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Eine Computersimulation der ESA von Weltraummüll früherer Weltraummissionen, der neben intakten Satelliten um die Erde kreist.

© Foto: dpa / dpa/ESA

Verdampfender Weltraummüll : Riskante Spuren in der Stratosphäre

Aerosole in der Stratosphäre enthalten oft Elemente von Meteoriten und Vulkanausbrüchen. Doch die Teilchen bergen auch von Menschen erzeugte Stoffe - mit möglichen Folgen für das Erdklima.

Von Rainer Kayser, dpa

Wenn ausgediente Raketenstufen oder Satelliten zur Erde zurückstürzen, gilt die Hauptsorge der Experten zumeist herabfallenden Trümmerteilen, die für Menschen gefährlich sein könnten. Doch auch jener Anteil des Weltraummülls, der in der Atmosphäre verglüht, könnte Gefahren bergen. Denn er hinterlässt Spuren in der Stratosphäre, wie eine Untersuchung von 500 000 Aerosol-Partikeln aus der Stratosphäre durch ein US-britisches Forschungsteam zeigt. Wie die Gruppe in den „Proceedings» der US-nationalen Akademie der Wissenschaften („PNAS“) berichtet, enthalten viele dieser Tröpfchen Metalle, die nur von Raumfahrzeugen stammen können.

„Wir haben über 20 unterschiedliche Elemente in den Aerosol-Partikeln nachgewiesen“, schreiben Daniel Murphy von der US-Wetter- und Ozeanographie-Behörde NOAA und seine Kollegen. „Die Häufigkeiten dieser Stoffe sind in guter Übereinstimmung mit den in Raumfahrzeugen verwendeten Legierungen.“

Als Aerosole bezeichnen Forscher winzige Partikel mit Größen zwischen einem Nanometer und mehreren hundert Mikrometern, die in der Luft schweben und hauptsächlich aus einer Flüssigkeit mit Beimischungen aus festen Bestandteilen bestehen. Die Aerosole in der von 12 bis 50 Kilometer Höhe reichenden Stratosphäre bestehen hauptsächlich aus Schwefelsäure. Diese entsteht zu einem großen Teil aus von Vulkanen ausgestoßenem Schwefel.

Teilchen außerirdischen Ursprungs

Seit langem ist bekannt, dass Schwefelsäure-Tröpfchen auch Teilchen außerirdischen Ursprungs enthalten. Dabei handelt es sich um Materie von Meteoriten, die beim Eintritt in die Erdatmosphäre verdampfen. Murphy und seine Kollegen haben bei mehreren Flügen mit einem Spezialflugzeug der US-Raumfahrtbehörde Nasa im Februar und im März dieses Jahres über Alaska über 500.000 Aerosolpartikel aus der Stratosphäre eingefangen und auf ihre aus dem Weltall stammenden Bestandteile untersucht.

Dabei zeigte sich, dass die Tröpfchen stets nanometergroße Partikel nicht nur von einem, sondern von vielen verschiedenen Meteoriten unterschiedlicher chemischer Zusammensetzung enthalten. Das deutet darauf hin, dass sich das aus dem Weltall kommende Material lange in der Hochatmosphäre aufhält und in Aerosolen ansammelt. Für die Forscher war damit der Gedanke naheliegend, dass Ähnliches auch für verdampfenden Weltraummüll gilt.

Und tatsächlich stießen sie bei ihren Analysen in über zehn Prozent der Aerosol-Tröpfchen auf Metalle, die nicht von Meteoriten, sondern von Raumfahrzeugen stammen müssen. „Es ist bemerkenswert, dass sich Überreste von Raumfahrzeugen, die oberhalb von 50 Kilometern Höhe verglühen, in Aerosolpartikeln aus einer Höhe von etwa 19 Kilometern nachweisen lassen“, betonen Murphy und seine Kollegen.

Und es ist aus Sicht der Forscher bedenklich: „Die geplante Zunahme von Satelliten in niedrigen Umlaufbahnen in den nächsten Jahrzehnten könnte dazu führen, dass sogar bis zur Hälfte aller Schwefelsäure-Tröpfchen solche Metalle enthält.“ So hat das Unternehmen SpaceX bereits Tausende kleiner Starlink-Satelliten für die Internet-Kommunikation ins All geschossen. „Welchen Einfluss diese Metalle auf die Eigenschaften der Aerosole in der Stratosphäre haben werden, ist völlig unbekannt“, so die Wissenschaftler weiter.

Murphy und seine Kollegen halten es für denkbar, dass die Metalle einerseits die Größe der Tröpfchen verändern sowie andererseits auch die Bildung von Eis und damit die Entstehung von Wolken in der Hochatmosphäre beeinflussen könnten. Beides würde Konsequenzen für das Wettergeschehen und das Klima haben. Hier bestehe also dringend Forschungsbedarf: „Solange wir die dadurch ausgelösten Effekte nicht verstehen, bilden sie einen wachsenden Unsicherheitsfaktor für die Aerosol-Schicht der Stratosphäre.“

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