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Katzen haben bei der Mäusejagd einen winzigen Helfer: Toxoplasmose-Erreger machen die Nager leichter fangbar.

© imago images/Photocase

Tricks des Toxoplasmose-Erregers: Wie ein gefährlicher Erreger Mäuse dazu bringt, sich leichter fangen zu lassen

Auch für Menschen kann Toxoplasmose gefährlich sein. Forscher räumen nun mit einem Mythos über den Keim auf und zeigen eine überraschenden Trick des Erregers.

Der Erreger der Katzenkrankheit Toxoplasmose macht Mäuse generell neugieriger und weniger ängstlich, wie eine Studie zeigt. Deshalb werden sie leichter Beute für Katzen.

Die bisher verbreitete Annahme, der Erreger manipuliere Mäuse, so dass sie sich vom Duft einer Katze angezogen fühlten, sei dagegen überholt, schreibt eine Gruppe um Ivan Rodriguez und Dominique Soldati-Favre von der Universität Genf im Fachjournal «Cell Reports».

Der auslösende Einzeller Toxoplasma gondii kann auch Menschen beeinträchtigen, gefährdet sind insbesondere Schwangere und Personen mit geschwächtem Immunsystem.

Geruchssinn-Maniupulation? Nein.

«Seit 20 Jahren dient Toxoplasma gondii als Lehrbeispiel für eine parasitäre Manipulation des Verhaltens, hauptsächlich wegen der Spezifität dieser Manipulation», wird Rodriguez in einer Mitteilung des Journals zitiert. Die Untersuchung zeige jedoch, dass die Infektion nicht nur die Angst vor Katzen reduziere, sondern das Gehirn von Mäusen generell erheblich verändere. Dies beeinflusse verschiedene Verhaltensweisen.

Toxoplasma-Zellen in einer aus einem Mäusegehirn isolierten Zyste
Toxoplasma-Zellen in einer aus einem Mäusegehirn isolierten Zyste

© Pierre-Mehdi Hammoudi and Damien Jacot

Die Forscher infizierten Mäuse mit dem Erreger und unterzogen sie dann von der fünften bis zur zehnten Woche Versuchen. Infizierte Mäuse waren neugieriger, erkundeten ausgiebiger eine neue Umgebung und hatten weniger Angst vor potenziellen Fressfeinden als nicht infizierte Tiere.

Sie verbrachten deutlich mehr Zeit neben einer betäubten Ratte, kletterten sogar über sie und erkundeten intensiver Räume mit den Gerüchen von Fressfeinden wie Rotluchs und Fuchs. Sie interessierten sich aber genauso sehr für Orte mit dem Duft von Meerschweinchen.

Die infizierten Mäuse änderten auch ihr Sozialverhalten. In einem Raum mit einer anderen Maus, einem Metallwürfel mit Löchern und einem Apfel erkundeten sie die Maus und die Gegenstände gleichermaßen. Uninfizierte Mäuse hatten hingegen eine deutliche Vorliebe für die andere Maus.

«Durch eine gründliche Verhaltensanalyse von infizierten Mäusen zeigen wir, dass eine chronische Infektion mit T. gondii eine Abnahme der Angst, eine Zunahme des Erkundungsverhaltens und einen allgemeinen Verlust der Abneigung gegen Raubtiere ohne Spezifität für Katzen auslöst», schreiben die Forscher.

Manipuliert Toxoplasma auch das menschliche Verhalten?

Eine Analyse, welche Hirnareale vom Erreger befallen werden, zeigte unterschiedliche Verteilungsmuster, auch wenn meist das Sehzentrum und andere Regionen der Hirnrinde betroffen waren. Mit genetischer Analysen fanden Rodriguez und Kollegen dann bei den infizierten Mäusen vermehrt Entzündungen von Nervengewebe.

Infektionsherde in einem Mäusegehirn
Infektionsherde in einem Mäusegehirn

© UNIGE

Zudem wiesen sie nach, dass spezielle Proteine, die der Erreger produziert, entscheidend für diese Entzündungen sind. Die Verhaltensänderungen waren umso größer, je höher die Zahl der Erreger war. «Insgesamt deuten die Ergebnisse eher auf eine durch neuronale Entzündung vermittelte Verhaltensmanipulation hin als auf eine direkte Störung bestimmter Nervenpopulationen durch den Parasiten», sagt Rodriguez.

Da T. gondii sich hauptsächlich im Darm von Katzen vermehrt, ist eine Ansteckung über den Kot möglich. Mäuse und auch Nutztiere wie etwa Schweine dienen dem Einzeller als Zwischenwirt. So kann der Parasit etwa über den Verzehr von rohem Fleisch oder ungewaschenem Obst und Gemüse in den Menschen gelangen.

Eine Untersuchung des Robert-Koch Instituts (RKI) ergab 2016, dass jährlich mehr als 4000 schwangere Frauen eine Toxoplasmose durchmachen und mehr als 300 Neugeborene mit Symptomen wie etwa neurologischen Problemen zur Welt kommen.

Weltweit sollen laut RKI etwa 30 Prozent der Menschen T. gondii in sich tragen. Bei den meisten Infizierten treten demnach keine offenkundigen Symptome auf, bei immungeschwächten Menschen kann es laut RKI aber zu Fieber, Kopf- und Muskelschmerzen kommen.

Dennoch sei die Symptomatik nicht mit der von Mäusen vergleichbar, sagt die Genfer Studienleiterin Soldati-Favre. «Auch wenn anscheinend subtile Verhaltensänderungen bei Menschen auftreten können, dürften die Entzündungsreaktionen im menschlichen Gehirn niemals das gleiche Ausmaß erreichen wie bei im Labor infizierten Mäusen.» (Stefan Parsch, dpa)

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