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Kondensstreifen des Meteoriten, der 2013 nahe der russischen Stadt Tscheljabinsk einschlug.

© ITAR-TASS / Viktoria Gorbunova/dpa

Vorsorge für einen Asteroideneinschlag: „Irgendwann kommt ein großer Brocken runter“

Es ist nur eine Frage der Zeit, bis ein Asteroid auf die Erde zufliegt – deshalb brauchen wir Gegenmaßnahmen, sagt der Geophysiker Kai Wünnemann. Ein Interview.

Kai Wünnemann ist Professor für Impakt- und Planetenphysik an der Freien Universität Berlin und Leiter der Impakt- und Meteoritenforschung am Museum für Naturkunde.

Herr Wünnemann, Sie wollen am Freitag bei einer Veranstaltung am Museum für Naturkunde auf die Gefahr eines Asteroideneinschlags aufmerksam machen. Wie bedroht sind wir tatsächlich?
Schaut man sich die Erdgeschichte an, geschieht das relativ selten. Aber jüngere Beobachtungen haben gezeigt, dass Ereignisse wie das von Tscheljabinsk, wo 2013 ein rund 20 Meter großes Objekt nahe der russischen Millionenstadt explodiert ist, sozusagen aus dem Nichts geschehen können. Unsere Beobachtungen reichen nicht aus, um alle kleinen Körper in der Größenordnung bis 100 Meter zu erfassen, wo bei einem Einschlag mit erheblichen Schäden zu rechnen ist. Es wird geschätzt, dass wir in dieser Größenordnung lediglich ein Fünftel der real vorhandenen Objekte aufgespürt haben.

Sie brauchen eine präzise Himmelsdurchmusterung, um eine bessere Datengrundlage zu haben?
Das ist ein Teil der Anstrengungen. Die Methoden werden immer besser, sodass wir auch kleinere Körper entdecken können. Dann müssen wir schauen, welches Objekt die Erdbahn kreuzt und uns möglicherweise gefährlich werden könnte.

Forscher bergen am 16.10.2013 ein Bruchstück des Tscheljabinsk-Meteoriten aus einem See bei Tscheljabinsk, Russland.

© ITAR-TASS /Press Service of the Governor of Chelyabinsk Region/dpa

Dann müsste man auch versuchen, den Planeten aktiv zu schützen. Der Missionsvorschlag „Hera“, für den Sie werben, geht in diese Richtung. Worum geht es genau?
Hera gehört zum „Aida“-Programm, mit dem wir herausfinden wollen, inwieweit wir so einen Körper abwehren können. Dazu wird die Nasa 2022 die Sonde „Dart“ in den rund 160 Meter großen Begleiter eines Asteroiden, den sogenannten Didymoon, einschlagen lassen, um dessen Bahn zu verändern. Hera, der europäische Anteil, soll das erkunden. Wie groß und wie schwer ist Didymoon? Welche Eigenschaften hat er? Und vor allem: Wie sieht der Krater aus, wie groß ist dieser? Daraus lässt sich ermitteln, wie gut oder schlecht die Bewegungsenergie des Impaktors auf den Körper übertragen und wie stark er schließlich abgelenkt wird.

Warum schickt die Nasa nicht selbst eine Sonde mit, die den Einschlag beobachtet?
Diese zweite Sonde kann nicht plötzlich bei Didymoon bremsen und zuschauen. Sie würde vorbeifliegen und vielleicht gerade noch einen Lichtblitz und eine Staubwolke sehen, dann wäre sie schon wieder weg. Deshalb ist Hera nötig, um im Anschluss alles in Ruhe zu studieren. Ursprünglich wollten wir schon früher da sein, um den Einschlag direkt zu beobachten. Doch dieser Missionsvorschlag erhielt vor drei Jahren keine ausreichende Finanzierung bei der Esa. Wenn Ende November die Esa-Ministerratskonferenz über die nächsten Pläne bestimmt, hoffen wir auf einen Zuschlag. Wir würden dann 2024 starten und 2027 bei Didymoon sein. Die fünf Jahre Verzögerung sind aber kein Problem, da tut sich wenig auf einem Asteroiden.

Was würde Hera kosten?
Das wären ungefähr 290 Millionen Euro.

Zu hören ist, dass es für diesen Vorschlag schlecht aussieht. Es gibt jetzt einen offenen Unterstützerbrief mit 1000 Unterschriften. Ein letzter Versuch, Hera zu retten?
Ich habe auch anderes gehört und bin da eher optimistisch. Entscheidend wird sein, wie viele Esa-Mitgliedsstaaten sich da einbringen. Wir setzen stark auf Deutschland, positive Signale kommen unter anderem auch aus Spanien, Belgien und Tschechien.

Deutschland will doch angeblich seinen Esa-Beitrag reduzieren ...
Da geht es um die Summe der Zahlungen. Ich bleibe zuversichtlich, dass Deutschland das Thema Hera ernst nimmt und für diese Mission Zusagen macht. Es geht ja auch um wirtschaftliche Interessen. Wenn eine Mission kommt, eine Sonde gebaut wird, gehen Aufträge an die Industrie, die bei uns sehr stark ist.

Kai Wünnemann ist Professor für Impakt- und Planetenphysik an der Freien Universität Berlin und Leiter der Impakt- und Meteoritenforschung am Museum für Naturkunde.

©  Carola Radke/MfN

1000 Unterstützer seien dabei, heißt es, darunter auch Prominente. Wen haben Sie auf Ihrer Seite?
Am bekanntesten ist wohl Brian May, Gitarrist der Rockgruppe Queen und Astrophysiker. Er begleitet das Thema seit Langem, etwa beim alljährlichen Asteroid Day, der auf die Kollisionsgefahr und mögliche Gegenmaßnahmen aufmerksam macht. Die meisten Unterzeichner kommen aber aus der Wissenschaft. Ihnen geht es neben der technischen Machbarkeit auch um Aspekte wie die Erforschung von Asteroiden selbst in Hinblick auf Rohstoffausbeutung oder die Entstehung und Entwicklung des Planetensystems. Die Esa hat sich bei der Erforschung kleiner Körper mit „Rosetta“ hervorgetan, aber das ist fünf Jahre her. Sie läuft Gefahr, das Feld den Japanern und der Nasa zu überlassen und den Wissensvorsprung zu verlieren.

Haben Sie einen Plan B, wenn es nicht klappt?
Dann werden wir weiter nach Partnern suchen, vielleicht auch in Japan oder den USA, um voranzukommen. Wenn wir eines Tages einen Körper entdecken, der echt gefährlich ist und in – sagen wir – zehn Jahren einschlagen kann, dann ist es zu spät, sich Gegenmaßnahmen zu überlegen. Also müssen wir solche Ablenkungstechnologien schon jetzt testen, für die nächste Generation. Wir sprechen nicht davon, ob so etwas passiert, sondern nur wann. Sie können sicher sein, irgendwann wird ein richtig großer Brocken runterkommen.

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