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H5N1 auf Nerzfarm in Spanien: Hat sich die Vogelgrippe so verändert, dass sie auch unter Säugetieren kursieren kann?

© dpa / MADS CLAUS RASMUSSEN

Vogelgrippe bei Nerz und Seelöwe: „Beunruhigende Entwicklung“

Bisher wurde das Influenza-Virus H5N1 nur von Vogel zu Vogel übertragen. Nun könnte es erstmals so mutiert sein, dass es auch unter Säugetieren kursiert. Wenn auch noch nicht unter Menschen.

Eigentlich sind Ausbrüche von Vogelgrippe-Viren wie H5N1 nichts Besonderes. Bisher ebbten die Infektionswellen in Wild- und Zuchtvögeln im Sommer ab, jedenfalls zwischen 2006 und 2022. Doch offenbar hat sich H5N1 verändert und kursiert nicht nur das ganze Jahr über, sondern infiziert auch immer mehr Säugetiere. „Es handelt sich um eine relativ neue und ziemlich beunruhigende Entwicklung“, sagt Ian Brown, Leiter der Abteilung Virologie bei der Agentur für Tier- und Pflanzengesundheit (APHA) in Großbritannien. Inzwischen ist es ein globales Problem. Experten wie Martin Beer, Leiter des Instituts für Diagnostische Virologie am Friedrich-Loeffler-Institut (FLI), dem Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit, sprechen von einer Panzootie, einer globalen Tierseuche, dem Äquivalent einer Pandemie unter Menschen.

Nachdem das Virus etwa bei Möwen in Südamerika nachgewiesen wurde, haben sich jetzt auch Möwen in Europa und Nordamerika infiziert. „Das ist ziemlich besorgniserregend, denn Möwen sind ziemlich allgegenwärtig. Sie bewegen sich zwischen den Populationen und scheiden das Virus aus“, sagt Brown.

In Sacaba, Bolivien, kontrollieren die Gesundheitsbehörden eine Hühnerfarm wegen eines Ausbruchs der Vogelgrippe.
In Sacaba, Bolivien, kontrollieren die Gesundheitsbehörden eine Hühnerfarm wegen eines Ausbruchs der Vogelgrippe.

© dpa / Juan Karita

Vogelgrippe in einer Nerzfarm

Offenbar haben sich auf diesem Wege auch Nerze in einer Pelzfarm Im Oktober 2022 in der Region Galicien im Nordwesten Spaniens angesteckt. Vieles deutet inzwischen auf eine Übertragung des Virus von Nerz zu Nerz hin, was die erste beobachtete Übertragung von H5N1 zwischen Säugetieren wäre.

Derzeit würden alle Viren sequenziert, die bei Wildvögeln in der Region, in der sich die Nerzfarm befindet, nachgewiesen worden seien, sagt Ursula Höfle aus der Forschungsgruppe Gesundheit und Biotechnologie am Nationalen Forschungsinstitut für Wild und Wildtiere der Universität Kastilien-La Mancha. „Wir vergleichen die Sequenzen und die Genstruktur der Viren und es gibt einige Hinweise darauf, dass die Infektion der Nerze möglicherweise von Wildvögeln, insbesondere von Möwen, ausging, da diese sich möglicherweise in die Farmen zurückgezogen haben, weil die Gebäude für Wildtiere offen sind und das Futter auf den Käfigen bereitgestellt wird.“ Ob dies der Infektionsweg war, sei noch nicht bekannt und werde vielleicht nie bewiesen werden, aber es „ist definitiv der wahrscheinlichste“, so Höfle.

Auch Grizzlys, Otter und Füchse

Zwar ist die Vogelgrippe nach wie vor in erster Linie eine Infektionskrankheit von Vögeln, zunehmend sind aber auch Säugetierarten in der Wildnis betroffen. So wurde jüngst in Peru bekannt, dass die hochansteckende Krankheit nicht nur den Tod von 55.000 Wildvögeln, darunter viele braune Pelikane, herbeiführte, sondern auch für den Tod von 585 Seelöwen verantwortlich sein soll. „Tiere wie Seelöwen und andere Säugetiere teilen entweder ihren Lebensraum mit diesen Populationen oder stehen in engem Kontakt mit ihnen – beispielsweise über die Nahrungskette“, sagt Brown.

Von Säugetier zu Säugetier? Ob sich Seelöwen bereits untereinander mit Vogelgrippe anstecken, ist noch unklar.
Von Säugetier zu Säugetier? Ob sich Seelöwen bereits untereinander mit Vogelgrippe anstecken, ist noch unklar.

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Aber auch Säugetierarten, die nicht in Kolonien, sondern kleineren Populationen leben, sind betroffen. So wurden Vogelgrippe-Varianten auch in Grizzlybären, Ottern und Füchsen nachgewiesen. Bisher fehlen aber noch Daten, um sagen zu können, ob das Virus sich so verändert hat, dass es zumindest unter bestimmten Säugetierarten übertragbar ist.

Dafür sei es noch zu früh, noch fehlen dafür Daten über die Virusvarianten in den Tieren, waren sich Wissenschaftler bei einem Pressegespräch des „Science Media Center“ einig. „Es ist wichtig, dass all diese neu betroffenen Säugetiere, insbesondere Fleischfresser, gesammelt und getestet werden sowie die Viren für die Nachverfolgung sequenziert werden“, sagt FLI-Experte Beer. Die Viren veränderten sich „schneller, als sie von Wissenschaftlern charakterisiert werden könnten“ und müssten kontinuierlich weiterverfolgt werden.

Ursula Höfle wiederum spricht von „vielen überraschenden Dingen, die mit diesem Virus erlebt wurden“, etwa dass es Arten – auch seltene – befällt, bei denen es zuvor nicht beobachtet wurde. Darin liege die wirkliche Gefahr dieses Erregers. Bei einigen Arten habe die Vogelgrippe ganze Kolonien ausgelöscht. „Wir können davon ausgehen, dass diese Viren enorme Auswirkungen auf die biologische Vielfalt haben werden“, so die Wissenschaftlerin. Neben der Sorge um die Ansteckung von Menschen oder die Übertragung von Säugetier auf Säugetier, sei „dies der wirklich ernste Teil“.

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