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Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) hat mehr Abschüsse von „Problem-Wölfen“ gefordert. Zu sehen ist hier ein Tier im Gehege des Wildparadieses Tripsdrill.

© dpa/Bernd Weißbrod

Update

Verfahren soll unbürokratischer werden: Umweltministerin Lemke will mehr Wölfe abschießen lassen

Der Wolf ist ein Reizthema. Rechtlich ist er geschützt, doch nach Österreich und der Schweiz will nun auch Deutschland zumindest „Problem-Wölfe“ bejagen lassen.

| Update:

Nachdem der in der EU eigentlich streng geschützte Wolf bereits in Österreich und in der Schweiz stärker ins Visier von Jägern geraten ist, will nun auch Bundesumweltministerin Steffi Lemke die gültige Praxis ändern. Die Grünen-Politikerin fordert, dass in Deutschland mehr „Problem-Wölfe“ getötet werden.

Abschüsse von Wölfen, die das Überwinden von höheren Zäunen gelernt hätten oder sich Menschen gegenüber zu sehr näherten, könnten rechtskonform von den Ländern ausgeführt werden, sagte die Grünen-Politikerin der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. „Diese Möglichkeit sollte in Zukunft verstärkt genutzt werden“, empfahl sie: „Wir wollen dafür sorgen, dass die Verfahren unbürokratischer und praxisnäher funktionieren.“

Solche Abschüsse seien notwendig, „um die Akzeptanz zum Schutz des Wolfs aufrechtzuerhalten“, betonte die Ministerin. Alle Beteiligten müssten daher Rechtssicherheit haben, wenn eine Abschussgenehmigung erteilt werde.

Wir müssen wieder lernen, mit dem Wolf zu leben.

 Steffi Lemke, Bundesumweltministerin (Grüne)

Morddrohungen von Wolfsschützern wie kürzlich gegen den niedersächsischen Umweltminister Christian Meyer (Grüne) bezeichnete Lemke als „völlig inakzeptable Grenzüberschreitung“. Damit werde der Raum des demokratischen Diskurses definitiv verlassen.

Um die „hitzigen Diskussionen“ über den Umgang mit Wölfen zu beruhigen, will die Ministerin neben vermehrten Abschüsse aber auch auf mehr Hilfe bei Wolfsrissen setzen. So gebe es in Sachsen-Anhalt Ausgleichszahlungen für Landwirte und Schäfer und Unterstützung für den Weideschutz

„Das hat dazu geführt, dass die Diskussionen dort jetzt viel sachlicher und konstruktiver geführt werden. Ich hoffe, dass wir das überall so gut hinbekommen.“ Es gelte, die Balance zu halten zwischen Naturschutz und Weidetierschutz: „Wir müssen wieder lernen, mit dem Wolf zu leben.“

Unter anderem der Deutsche Bauernverband strebt hierzulande ebenfalls Erleichterungen beim Abschuss von Wölfen an. Vor allem auf für Bayern typischen Weiden am Hang, die nicht eingezäunt werden könnten, sei das Risiko für Wolfsrisse hoch, hieß es kürzlich.

Für das Jahr 2021 bezifferte der Verband die Zahl der hierzulande gerissenen, verletzten oder vermissten Tiere auf fast 3400.

161 
amtlich bestätigte Rudel gab es im Wolfsjahr 2021/2022 (1. Mai bis 30. April) bundesweit.

Der Wolf breitet sich seit seiner Rückkehr nach Deutschland im Jahr 1998 langsam weiter aus. Im Wolfsjahr 2021/2022 (1. Mai bis 30. April) lag die amtlich bestätigte Zahl der Wolfsrudel bundesweit bei 161 (Vorjahr 158), wie das Bundesamt für Naturschutz (BfN) und die Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf (DBBW) Ende 2022 mitgeteilt hatten.

Für die Nutztierhalter gibt es in Deutschland in fast allen Bundesländern mit etablierten Wolfsvorkommen staatliche Zuschüsse für den Herdenschutz. Empfohlen werden etwa 1,20 Meter hohe Elektro-Zäune und – je nach Einzelfall – auch Hütehunde.

Ein flächendeckender Herdenschutz solle möglichst vorbeugend erfolgen, bevor Wölfe sich an das Reißen etwa von Schafen und Ziegen als vermeintlich „leichte Beute“ gewöhnten, rät das BfN.

