zum Hauptinhalt
Ein provisorischer Rekonstruktionsvorschlag des Tempelgrundrisses, den ein archäologisches Forschungsteam in der etruskischen Stadt Vulci entdeckt hat.

© Mariachiara Franceschini/Universität Freiburg

Wichtige Entdeckung in Vulci: Zwei Tempel, viele Rätsel

Sie waren ein besonderes Volk, doch die Archäologie weiß noch viel zu wenig über die Etrusker. Ein neu entdeckter Tempel könnte weiterhelfen.

Von Nico Schäffauer

Eine große weite Wiese, an der Westküste Italiens, etwa 120 Kilometer nördlich von Rom. Auf den ersten Blick nichts Besonderes. Aber unter der Grasnabe stecken die Überreste einer ehemaligen Metropole der Etrusker: Vulci.

Obwohl Archäologen bereits 1950 Forschungen in Vulci betrieben, machten sie erst jetzt eine wichtige Entdeckung auf Luftbildern und Georadarabbildungen: eine auffällige 45 mal 35 Meter große Tempelanlage. „Auf den Luftbildern konnte man zwar die Struktur der Stadt erkennen, aber der Tempel blieb bisher unentdeckt. Erst durch die geophysikalische Prospektionen gelang es uns, die Strukturen des Tempels zu erkennen“, sagt Mariachiara Franceschini von der Universität Freiburg, die seit 2020 gemeinsam mit Paul Pasieka von der Universität Mainz das Forschungsprojekt „Vulci Cityscape“ leitet.

Zwei Tempel direkt nebeneinander ist in der etruskischen Welt sehr selten.

Paul Piesca, Universität Mainz

Stadtleben zu Zeiten der Etrusker

Der neu entdeckte Tempel befindet sich direkt neben einem zweiten Tempel, dem sogenannten Tempio Grande, der bereits 1950 entdeckt wurde. „Dass wie in Vulci zwei Tempel direkt nebeneinander liegen, ist in der etruskischen Welt sehr selten“, sagt Paul Pasieka. „Es spricht dafür, dass dort mehrere Götter verehrt wurden.“

Bislang ist nur ein Teil des neu entdeckten Tempels in Vulci freigelegt.
Bislang ist nur ein Teil des neu entdeckten Tempels in Vulci freigelegt.

© Mariachiara Franceschini/Universität Freiburg

Wem die Tempel geweiht sind, weiß man noch nicht. „Grundsätzlich geht es darum zu verstehen, wie sich der Tempel zum gesamten Stadtbild verhält“, erklärt Mariachiara Franceschini, „also die Beziehung zwischen Tempel und Straßensystem und den Bewohnern und sich der Tempel in das Stadtleben integriert.“ Da stehe die Forschung noch ganz am Anfang.

Die Archäologen erhoffen sich Hinweise auf die gesellschaftliche Organisation und das Stadtleben im etruskischen Vulci.
Die Archäologen erhoffen sich Hinweise auf die gesellschaftliche Organisation und das Stadtleben im etruskischen Vulci.

© Mariachiara Franceschini/Universität Freiburg

Denn viel ist über die Etrusker noch nicht bekannt. Auch im Falle von Vulci, können die Archäologen noch nicht sagen, wie die Stadt organisiert war, wer sie regierte oder wie sie regiert wurde. „Die Möglichkeiten reichen hier von einer Alleinherrschaft, einer Oligarchie bis hin zu einer Regierung mit demokratischen Tendenzen“, so Franceschini. „Man weiß viel über Gräber und Nekropolen oder über einzelne Funde der Etrusker“, erklärt Pasieka, „nicht aber über die einzelnen Städte.“

Frühe Metallurgen

Die etruskische Kultur hatte ihre Blütezeit von etwa 800 bis 350 v. Chr. und war im heutigen Mittel- und Norditalien verbreitet. Um 1000 v. Chr. kamen die Etrusker vermutlich aus Kleinasien in der heutigen Türkei in das Gebiet, das sie Etrurien nannten. Gebiete, die heute Namen wie Toskana, Latium und Umbrien tragen. Von verschiedenen Funden weiß man, dass sie vor allem in der Metallgewinnung und -verarbeitung und in der Landwirtschaft sehr geschickt waren.

Die Religion der Etrusker war auch von griechischen Göttern geprägt. Die drei Hauptgötter waren Voltumna, Tinia und Menrva. Die beiden letzteren entsprechen den römischen Gottheiten Juno und Minerva, bzw. den griechischen Göttern Hera und Athene. Jeder Gott hatte seinen eigenen Tempel. Betreten durften ihn nur Priester. Darin befand sich das Kultbild des jeweiligen Gottes und Opfergaben.

„Entscheidend ist immer der Altar, der sich meistens vor dem Tempel befand“, sagt Pieska. „Dort wurden dann regelmäßig Opfer gebracht, Rituale oder Prozessionen abgehalten, bei denen jeder Bewohner dabei sein durfte.“ Allerdings sei bisher nicht bekannt, wie genau die Verehrung der einzelnen etruskischen Götter aussah. Die Archäologen hoffen deshalb bald auf Inschriften zu stoßen, die ihnen mehr über den Tempel und das Stadtleben verraten.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false