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In Deutschland gibt es in knapp 20 Städten Konfuzius-Institute - hier Angela Merkel bei der Eröffnung des Hauses in Stralsund im Jahr 2016.

© picture alliance / Stefan Sauer/

Umstrittene Konfuzius-Institute: Senat will von China finanzierte Professur an der FU überprüfen

Die FU lässt sich eine Professur aus Peking bezahlen. Nun stellt die Senatskanzlei das auf den Prüfstand. Studierende und Forscher fürchten "Selbstzensur".

Peking hat der FU Berlin eine Professur gestiftet – dieser Sache nimmt sich nun die Landesregierung an. „Die Senatskanzlei – Wissenschaft und Forschung hat eine Prüfung des Kooperationsvertrags zwischen der Freien Universität Berlin und dem Konfuzius Institute Headquarters eingeleitet, auf dessen Grundlage die Anschubfinanzierung der Professur für Didaktik des Chinesischen sowie Sprache und Literatur Chinas an der Freien Universität Berlin erfolgt“, sagt ein Sprecher.

Zwar hätten Berliner Hochschulen „ein Recht auf eigenverantwortliche und weisungsfreie Selbstverwaltung“ – Aufsichtsmaßnahmen könnten aber im Einzelfall eingeleitet werden. „Im Rahmen dieser Prüfung haben wir Nachfragen an die Freie Universität gestellt, die für die weitere Bewertung des Sachverhalts notwendig sind.“

Das Hauptquartier der Konfuzius-Institute – auch Hanban genannt – ist die Dachorganisation der gleichnamigen Sprach- und Kultureinrichtungen. In Deutschland wurden in den letzten 16 Jahren in knapp 20 Städten Konfuzius-Institute eingerichtet – normalerweise an Universitäten, so auch an der FU.

Vermitteln die Konfuzius-Institute ein Peking-freundliches Chinabild?

Die Institute stehen unter dem Verdacht, für das chinesische Regime kritische Themen auszublenden und ein Peking-freundliches Chinabild zu vermitteln. Die Freie Universität in Brüssel hatte im Dezember angekündigt, die Kooperation mit ihrem Institut zu beenden, nachdem der belgische Geheimdienst den chinesischen Kodirektor wegen Spionagevorwürfen nicht mehr ins Land gelassen hatte.

Auch die Uni Düsseldorf hatte kürzlich ihre Kooperation beendet, unter anderem wegen möglicher Einflussnahme. Während etwa die Unis in Bonn und Hamburg erklärt hatten, ihre Zusammenarbeit zu überprüfen beziehungsweise die Finanzierung einzustellen, sah die FU wie andere Unis auch bislang kein Problem.

Offiziell ist Hanban dem chinesischen Bildungsministerium zugeordnet, doch wie alle staatlichen Einrichtungen in China steht es unter der Kontrolle der Kommunistischen Partei. Laut Aussage der Bundesregierung wird Hanban von deren Propagandaabteilung gesteuert.

Die FU lässt sich eine Professur von Hanban finanzieren

Nachdem die Uni Göttingen 2009 in einer Pressemitteilung bekanntgegeben hatte, dass sie für zwei Professuren Gelder von Hanban erhält, stellte sich im Dezember heraus, dass sich nun auch die FU eine Stiftungsprofessur von Hanban finanzieren lässt.

Anders als etwa bei der Einrichtung von Lehrstühlen durch die Deutsche Telekom Stiftung erwähnte die FU die Finanzierung bei einer Meldung zur Berufung des Sinologen Andreas Guder jedoch nicht – dieser hatte eine der Hanban-Professuren in Göttingen inne und leitete dort auch das Konfuzius-Institut.

Nach Informationen des Tagesspiegels ist der Vertrag zur Finanzierung seiner Professur tatsächlich brisant: Er enthält eine Klausel, dass auch Hanban den Vertrag jederzeit kündigen kann, wie die FU auf Nachfrage erklärt. Dies heißt, dass etwa bei Verärgerung über Peking-kritische Aussagen des Lehrstuhlinhabers die Finanzierung gestoppt werden kann – verbunden mit erheblichen finanziellen Schäden für die Uni, die zur Ausstattung der Professur über fünf Jahre knapp 500.000 Euro erhalten soll. Anschließend muss sie die Kosten selbst tragen.

Der Vertrag der FU mit Hanban erhält eine brisante Klausel: Die chinesische Seite kann die Vereinbarung jederzeit auflösen und somit der Uni das Geld entziehen.
Der Vertrag der FU mit Hanban erhält eine brisante Klausel: Die chinesische Seite kann die Vereinbarung jederzeit auflösen und somit der Uni das Geld entziehen.

© Thilo Rückeis

Die FU sieht hierbei offenbar bislang kein Problem: „Die Anschubfinanzierung erlaubt es der Freien Universität, den Aufbau dieses wichtigen, für das Lehramt qualifizierenden Studiengangs jetzt in Angriff zu nehmen“, erklärt die Uni auf Anfrage – die Ausbildung von Chinesischlehrern erhalte „nun die erforderliche wissenschaftliche Basis am Standort Berlin“.

