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An der Humboldt-Uni kann man Slawistik studieren oder die Sprache als Studienfach wählen.

© IMAGO/Christian Spicker

Ukrainisch im Studium : Bisher nur an der Humboldt-Universität möglich

Das Interesse unter Studierenden, Ukrainisch zu lernen, ist seit dem Krieg gewachsen. Als Teil des Studiums bietet bisher nur die Humboldt-Universität Berlin die Sprache an. Ein Besuch im Unterricht.

In den letzten zwei Jahren hat sich die Slawistik in Deutschland deutlich verändert. Ukrainistik ist kein kleines Fach mehr. Die ukrainische Geschichte, Kultur und Literatur sind in den Mittelpunkt der Osteuropastudien getreten.

Bislang gibt es nur wenige Orte Unis in Deutschland, an denen man Ukrainisch studieren kann. Da ist die Universität Greifswald, die seit 2009 eine zweisemestrige Zusatzausbildung in ukrainischer Sprache und Kultur anbietet. Auch im Sprachenzentrum der Europa-Universität Viadrina wird seit 2017 Ukrainisch unterrichtet. Beides sind aber keine akademischen Studiengänge. Als Kernfach oder Zweitfach im Slawistik-Studium wird Ukrainisch nur an der Humboldt-Universität Berlin unterrichtet.

Kurz nach Beginn der russischen Invasion startete die Uni zwei Angebote, Ukrainisch für Anfänger und einen fortgeschritten Kurs für Slawistikstudierende, die bereits Vorkenntnisse in anderen slawischen Sprachen haben. Ab dem Sommersemester 2023 wird Ukrainisch in vollem Umfang unterrichtet, vom Anfängerniveau A1 bis zum höchsten, dem C1-Niveau, wie alle anderen Sprachen am Institut für Slawistik.

Inhalte gestaltet die Lehrerin nach ihren Schülern

Nataliya Tsisar ist bisher die einzige Ukrainerin im Fachbereich. Sie kam auf der Flucht vor dem Krieg aus Lwiw nach Berlin. Tsisar unterrichtet schon seit 20 Jahren Linguistik und Ukrainisch als Fremdsprache – die meiste Zeit in der Ukraine, aber auch in China und Kanada. Die Lehrpläne, mit denen sie in der Ukraine Ausländer unterrichtete, funktionierten hier nicht, erzählt sie. Sie müsse neue Programme entwickeln, um die Interessen und Bedürfnisse der Studierenden hier zu berücksichtigen. „Alle meine Gruppen sind unterschiedlich. Das Alter reicht von 18 bis 60, viele von ihnen studieren auch an anderen Fakultäten. Und manche sind Forschende, die schon fertig studiert haben.“

Sie haben unterschiedliche Motivationen, Ukrainisch zu lernen und diverse Lebenserfahrungen. So versucht Nataliya, den Unterricht für alle interessant zu gestalten und die Themen kreativ zu wählen.  

Für Deutsche tückische Grammatik

„Wo ist es besser zu leben – in Kyjiw oder in Bali?“ Die Studierenden lesen die Argumentation eines Kiewers, der sich auf einer exotischen Insel ansiedelt. Und dann versuchen sie, Sätze zu konstruieren, indem sie die Vergleichsgrade der Adverbien verwenden. Beim ersten Mal gelingt ihnen das fast ohne Fehler. Für Deutsche ist das kein besonders schwieriges Thema: warm, wärmer, am wärmsten. Im Ukrainischen funktioniert es nach demselben Prinzip.

Studierende im Ukrainischkurs an der HU Berlin im Januar 2024
Studierende im Ukrainischkurs an der HU Berlin im Januar 2024

© Valeriia Semeniuk

Schwerer haben es die Deutschen mit dem Kasus. Es liegt nicht nur daran, dass es im Deutschen vier und im Ukrainischen sieben davon gibt. Auch die Verwendung mit den Verben stimmt nicht überein. Ein Deutscher nimmt schnell den falschen Fall, wenn er versucht, auf Ukrainisch zu sagen: „Ich rufe dich an“. Denn im Ukrainischen benötigt das Verb keinen Akkusativ, sondern einen Dativ: „Ich rufe dir an“ sozusagen.

Laut Tsisar sind mehr als die Hälfte in der Klasse Deutsche. Einige von ihnen arbeiten bereits in ukrainischen Projekten, andere sehen es als Plus für die Karriere. Auf dem deutschen Arbeitsmarkt entsteht ein großer Bedarf an Fachkräften, die Ukrainisch können.

Lehrerin Natalyia Tsisar passt den Unterricht den Interessen ihrer Schüler an.
Lehrerin Natalyia Tsisar passt den Unterricht den Interessen ihrer Schüler an.

© Valeriia Semeniuk

Erstaunlich viele sind auch Russen, Russlanddeutsche oder Ukrainischstämmige, die Ukrainisch nie gelernt haben. Maryna ist eine Studentin im Kurs, ihre Muttersprache ist Russisch. Ihre Verwandten leben aber in der Ukraine. Sie findet es wichtig, mit ihnen in ihrer Muttersprache zu kommunizieren und nicht in der Sprache des Landes, das sie angegriffen hat.

Artur ist ein Ukrainer, der in Berlin geboren wurde. Seine Eltern sind, wie viele Menschen aus der Ostukraine, russischsprachig. Jetzt lernt er Ukrainisch, als wäre es eine Fremdsprache. Obwohl die beiden erst im zweiten Semester sind, ist ihr Niveau schon recht gut. Eine andere slawische Sprache zu kennen, sei hilfreich, sagt Tsisar.

Einer anderer Teilnehmer, Ignacio Sar Chavez, hat seinen Bachelor in Soziologie gemacht und lebt jetzt in Peru. Den Ukrainisch-Kurs besucht er weiter online, obwohl er sich dafür um 4 Uhr morgens einschalten muss: „Die ukrainische Sprache ist es mir wert, früh am Morgen aufzustehen.“

In anderthalb Jahren hat Ignacio die Sprache von Null an bis zur auf C1-Niveau gelernt. Dozentin Tsisar freut sich über „erstaunliche Ergebnis“. Warum ist er so motiviert?  In einem Online-Gespräch erklärt Ignacio seinen Erfolg damit, dass er eine besondere emotionale Verbindung zur ukrainischen Sprache hat. „Vielleicht ist das so, weil ich kurz vor Beginn des Krieges vier Mal in die Ukraine gereist bin und dort Menschen kennengelernt habe.“ Das Leid des Landes mache ihn heute betroffen.

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