachkultur der siebziger Jahre zu würdigen. Bleckmann sagte, die Mitglieder des Fakultätsrats hätten Schavans Stellungnahme in den vergangenen zwei Wochen „eingehend geprüft“. Zu dieser Stellungnahme hätten auch zwei von Schavan beigefügte erziehungswissenschaftliche Expertisen gehört. Darin werde „eine Besonderheit erziehungswissenschaftlicher Promotionskultur in den frühen 80er Jahren angenommen“. Die Zitierstandards seien aber immer die gleichen gewesen. Darum lehne es der Fakultätsrat ab, „für diese spezielle Dissertation ein Plagiatsverständnis anzuwenden, das von der allgemeinen, auch Anfang der 1980er Jahre gültigen Meinung abweicht“, erklärte Bleckmann.

Der Fakultätsrat habe ein „zusätzliches auswärtiges Gutachten“ nicht für notwendig gehalten und sich damit an vergleichbaren Verfahren an anderen Fakultäten und Universitäten orientiert. Die „Häufung und Konstruktion“ der von Schavan nicht gekennzeichneten Passagen ergeben nach Überzeugung der Fakultät „das Gesamtbild“, „dass die damalige Doktorandin systematisch und vorsätzlich über die gesamte Dissertation verteilt gedankliche Leistungen vorgab, die sie in Wirklichkeit nicht selbst erbracht hatte“.

Schavan will gegen den Titelentzug klagen: „Die gesetzlich vorgeschriebene Vertraulichkeit des Verwaltungsverfahrens wurde durch mehrfache selektive Information der Öffentlichkeit verletzt“, heißt es in einer auf der Internetseite der Kanzlei Redeker Sellner Dahs veröffentlichten Erklärung. Förmlich gestellte Beweisanträge seien übergangen worden, ebenso wie der Antrag, ein externes Fachgutachten einzuholen. Die Entscheidung sei zudem „unverhältnismäßig“. Die „gemessen am Umfang der Doktorarbeit“ geringfügige Zahl an „behaupteten Zitierverstößen“ rechtfertige nicht die Rücknahme der Promotion „und damit des einzigen berufsqualifizierenden Abschlusses unserer Mandantin“.

Ernst Dieter Rossmann, der forschungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag, forderte Schavan zum Rücktritt auf: „Sie kann als Ministerin nicht mehr Vorbild sein und auch nicht mehr glaubwürdig die Belange von Wissenschaft und Forschung vertreten“, sagte Rossmann dem Tagesspiegel. Schavan habe zweifellos ihre Verdienste für die Wissenschaft in Deutschland, die er anerkenne. Doch jetzt müsse sie als „letzten Dienst“ an der Wissenschaft die Konsequenz aus dem „wissenschaftsgeleiteten“ Verfahren der Uni Düsseldorf ziehen.

Jan-Hendrik Olbertz, Präsident der Humboldt-Universität, der Schavan seit Monaten verteidigt, hält die Entscheidung „auf dieser Verfahrensgrundlage nach wie vor für nicht gerechtfertigt“, erklärte er auf Anfrage: „Mich kann der Weg der Urteilsfindung mit nur einem internen Gutachten nicht überzeugen.“

Schavan bleiben nach dem Verlust ihres Düsseldorfer Doktorgrads vier Ehrendoktorwürden von ausländischen Universitäten. 2009 wurde ihr eine von der Universität Kairo verliehen, 2010 von der Tongji-Universität in Schanghai. 2011 folgten die japanische Meiji-Universität und die Hebräische Universität Jerusalem. Schavan hat zudem eine Ehrenprofessur an der Freien Universität Berlin. Diese könnte die FU ihr nun aberkennen. FU-Präsident Peter-André Alt, der sich gerade dienstlich in Oman aufhält, wollte sich auf Anfrage nicht äußern.

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