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Ein Blick in die theologische Bibliothek der Universität Bamberg.

© Universität Bamberg

Theologie als Wissenschaft: Die Gottesfrage

Gehören die Theologien an die Universitäten? Ausgerechnet dort, wo es um den Glauben geht, ist das Fach umstritten.

Glauben gilt als Privatsache. Die Frage, wie es jemand mit Gott hält, ist in der säkularisierten Gesellschaft eher unüblich. Zu heikel, zu persönlich. Ähnliches Unbehagen herrscht bei Teilen der Bevölkerung angesichts der wissenschaftlichen Gottesforschung. Zwar hat der Wissenschaftsrat 2010 in einer Empfehlung ausdrücklich betont, dass die Theologien an die Universitäten gehören. Nicht nur die evangelische und katholische Theologie, sondern auch Judaistik und Islamwissenschaften.

Doch obwohl diese großen Religionen heute ihren festen Platz an den Hochschulen haben, ist eine grundsätzliche Debatte nie richtig verstummt. Sie ist auch hochschulpolitisch brisant: Ist Theologie überhaupt eine Wissenschaft? Arbeitet sie nach wissenschaftlichen Kriterien? Gehört das Fach an die Hochschulen? Kritische Stimmen hat es immer wieder gegeben. Aktuell werden sie wieder lauter.

Als wollten sie "die Existenz von Frau Holle beweisen"

Holm Tetens, emeritierter Professor für theoretische Philosophie an der Freien Universität Berlin, wundert sich darüber nicht. „Wer heute den Gottesgedanken ins Spiel bringt, erntet oft hochgezogene Augenbrauen.“ Gott sei Wunschdenken, Fiktion, vielfach widerlegt, so die gängige Meinung. „Wer über Gott forscht, wird oft behandelt, als wolle er die Existenz von Frau Holle beweisen.“ In früheren Jahrhunderten war das anders, da hatte die Theologie, die wörtlich übersetzt „vernünftige Rede von Gott“ heißt, ihren Stammplatz in der Wissenschaft. Doch seit der Naturalismus zum vorherrschenden Weltbild und auch zum wissenschaftlichen Mainstream wurde, seien Auseinandersetzungen mit der Gottesfrage an den Rand gedrängt worden.

Zu Unrecht, meint Tetens, der vor einiger Zeit den schmalen Band „Gott denken. Ein Versuch über rationale Theologie“ veröffentlicht hat. „Zwar schließen sich Naturalismus und Theismus logisch-begrifflich aus“, aber es sei keineswegs entschieden, welche Weltanschauung nun die endgültig bewiesene und damit richtige sei. Der Naturalismus habe noch immer ein ungelöstes Leib-Seele-Problem. Der Theismus wiederum könne zwar nicht mit einem finalen Gottesbeweis aufwarten. „Sehr wohl jedoch können wir vernünftig dafür argumentieren, dass Gottes Existenz und seine Eigenschaften eine Möglichkeit darstellen“, schreibt Tetens. Schon deshalb sollte in beide Richtungen weitergeforscht werden. „Und Naturalismus und Theismus müssen ihre Argumente miteinander austauschen.“

Einwand: Auch Begriffe wie Materie oder Energie uneinheitlich verwendet

Diese Meinung vertritt auch Benedikt Paul Göcke von der Ruhr-Universität Bochum. Der junge Theologieprofessor leitet seit 2016 die Emmy-Noether-Nachwuchsgruppe „Theologie als Wissenschaft?!“. Göcke hat die gängigsten Argumente gegen die Wissenschaftlichkeit der Theologie gesammelt, gruppiert und analysiert. „Grundsätzlich strittig sind nur wenige Teilbereiche der Theologie“, erklärt er. Die meisten Themenfelder sind wissenschaftlich anerkannt – weil sie eng mit anderen Geistes- oder Gesellschaftswissenschaften verwoben sind. Die Kirchengeschichte arbeitet mit den Methoden der Geschichtswissenschaft: unproblematisch. Das Kirchenrecht beschäftigt sich mit juristischen Fragen: ebenfalls unstrittig. Die Bibelexegese bedient sich bei den Philologien: auch das kein Aufregerthema.

