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Kitakinder in Hamburg bilden einen Kreis und halten sich an den Händen.

© Christian Charisius/dpa

Update

Frühkindliche Bildung: Vorschule kommt in Kitas zu kurz

Kitakinder sollen lernen, zu interagieren und sich sprachlich entwickeln. Lesen und Rechnen ist Erzieherinnen nicht so wichtig, zeigt eine OECD-Studie.

Kita-Erzieherinnen und -Erziehern in Deutschland ist es besonders wichtig, dass die von ihnen betreuten Kinder ein gutes Sozialverhalten entwickeln und gut sprechen lernen. Für weniger wichtig halten sie Spiele und Übungen, die den Kindern die Grundlagen des Lesens, Schreibens und Rechnens nahebringen. Dieses Ergebnis einer internationalen Befragung von Fachkräften in der frühkindlichen Erziehung hebt das Bildungsdirektorat der OECD für Deutschland hervor.

Ziel der Studie "Starting strong" (Stark starten) ist es, die Qualitätsentwicklung in der frühkindlichen Bildung zu fördern. In neun OECD-Ländern wurde 2018 jeweils eine repräsentative Stichprobe von Kitakräften befragt, in Deutschland nahmen rund 2500 Erzieherinnen und Erzieher sowie gut 500 Leitungspersonen teil.

Nur die Hälfte der Fachkräfte im Vorschulbereich hierzulande messe den mathematischen Fähigkeiten der Kinder einen hohen Stellenwert bei, heißt es in dem OECD-Bericht. In der Türkei geben 80 Prozent der Kitaerzieherinnen an, Zahlenspiele mit den Kindern zu spielen, in Chile und Israel sind es um die 60 Prozent, in Deutschland aber nur rund 30 Prozent. Dass Deutschland "andere Akzente setzt als andere Länder", wolle er nicht bewerten, sagte Bildungsforscher Arno Engel aus dem OECD-Bildungsdirektorat in Paris bei der Präsentation der Studie in Berlin.

Für einige Kinder könne es hilfreich sein, wenn sie bereits in der Kita "akademische Fähigkeiten" erwerben, für andere seien soziale Fähigkeiten förderlicher. Die Bildungsexpertin Josefine Koebe vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin erklärt dazu auf Nachfrage, sozial-emotionale Kompetenzen seien wichtig für den Bildungserfolg und für die Persönlichkeitsentwicklung der Kinder.

Eine Erklärung für den hohen Stellenwert mündlicher Sprachkenntnisse könnte der in Deutschland vergleichsweise hohe Anteil von Kindern mit einer anderen Herkunftssprache als Deutsch sein. In mehr als 40 Prozent der Einrichtungen der frühkindlichen Bildung haben demnach mehr als elf Prozent der Kinder einen Migrationshintergrund - das sei der höchste Anteil aller beteiligten Länder. Entsprechend wünschten sich viele Kitakräfte Weiterbildungen für die Arbeit mit mehrsprachigen Kindern.

Bunte Kitas, aber Diversität wird wenig gefördert

Gleichzeitig ist Deutschland eines der Länder mit der geringsten Diversitätsförderung in der Kita. Bücher, die Menschen unterschiedlicher ethnischer oder kultureller Herkunft zeigen, setzen nur 40 Prozent der Befragten ein. Bei Spielen aus anderen Kulturkreisen sind es sogar nur 15 Prozent. Zum Vergleich: In der Türkei, in Chile und Korea arbeiten knapp über oder unter 80 Prozent nach eigenen Angaben mit diversitätsfördernden Büchern. Diese Angabe konnten ebenso wie die Inhalte der Bücher nicht überprüft werden, erläutert Studienleiter Arno Engel. Ob andere Diversitätsthemen wie Regenbogenfamilien thematisiert wurden, sei nicht gefragt worden.

Fit sind die Krippen und Kitas hierzulande offenbar in der Elternarbeit. 98 Prozent der Befragten geben an, dass Eltern leicht mit ihnen in Kontakt treten können. Hier wollten die Bildungsforscher der OECD wissen, ob die Kitakräfte auch inhaltlich mit den Eltern arbeiten, indem sie ihnen etwa Anregungen für Spiele und Lernaktivitäten mitgeben. Das sagen hierzulande immerhin über 60 Prozent der Befragten - und damit mehr als in Norwegen oder Island.

In der Türkei und Chile erklären aber jeweils weit über 90 Prozent, dass sie Eltern zu förderlichen Aktivitäten mit ihren Kindern anregen. Gut steht Deutschland wieder bei der Kommunikation mit den künftigen Grundschulen der Kinder da: 92 Prozent der Kitaleiterinnen und -leiter geben an, dass sie Kontakte pflegen.

Über ein Drittel vermisste gesellschaftliche Anerkennung

Die allermeisten Kita-Erzieherinnen und -Erzieher in Deutschland sind mit ihrem Beruf zufrieden (93 Prozent). Doch nur 26 Prozent sind mit ihrem Gehalt einverstanden - und nur 36 Prozent fühlen sich von der Gesellschaft wertgeschätzt. Hier zeige sich ein Zusammenhang mit der Beziehung zu den betreuten Kindern, sagte Engel. Wer sich nicht anerkannt fühlt, gehe weniger auf die individuellen Bedürfnisse der einzelnen Kinder an. Die in diesem Punkt Unzufriedenen litten mehr unter Stress wegen zu großer Gruppen, die sie betreuen müssen, und seien vorrangig damit beschäftigt, die Gruppe ruhig zu halten.

Zu den Empfehlungen der OECD an die Politik gehört, dass der "Status des Berufsfeldes" angehoben werden müsse - auch um mehr hochqualifizierte Fachkräfte zu gewinnen und zu binden. Denn schon beim Anteil der Kitakräfte mit einem Abschluss oberhalb der Sekundarstufe (77 Prozent) liegt Deutschland international nur im Mittelfeld. Kitakräfte, die lediglich einen mittleren Schulabschluss haben und sich für die Kinderpflege, nicht aber als Erzieherinnen qualifiziert haben, sehen sich der Umfrage weniger in der Lage, die betreuten Kinder individuell zu fördern. "Höher qualifizierte Fachkräfte sind besser darin, den Kindern eine größere Bandbreite von Aktivitäten anzubieten", sagt Engel.

Defizite sieht die OECD auch bei der Ausbildung von Kitaleitungen. In Deutschland hat nur ein Drittel neben der pädagogischen auch Verwaltungs-Ausbildung hat, in Korea sind es 80 Prozent.

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