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Die Illustration zeigt, wie ein Stern von einem Schwarzen Loch „spaghettifiziert“ und Materie fortgeschleudert wird.

© ESO/M. Kornmesser

Gefrässige Massemonster: Wie Schwarze Löcher Sterne zerfetzen

Wie ein Kleinkind kleckern und krümeln die Löcher bei der stellaren Mahlzeit. Das freut Forscher. Die konnten jetzt das bisher hellste und am weitesten entfernte Sternenrissereignis beobachten.

Schwarze Löcher sind schwer zu erforschen. Bekanntermaßen dringt nichts aus ihrem Inneren nach außen, was von Teleskopen erfasst werden könnte. Manchmal jedoch verraten die Massemonster ihre Existenz, etwa wenn sie einen Stern „fressen“.

Wie ein Kleinkind kleckern und krümeln sie bei der stellaren Mahlzeit: erst zerrupfen sie den Stern mittels ihrer massiven Anziehungskraft und nur ein Teil der Materie landet in ihrem Schlund. Der Rest wird zerrieben und in Jets fortgeschleudert. Die lassen sich gut erkennen, denn sie strahlen in allen Wellenlängen des sichtbaren Lichts sowie in Röntgen- und Radiostrahlung.

Weil solche Ereignisse mit dem gezeitenbedingten Zerreißen eines Objekts beginnen, werden sie „Tidal Disruption Event“ (TDE) genannt.

Materie wurde in Richtung Erde geschleudert

Am 11. Februar und den folgenden Tagen erfassten diverse Teleskope ein ganz besonderes solches Ereignis. Es erschien heller als alle anderen bisher registrierten TDEs und ist zugleich das am weitesten entfernte: 8,5 Milliarden Lichtjahre, wie die University of Birmingham mitteilte.

Details davon berichten Igor Andreoni, University of Maryland in College Park, sowie Dheeraj Pasham, Massachusetts Institute of Technology in Cambridge, in den Fachmagazinen „Nature“ und „Nature Astronomy“. Sie hatten Glück: Der Jet war in genau in der Richtung abgefeuert worden, wo sich heute unsere Erde befindet. So konnten die Forscher trotz der enormen Entfernung ausreichend starke Signale aufzeichnen und auswerten.

„Das Spektrum zeigte, dass die Quelle sehr heiß war, um die 30.000 Grad Celsius, was üblich ist für TDEs“, sagt Matt Nicholl von der University of Birmingham laut der Mitteilung seiner Universität. Bestimmte Wellenlängen fehlten aber und waren in den „roten Teil“ des Spektrums verschoben. Das ist typisch für Signale aus großer Entfernung und hat mit der fortwährenden Ausdehnung des Universums zu tun. Daraus berechnete das Team die Distanz.

Materie-Jet erreichte fast Lichtgeschwindigkeit

Die Forscher werteten noch weitere Daten von knapp zwei Dutzend Teleskopen aus, darunter das Hubble-Teleskop, Instrumente der Europäischen Südsternwarte und ein Röntgenteleskop auf der Internationalen Raumstation. Daraus rekonstruierten sie das Geschehen und überprüften das Szenario mit Modellrechnungen.

Demnach war ein etwa sonnengroßer Stern einem Schwarzen Loch so nahe gekommen, dass er zerfetzt wurde. Die Trümmer kreisten in der Akkretionsscheibe um das Schwarze Loch und erhitzten sich. Binnen eines Jahres fiel Materie von rund einer halben Sonnenmasse hinein, schätzt Pasham. Über den Jet entkam eine beträchtliche Menge, die nahezu auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigt wurde.

Die Forscher sprechen von einem „relativistischen Jet“. Dies lässt erahnen, wie viel Energie dabei umgesetzt wird. Das Ereignis namens „AT2022cmc“ ist ein ausgesprochen starker Sonderfall. Das Team schreibt, dass nur ein Prozent aller TDEs solche relativistischen Jets hervorbringt.

Der nächste Kandidat ist 26.000 Lichtjahre entfernt

„Solche Ereignisse sind sehr wichtig, um die Eigenschaften von sonst ruhenden und kaum nachweisbaren supermassereichen Schwarzen Löchern im Zentrum entfernter Galaxien zu erforschen“, sagt Eduardo Ros vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn, der an der aktuellen Studie nicht beteiligt ist.

So lasse sich unter anderem aufklären, welche Art von Sternen in jungen Galaxien wie dieser vorhanden sei und in welcher Menge. Auch die Physik der Jet-Bildung, über die Forscher bislang uneins sind, ließe sich mit jeder neuen Beobachtung besser verstehen.

Die Chancen dafür sind günstig, seit sich Forscherteams besser abstimmen und verschiedene Teleskope bei spannenden Fällen in die gleiche Blickrichtung lenken. Die Ereignisse können so „mit mehreren Sinnen“ verfolgt werden.

Gefährlich sind TDEs nicht, dafür sind sie zu weit weg. „Der nächste Kandidat ist Sagittarius A*, ein supermassereiches Schwarzes Loch im Zentrum unserer Galaxie, gut 26.000 Lichtjahre entfernt“, sagt Ros. Sollte dieses einen Stern verschlingen, würde es zwar einen Strahlungsausbruch geben. „Was davon hier ankäme wäre nichts im Vergleich zu dem, was beispielsweise durch Sonnenaktivität frei wird.“

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