Angreifbar dagegen ist die Theologie im Bereich Dogmatik und Fundamentaltheorie, also dort, wo Glaubenssätze und -überzeugungen reflektiert werden, beispielsweise die Offenbarung und die Wiederauferstehung. „Da geht es um die Substanz, ums Eingemachte“, sagt Göcke. Und Glaubenskritiker haben über die Jahrhunderte etliches aufgefahren. „Es sind gute Argumente gegen die Existenz Gottes formuliert worden – mit denen muss man sich auseinandersetzen, um dann wiederum gute Gründe für die Plausibilität des Glaubens liefern zu können.“

Ein typisches Argument gegen die Wissenschaftlichkeit der Theologie lautet: Der Begriff „Gott“ sei nicht klar genug definiert. Göcke führt folgendes Gegenargument ins Feld: Zwar gelte „begriffliche Klarheit legitimerweise als Ideal jeder Wissenschaft“, doch oft genug in der Geschichte hätten grundlegende Begriffe einer Disziplin zunächst auf Annahmen beruht. Selbst in der Physik, die als Mutter aller Naturwissenschaften gilt, seien zentrale Begriffe wie Materie oder Energie lange uneinheitlich verwendet worden, sagt Göcke.

Im Spannungsfeld zwischen Normen und Erkenntnisstreben

Ein weiterer Vorwurf, der standardmäßig gegen die Theologie vorgebracht wird: Die Forschung sei nicht frei, weil die Fakultäten institutionell mit den Kirchen zusammenhängen. Erkenntnisse dürften deshalb nicht revidiert, Dogmen nicht infrage gestellt werden. Auf diese inneren Widersprüche hatte auch der Wissenschaftsrat in seinen Empfehlungen von 2010 hingewiesen. „Die einzelne Wissenschaftlerin, der einzelne Wissenschaftler“ stünden bei ihrer Arbeit „in der Spannung zwischen normativen Anforderungen der Religionsgemeinschaft und ergebnisoffenem Erkenntnisstreben“.

Göcke stellt sich auch diesem Argument – und weist auf die lebhafte Debatte innerhalb seines Fachs, der katholischen Theologie, hin, die sich genau mit diesen Ambivalenzen auseinandersetzt. 2016 etwa ist im Herder Verlag ein Sammelband erschienen („Unabhängige Theologie. Gefahr für Glaube und Kirche?“), in dem sich widerstreitende Positionen finden. „Gerade Dogmatik und Fundamentaltheologie sind hochgradig selbstreflexiv“, sagt Göcke. Anders formuliert: Sich selbst permanent wissenschaftlich anzweifeln, das praktiziert die Theologie in ihren Kerndisziplinen durchaus. Auch wenn das in der breiten Öffentlichkeit wenig wahrgenommen werde. „Manchmal habe ich das Gefühl, dass wir eher ein Kommunikationsproblem haben als ein wissenschaftstheoretisches Problem.“

Holm Tetens: In der Theologie ist jede sinnvolle Frage legitim

Ob die Theologien an die Universitäten gehören – für Göcke ist das letztlich eine gesellschaftliche Frage. „Ich würde es begrüßen, wenn die Gesellschaft sich weiterhin dafür entscheidet, lieber mehr als weniger an Universitäten erforschen zu lassen.“ Auch für Tetens steht fest, dass der theologischen Forschung ein fester Platz im Fächerkanon gebührt. Jede sinnvoll gestellte Frage könne zu einem „legitimen Gegenstand“ der Wissenschaften werden. „Und die Frage, ob es Gott gibt oder nicht, beschäftigt die Menschen auch heute noch.“

Das vorhandene institutionelle Problem – die enge Verknüpfung von Staat und Kirche in Bezug auf das kirchliche Lehramt – lasse sich außerdem am ehesten im universitären Umfeld in den Griff bekommen, findet Tetens. Denn selbst wenn Forscher Maßregelungen und Reglementierungen seitens der Kirchen befürchten müssen, wenn sie bestimmte Lehrinhalte infrage stellen, gilt im geschützten Raum der staatlichen Hochschulen Artikel 5, Absatz 3d des Grundgesetzes: „Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei.“

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