Laut FU hat Hanban keinen Einfluss auf Forschung und Lehre

„Professor Guder zählt in Deutschland zu den führenden Experten für Chinesisch-Unterricht“, erklärt die FU weiter. Obwohl Hanban laut Experten als staatliche Einrichtung anzusehen ist, erklärt die FU auf Nachfrage, bei ihr gebe es „keine Professuren, die von ausländischen Staaten finanziert werden“.

Der Studiengang wurde im Akademischen Senat (AS) Mitte der Woche ohne große Diskussion beschlossen. Auf Nachfrage eines Studierendenvertreters bekräftigte FU-Vizepräsidentin Verena Blechinger-Talcott, Hanban habe keinerlei Einflussmöglichkeiten auf Forschung und Lehre an der FU – weder bei der Berufung des Professors noch bei der Ausgestaltung des Studiengangs. Dass Hanban den Vertrag über die Professur jederzeit kündigen könne, sei zwar ein gewisses Risiko. Andererseits könne auch die FU die Vereinbarung jederzeit auflösen. Laut Blechinger-Talcott trägt Hanban vor allem die Personalkosten für die Professur.

Guder dankte der Vizepräsidentin in der Sitzung für die „Klarstellungen“ und fügte hinzu, er habe sich auch schon mehrfach gegen Hanban gestellt - ohne das jedoch im Detail auszuführen. Auf eine Anfrage des Tagesspiegels verwies Guder an die FU-Pressestelle, die die Fragen bislang offenließ.

Die Bewerber hatten teils keine sicheren Informationen zur Finanzierung

Nach Informationen des Tagesspiegels hatten die Bewerber für die Professur zumindest teilweise keine sicheren Informationen zur Finanzierung – offenbar haben sie teils nur Gerüchte über die Gelder aus China gehört und etwa bei ihrem Bewerbungsvortrag selbst nachgefragt. Beim Berufungsprozess beteiligte Personen haben außerdem erklärt, dass die Uni aufgefordert worden sei, den Kooperationsvertrag mit Hanban zur Verfügung zu stellen – was nicht erfolgt sei. Auch der Tagesspiegel hat bislang keinen Einblick erhalten.

Andere Kandidaten räumten teils ein, dass bei Kooperationen mit China – wie jener mit Hanban – die Gefahr bestehe, dessen System reinzuwaschen, auch wenn sie die Stelle in der Gesamtabwägung durchaus angenommen hätten.

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Im AS erklärte Blechinger-Talcott, die Finanzierung sei bereits 2015 bei Hanban beantragt worden. Laut der Senatskanzlei wurde der Kooperationsvertrag zwischen FU und Hanban im Sommer 2017 geschlossen, im November habe sie die Senatskanzlei hierüber informiert. Deren Sprecher erklärt, der Berufungsvorgang sei „entsprechend den geltenden Vorgaben und Qualitätsrichtlinien des Landes Berlin“ durchgeführt worden. Die Senatskanzlei prüfe alle Berufungsvorgänge detailliert. Aus den Berufungsunterlagen ergäben sich keine Hinweise, ob Einsicht in die Kooperationsunterlagen ersucht wurde.

Ein offener Brief von ehemaligen Studierenden und Wissenschaftlern

Doch dies liegt nach Auskunft eines Verfahrensbeteiligten, der nicht genannt werden möchte, daran, dass lediglich ein Ergebnisprotokoll erstellt wurde.

Derweil richten mehrere ehemalige Studierende und Wissenschaftler der FU einen offenen Brief an ihre Alma Mater: Sie machten sich „große Sorgen um die wissenschaftliche Unabhängigkeit“. Neben direkter Einflussnahme bestehe „ein hohes Risiko von Selbstzensur aufgrund der Abhängigkeit der Professur von Finanzmitteln aus China“, schreiben sie – darunter der nun in Großbritannien lehrende Chinaexperte Andreas Fulda sowie der frühere Journalismusstudent David Missal, der in China wegen kritischer Recherchen für eine Studienarbeit verhaftet und ausgewiesen wurde.

Die Unterzeichner des Briefs fordern eine „umfassende Offenlegung der Vertragsinhalte“ sowie eine Erläuterung, wie es zur Vertragsbeziehung gekommen ist. Außerdem verlangen sie eine sofortige Beendigung des Vertrags und eine alternative Finanzierung der Professur – oder gar deren Streichung.

Auch die HU plante eine Hanban-Professur - der Deal platzte aber

Nach Recherchen des Tagesspiegels hatte auch die Humboldt-Uni geplant, sich von Hanban eine Professur finanzieren zu lassen: Im Mai 2013 unterschrieben beide Partner im Beisein des chinesischen Premiers Li Keqiang und von Bundeskanzlerin Angela Merkel eine Absichtserklärung. Es sei vereinbart worden, dass „die Ausschreibung international und kompetitiv stattfinden würde und volle akademische Unabhängigkeit gewährleistet wäre“, erklärt ein Unisprecher nun.

Trotz der pompösen Zeremonie kam es jedoch nicht hierzu: Die Absichtserklärung enthielt eine erstaunlich kurze Frist, die Ende September 2013 ungenutzt ablief. Warum die Ausschreibung der Professur zwischenzeitlich nicht erfolgte, konnte ein Unisprecher nicht beantworten. 

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