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Auf dem Sprung. Ob in Afrika (hier die Uni Johannesburg) oder Europa: Der Uni-Zugang ist ein wichtiges Thema.

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Was eint Hochschulen weltweit?: Unis eine Zukunft geben

Teilen die Hochschulen der Welt gemeinsame Werte? Das diskutieren Rektoren aus 50 Ländern in Hamburg. Ein Ergebnis: Sie wollen die soziale Verantwortung von Unis stärken.

Kurz vor der Mittagspause, im Konferenzsaal droht sich gerade Erschöpfung breitzumachen, tritt der Vizekanzler der Universität Johannesburg ans Mikrofon. „Liebe Kolleginnen und Kollegen“, sagt er mit ruhiger, fast sanfter Stimme. „Unsere Selbstbetrachtung in Ehren. Aber können wir über globale Bildung sprechen, ohne die politischen Katastrophen um uns herum zu sehen? 50 Millionen Menschen sind auf der Flucht, überall Arbeitslosigkeit, Kriege: Wir Universitäten sind tief darin verwickelt. Unsere Absolventen machen diese Politik.“

"Eine Hochschule der Welt?"

Der Saal ist jetzt wieder wach – über 50 Rektorinnen und Präsidenten von Hochschulen auf fünf Kontinenten. Vergangene Woche sitzen sie in der Hamburger Hafencity beim „Transnational University Leaders Council“. Die Hochschulrektorenkonferenz hat sie eingeladen – auf Vorschlag von Dieter Lenzen, dem Präsidenten der Universität Hamburg. Er will hier seine neuesten Bildungs-Thesen diskutieren lassen, die er vor wenigen Monaten als längeren Aufsatz unter dem Titel „Eine Hochschule der Welt“ veröffentlicht hat. Es geht dabei um nichts Geringeres als um die Zukunft der Universitäten auf der ganzen Welt.

Lassen sich Unis weltweit zu sehr von den USA vereinnahmen?

Teilen die globalen Hochschulen noch gemeinsame Werte? Oder – so Lenzens freilich zugespitzte These – laufen sie Gefahr, im derzeit dominanten, marktkonformen Wissenschaftssystem der USA aufzugehen? Für Lenzen ist dieses „neokolonialistische“ System durch eine Vorstellung von Bildung geprägt, die eher der deutschen Berufsausbildung gleicht. Strenge Curricula bereiten Studierende auf den Arbeitsmarkt vor, nur wenige Unis sind im strengen Sinn Forschungseinrichtungen, an denen Wissenschaftler eigenständig arbeiten. Und selbst dann haben Geldgeber aus der Wirtschaft oft keinen geringen Einfluss auf die Forschungsziele. Auch in Europa beobachtet Lenzen den verstärkten Druck auf die Unis, der Wirtschaft entgegenzukommen. Auf der Strecke bleibe dabei das Humboldtsche Ideal des ethisch-humanistisch Gebildeten, das gern die kontinentaleuropäischen Universitäten für ihre Abgänger beanspruchen.

Nun sind das keine taufrischen Thesen, und die Perspektive ist ausgesprochen deutsch. Die amerikanischen Kollegen nehmen es sportlich. Für Suzanne Ortega, die Präsidentin des Verbandes der US-Graduiertenschulen, ist Lenzens Streitschrift „keine gelungene Beschreibung des amerikanischen Modells – aber eine gute Diskussionsgrundlage.“ Die Herausforderungen, die Lenzen sieht, beschäftigen tatsächlich nicht nur ihn: Wie finanziert sich eine Hochschule, wenn der Staat sich zurückzieht? Wie garantiert man, dass möglichst viele Menschen eine Universität besuchen können, und hält gleichzeitig das Leistungs-Niveau?

Wie auf Werte beim Unizugang einigen?

Man hat den Kreis der Diskutierenden absichtlich klein gehalten. Zu viele Partikularinteressen könnten das Ergebnis verwässern, befürchten die Veranstalter. Am Ende soll das „Hamburg Protocol“ stehen, eine Art Resolution, mit der man in den kommenden Jahren ein funktionierendes Netzwerk von Unis begründen kann.

Doch auch die wenigen Anwesenden machen deutlich, dass kein Land mit dem anderen vergleichbar ist. In Frankreich hat jeder, der eine weiterführende Schule abschließt, das Recht, eine Universität zu besuchen. Die Selektion findet anschließend statt. Es gibt Jahrgänge im Fach Medizin, die mit 600 Studierenden starten, von denen nach einem Jahr noch 100 übrig sind. In China büffeln Schüler jahrelang für Abschlussprüfungen, die über ein ganzes Leben entscheiden können – vom Auslandsaufenthalt bis zum prestigereichen Job. Wie einigen sich solche Länder auf Werte beim Hochschulzugang?

Im „Hamburg Protocol“ wird später einigermaßen unverbindlich stehen, dass der Zugang „frei von sozialen und finanziellen Voraussetzungen“ sein soll und dass „über den konkreten Auswahl-Modus jede Institution selbst entscheidet“. Außerdem verpflichten sich die Präsidenten mit ihrer Unterschrift, „alles zu unternehmen“, um soziale Randgruppen zum Studieren zu ermutigen. (Hier geht es zur Abschlusserklärung im Wortlaut.)

Die These von der politischen Hochschule

Warum das in dieser Klarheit formuliert wird, lässt sich genau zurückverfolgen. Auf den Moment nämlich, als Ihron Rensburg aus Südafrika seine These von der politischen Hochschule raushaut. „Nehmen wir globale Rankings“, sagt er. „Da werden wir alle mit Harvard verglichen.“ Rankings sind als Thema eine sichere Bank, die mag keiner der Anwesenden. Doch keiner im Saal hinterfragt die Kriterien für den globalen Vergleich so wie der Südafrikaner. „Reicht es denn, nur die Spitzenforschung zu vergleichen?“, fragt er. In seinen Augen brauchen Universitäten neue Kriterien für Leistung: Inklusion, Kooperation, menschlichen Werte.

Auch Rensburgs These wird nicht unwidersprochen bleiben. Die Präsidenten streiten noch viel darüber. Welchen Einfluss haben Universitäten wirklich auf die Politik? Kann man nicht auch jemanden ausbilden – wie im amerikanischen System – und gerade so auf lange Sicht der Gesellschaft nützen? Die Antworten darauf werden im „Protocol“ nur angedeutet, internationale Arbeitsgruppen sollen in den kommenden Jahren konkrete Ziele formulieren.

Doch die soziale Verantwortung der Hochschule lässt niemanden mehr los. Sie hat das Kleinklein von OECD-Studien und Studiengebühren gebannt, die Alltagssorgen der akademischen Führungsriege. Die Weltpolitik im Blick zu haben, das ist neben dem Wunsch, möglichst viele regional unterschiedliche Unisysteme zu erhalten, die dominante Forderung der Konferenz.

Einen Text, wie die aktuelle Lage an japanischen Hochschulen ist, lesen Sie hier. Und hier lesen Sie eine Analyse zu den britischen Universitäten.

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