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Unser Kolumnist George Turner.

© Mike Wolff

Turners Thesen: Bei Studenten nach Begabung fragen

Niemand darf wegen seiner Herkunft ein Studium verwehrt bleiben. Ausschlaggebend dürften allein die kognitiven Grundfähigkeiten sein, meint unser Kolumnist.

Das Deutsche Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung hat es festgestellt: von 100 Akademikerkindern studieren 79; lediglich 27 sind es von Eltern, die nicht studiert haben. Direkt oder mittelbar wird mit der Verbreitung einer solchen Mitteilung die Forderung verbunden, politisch dahin zu wirken, dass das Verhältnis sich ändert. Da wundert es schon, dass nicht der Ruf nach einer Quote ertönt. Keine Frage, dass niemand wegen der Herkunft eine Chance verwehrt werden darf. Ebenso stellt sich aber die Frage, ob es womöglich hemmende Faktoren gibt, die weder durch besondere Förderung noch durch eine Quotenregelung ausgeglichen werden können.

Entscheidend für die Befähigung in Schule und Hochschule sind kognitive Grundfähigkeiten. Unerörtert bleibt beim Nebeneinander von Zahlen, inwieweit Lernleistung an Intelligenz gekoppelt und vererbt wird. Ebenso wird nicht beachtet, dass niemand durch seine Umgebung begabt wird und ob diese durch gezielte Anregungen etwas bewirken kann, zusammen mit gegebener Intelligenz. Dies allein zu thematisieren widerspricht offenbar schon der Political Correctness.

Heutige Akademikerkinder sind schon Kinder der Bildungsexpansion

Übersehen wird leicht, dass die Akademiker, deren Kinder aktuell studieren, bereits zu denen gehören, die von der Expansion des Bildungswesens profitiert haben. Besuchten um das Jahr 1960 nur rund fünf Prozent der gleichaltrigen Bevölkerung eine Hochschule, ist seither eine stetige Steigerung bis derzeit rund 50 Prozent zu registrieren. Die studierten Eltern der aktuell Studierenden waren zu einem großen Teil selbst Kinder von Eltern, die nicht studiert hatten. Der eingangs zitierte Vergleich ist deshalb „schief“: Es wird der Eindruck erweckt, als handle es sich um feste Größen. Dabei erleben wir eine Entwicklung. Erst wenn über längere Zeit der Anteil der Akademiker, besser hieße es „Hochschulabsolventen“, feststeht, ist ein solcher Vergleich aussagekräftig.

Trotz Studierfähigkeit nicht an der Uni? Das wäre ein Problem

Angesichts der Klagen über mangelnde Studierfähigkeit eines Teils der Immatrikulierten könnte man mit der nötigen Sorgfalt feststellen, wie viele von den 79 Prozent Akademikerkindern darunter fallen. Schwieriger wäre es zu erkunden, wie es denn andererseits mit der Studierfähigkeit derjenigen steht, die als Kinder von Eltern, die nicht studiert haben (100 - 27 = 73 Prozent), den Weg zu Universität oder Fachhochschule ebenfalls nicht finden. Denn erst wenn die eingangs zitierten 27 Prozent deshalb so gering sind, weil Angehörige dieser Gruppe trotz gegebener Studierfähigkeit wegen ihrer Herkunft nicht zum Studium gelangen, ist es ein Problem. Aber allein diese Fragestellung treibt manchem Leser womöglich bereits die Zornesröte ins Gesicht.

Wer mit dem Autor diskutieren möchte, kann ihm eine E-Mail senden: george.turner@t-online.de

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