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George Shefi entkam als Kind der Schoah. 2019 erhielt er den Verdienstorden des Landes Brandenburg.

© PNN / Ottmar Winter

Überlebende der Shoah: Wie es gelingen kann, dem Trauma zu widerstehen

Das Grauen des Holocausts bleibt im Leben der Opfer präsent. Und setzt sich auch in den nachfolgenden Generationen fort.

Es sind Überlebende der Shoah, wie George Shefi, die uns fast an eine göttliche Gerechtigkeit glauben lassen. Der inzwischen 91-jährige, der seine ersten Jahre in der Nähe des Kleistpark in Berlin-Schöneberg verbracht hat, wurde mit sieben Jahren von seiner Mutter in einen sogenannten „Kindertransport“, einem Zug nach England, gesetzt und konnte so überleben. Seine Mutter wurde ermordet, er sah sie nie wieder.

Er schaffte es trotz seines Traumas ein erfolgreiches und erfülltes Leben in Israel mit vielen Kindern, Enkeln und mittlerweile auch Urenkeln zu führen. Mit seiner ungebrochenen Vitalität, und seinem Charme überzeugt er auch heute noch hunderte von jungen Menschen in Schulen und appelliert an ihre Verantwortung, aus der Geschichte zu lernen. Man könnte fast der Versuchung erliegen, zu glauben, es könnte im Holocaust sowas, wie ein „ Happy End“ geben.

Unheilbare Schäden der Psyche

Die Realität ist eine andere. Der Zivilisationsbruch der Nazis hat durch die Entmenschlichung und Vernichtung der jüdischen Bevölkerung in deren kollektiver und indiviuellen Psyche Schäden hinterlassen, die nicht vollständig geheilt werden können und über Generationen hin fortwirken.

Immer noch leben fast 180.000 sogenannte Survivors und Child Survivors (jüdische Menschen, die den Holocaust als Kind erlebt haben) in Israel. Viele davon sind krank, einsam und haben große psychische Probleme. Die traumatischen Erlebnisse aus der Zeit der Verfolgung bekommen zudem im Alter und speziell nach dem Verlust von nahestehenden Menschen nochmal eine verheerende Dynamik.

Kein Schutz im Alter

Der Horror, das Grauen werden wieder im inneren Leben präsent, was mit großem Leid und Ängsten verbunden ist. Im Alter zerbrechen die eigenen Schutzmauern, die das unaushaltbare Grauen und die vernichtenden Gefühle teilweise abgehalten haben. Die Menschen, die physisch den Gräueln der Vernichtungsmaschinen scheinbar entronnen sind, erleben die Hölle auf Erden erneut, oft einsam und unbemerkt in ihren vier Wänden.

Um diese Menschen kümmert sich Amcha-Israel, eine psychosoziale Hilfsorganisation, die mit über 500 Therapeuten und vielen Freiwilligen, auch aus Deutschland, lebenswichtige Hilfe leistet. Amcha bedeutet „Du bist von meinem Volk“ und war der Erkennungscode unter den überlebenden Juden, die nach dem Zusammenbruch der NS-Herrschaft durch Europa irrten.

Seit vielen Jahren arbeitet Amcha-Israel unter der klinischen Leitung von Martin Auerbach in der therapeutischen Hilfe. Dies reicht von der Einzeltherapie bis zur Betreuung in den sogenannten Social Clubs. Sie treffen sich dort, essen gemeinsam, singen, tanzen und malen. Für viele sind diese Clubs ein Zuhause geworden, indem sie sich sicher fühlen können.

George Shefi mit Kindern der Löcknitz-Grundschule vor dem Haus in der Hauptstraße 5 in Schöneberg, wo er als Kind gelebt hat. Hier wurden „Stolpersteine“ für seine Mutter und seine Tante verlegt.

© TSP / Annette Kögel

Seit einigen Jahren rücken auch die Kinder der Survivor, die sogenannte Second Generation immer mehr in den Focus der Arbeit von Amcha. Martin Auerbach haben erforscht, wie die Traumata oft unbewusst weitergegeben werden. Auch wenn über das schreckliche Erlebte nicht gesprochen wird, es teilt sich mit und belastet die innerfamiliären Strukturen und kann für die Nachkommen genauso zerstörerisch wirken.  Inzwischen ist sogar erwiesen, dass durch den traumatischen Stress ausgelöste Veränderungen im Gehirn genetisch weitergegeben werden können.

Die Ergebnisse der therapeutischen Arbeit und die wissenschaftlichen Erkenntnisse von Amcha haben in der internationalen Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Traumatherapie unschätzbaren Wert. Sie kommt auch Menschen, die durch aktuelle Kriegs- und Fluchtgeschehen traumatisiert werden, zugute.

Das Leiden, das die Shoah ausgelöst hat, kann nicht wirklich wiedergutgemacht werden kann. Wir können aber lernen und erkennen, welche dramatischen Folgen für Generationen entstanden sind und alles dafür tun, um künftiges Leid zu verhindern. Im besten Fall den Betroffenen helfen und ihren Schmerz lindern.

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