Seit 1. Juli neue Abschuss-Regeln für Wölfe in Österreich

Österreich hat seine Abschuss-Regeln bereits geändert. Nach Kärnten, Tirol und Niederösterreich dürfen ab dem heutigen 1. Juli auch in Oberösterreich per Verordnung Wölfe abgeschossen werden, die zum Beispiel für Risse von Nutztieren wie Schafen oder Ziegen verantwortlich gemacht werden.

Auch in Salzburg gibt es entsprechende Pläne. „Handeln statt zuschauen“, laute das Motto nun, so die Agrarministerin Oberösterreichs, Michaela Langer-Weninger.

Auch in der Schweiz tritt am 1. Juli eine neue Jagdverordnung in Kraft. Sie enthält etwa Änderungen für Gebiete, in denen es bereits Schäden gab: Dort dürfen Einzelwölfe nun ab sechs Nutztier-Rissen erschossen werden, vorher lag die Schwelle bei zehn Rissen. Zudem dürfen Wölfe eher getötet werden, wenn sie in der Nähe von Häusern auftauchen und keine Scheu vor Menschen zeigen.

Ferner stellt die Schweizer Regierung für den Herdenschutz weitere vier Millionen Franken (4,1 Mio Euro) zur Verfügung. Die Tierschutzorganisation Gruppe Wolf Schweiz führt auf guten Herdenschutz zurück, dass im ersten Halbjahr 2023 deutlich weniger Nutztiere gerissen wurden. Im Wallis gingen die Risse demnach um 55 Prozent, im Graubünden um 80 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum zurück. In den beiden Kantonen leben die meisten Wölfe.

26 Rudel in der Schweiz und ein Dutzend Wolfspaare

Nach Angaben der Organisation gibt es 26 Rudel und etwa ein Dutzend Wolfspaare in der Schweiz. Der Bestand wachse weiter. Während im ersten Halbjahr 2022 im Wallis und Graubünden noch sechs Wölfe wegen Rissen zum Abschuss freigegeben wurden, war es in diesem Jahr noch kein einziger.

Die niedrigeren Hürden für den Abschuss von Wölfen in Österreich verstießen gegen EU-Recht, sagte Lucas Ende vom Naturschutzbund Österreich. Das Umstellen der behördlichen Maßnahmen von einem Abschussbescheid hin zu einer regelrechten Verordnung hat die Einspruchsmöglichkeiten zum Beispiel von Naturschutzverbänden abgeschnitten. „Auf nationaler Ebene haben wir keine rechtlichen Möglichkeiten mehr, gegen einen Abschuss vorzugehen“, sagte Ende.

Die EU hat verschlafen, den Schutzstatus des Wolfs anzupassen.

Michaela Langer-Weninger, Agrarministerin Oberösterreichs

Die Zahl der Wölfe, die sich in Österreich aufhalten, habe sich deutlich auf nun mindestens 40 erhöht, sagte der Leiter des Österreichzentrums Bär-Wolf-Luchs, Albin Blaschka. 2022 hätten sie rund 800 Schafe und Ziegen auf den Almen gerissen. In der diesjährigen Almsaison seien es bisher etwa 150. Die Experten zählten aktuell sieben Rudel und eine Reihe wandernder Einzelwölfe.

„Die Abschüsse ersparen keinesfalls den Herdenschutz“, sagte Blaschka. Aber gerade der ist umstritten. Das Land Tirol hat alle 2100 Almen zum Alpschutzgebiet erklärt und den Herdenschutz in dem oft steilen Gelände als nicht machbar eingestuft.

Die Almen mit Zäunen zu schützen ist auch für das Bundesland Salzburg keine Option: „Herdenschutz funktioniert im hofnahen Bereich, die Salzburger Bauern haben bereits mehr als 800 000 Euro dafür investiert“, sagte der Wolfsbeauftragte des Landes Salzburg, Hubert Stock. Aber hoch oben im Gelände sehe es anders aus.

Besonders aktiv bei der Wolfsbejagung ist Österreichs südlichstes Bundesland Kärnten. Hier wurden nach Angaben der Landesregierung in den vergangenen eineinhalb Jahren fünf als problematisch eingestufte Tiere erlegt. Sie hätten sich Siedlungen mehrfach auf weniger als 200 Meter genähert und nicht vergrämt werden können, hieß es.

Politiker der konservativen ÖVP und der rechten FPÖ wollen den Druck in Richtung Brüssel hochhalten. „Die EU hat verschlafen, den Schutzstatus des Wolfs anzupassen“, meinte die Landesagrarministerin Langer-Weninger. (lem/dpa)

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