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In einem Haushalt in Quezon Stadt, Metro Manila, auf den Philipinnen finden Covid-19-Tests statt, doch in der Summe wird in Ländern mit geringerem Pro-Kopf-Einkommen viel weniger getestet als in den wohlhabenden.

© REUTERS/Lisa Marie David

Testen ist so wichtig wie nie zuvor: Noch immer fehlt ärmeren Ländern das Werkzeug zur Pandemiebekämpfung

Stichproben in Afrika zeigen: Es gibt zu wenig Tests und kaum Impfstoff - perfekte Voraussetzungen für ansteckendere Sars-CoV-2-Varianten. Ein Gastbeitrag.

In Deutschland hat jeder Anspruch auf mindestens einen freien Corona-Test pro Woche, in England darf man sich sogar zweimal wöchentlich kostenlos testen lassen.

Dem gegenüber stehen sieben Tests pro Woche pro 100.000 Einwohner*innen in ärmeren Ländern. Die ungerechte Verfügbarkeit von Tests wird schlagartig deutlich.

Die Zahlen sind ernüchternd. Nach unseren neuesten Daten stehen jedem Test, der in einem Land mit niedrigem Einkommen stattfindet, über 86 Tests in Ländern mit hohem Einkommen gegenüber.

Stichproben in Gesundheitseinrichtungen in 24 afrikanischen Ländern zeigen, dass im Jahr 2020 nur 11 Prozent der Gesundheitseinrichtungen COVID-19-Antigen-Schnelltests und nur 8 Prozent PCR-Tests anbieten konnten.

Wenn Tests dort nicht verfügbar sind, wo auch Impfstoffe kaum erhältlich sind, schaffen wir die perfekten Voraussetzungen dafür, dass immer ansteckendere und tödlichere COVID-19-Virusstämme auftauchen — ohne dass wir es merken.

Neue Varianten können die Wirksamkeit von Impfstoffen und Behandlungen untergraben und werden sich unweigerlich weltweit ausbreiten. Dies gefährdet selbst die Länder, die bereits einen großen Teil ihrer Bevölkerung geimpft haben.

Impfstoffe sind kein Wundermittel

Im März 2020 war Testen das gefragteste und wichtigste "Werkzeug" der Pandemiebekämpfung, denn es war - und ist! - die einzige Möglichkeit, zu überwachen, wo und wie schnell sich das Virus ausbreitet. "Testen, testen, testen", riet auch WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus unmissverständlich und immer wieder.

Kaum ein Jahr später dreht sich die öffentliche Diskussion nun fast ausschließlich darum, wie der Einsatz von Impfstoffen beschleunigt werden kann. Verständlich, denn Impfen ist der beste Weg, Menschen zu schützen, und je schneller wir alle Menschen mit Impfungen schützen, desto schneller können wir das Virus überwinden.

Emma Hannay ist Chief Access Officer der Foundation for Innovative New Diagnostics (FIND).
Emma Hannay ist Chief Access Officer der Foundation for Innovative New Diagnostics (FIND).

© Promo

Doch selbst wenn Impfstoffe extrem wirksam sind: Sie sind kein Wundermittel. Um COVID-19 zu beenden, müssen wir Tests, Behandlungen und Impfstoffe gleichzeitig einsetzen.

Die Geschwindigkeit, mit der sich das Virus weiterentwickelt und gefährliche Varianten hervorbringen kann, hängt davon ab, wie viele Infektionen es auf der Welt gibt. Es ist also in unser aller Interesse, die Infektionsraten überall so schnell wie möglich zu senken.

Selbst in den optimistischsten Szenarien ist dies mit Impfstoffen allein nicht schnell genug zu schaffen. Die meisten Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen werden frühestens Ende 2021 eine Impfquote erreichen, die hoch genug ist, um die Übertragung deutlich zu reduzieren.

Darum müssen wir sie dabei unterstützen, auch effektivere Eindämmungsstrategien einzusetzen, basierend auf Tests, Nachverfolgung und Isolierung. 

Erst Tests ermöglichen die richtige Behandlung

Testen ist zudem unerlässlich, um die richtige Behandlung zu ermöglichen. Wenn ein Kind in Afrika Fieber hat, ist es vielleicht an COVID-19 erkrankt, aber es könnte auch Malaria haben.

Wenn ein Mann mittleren Alters in Indien stark hustet, könnte es COVID-19 sein, aber möglicherweise auch Tuberkulose. Ohne Tests können Mediziner*innen und Pflegekräfte nur raten, welche Behandlung erforderlich ist.

Diesen Monat jährt sich der Start des “Access to COVID-19 Tools Accelerator" (ACT-Accelerator): eine wegweisende weltweite Zusammenarbeit, um die Entwicklung, Produktion und den gerechten Zugang zu COVID-19-Tests, -Behandlungen und -Impfstoffen zu beschleunigen.

Gemeinsam ist es gelungen, bereits mehr als 63 Millionen Antigen-Schnelltests und PCR-Tests in ärmere Länder zu liefern und, in Kooperation mit der Industrie, die Entwicklung kostengünstiger und genauerer Tests voran zu bringen.

Schnelltest in Amritsar, Indien.
Schnelltest in Amritsar, Indien.

© AFP/Narinder Nanu

Doch das reicht bei Weitem nicht aus. Laut Schätzungen der Diagnostik-Säule des ACT-Accelerator, die von FIND (Foundation for Innovative New Diagnostics) und dem Globalen Fonds geleitet wird, müssen wir Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen bis Ende des Jahres mit mindestens 900 Millionen Tests unterstützen.

Es fehlen 8,7 Milliarden US-Dollar für Tests und Laborkapazitäten

Das klingt zwar nach einer Menge Tests, aber selbst dann würde in diesen Ländern immer noch weniger als ein Viertel der Tests stattfinden, die derzeit durchschnittlich in reicheren Ländern durchgeführt werden.

Um diese Tests bereitzustellen und Laborkapazitäten vor Ort so aufzustellen, dass sie neue Virusvarianten durch Genomsequenzierung erkennen können, werden etwa 8,7 Milliarden US-Dollar benötigt. Dies ist die größte Finanzierungslücke innerhalb des ACT-Accelerators.

Peter Sands ist Direktor des Globalen Fonds zur Bekämpfung von AIDS, Tuberkulose und Malaria.
Peter Sands ist Direktor des Globalen Fonds zur Bekämpfung von AIDS, Tuberkulose und Malaria.

© Promo

Der COVID-19-Krisenfonds des Globalen Fonds, in den bisher 3,7 Milliarden US-Dollar investiert wurden, kann diese Lücke teilweise schließen.

Allerdings können diese Mittel nicht vollständig für Tests ausgegeben werden, da auch Behandlungen, Schutzausrüstung für das Gesundheitspersonal sowie Maßnahmen finanziert werden müssen, die die Auswirkungen von COVID-19 auf HIV-, Tuberkulose- und Malariaprogramme abmildern.

Diagnostik wird oft als weniger wichtig betrachtet als Impfstoffe oder Behandlungen. Während Impfstoffe Menschen davor schützen, sich zu infizieren, und Behandlungen den Erkrankten helfen, wieder gesund zu werden, sagt uns die Diagnostik scheinbar nur, wer infiziert ist und wer nicht.

Doch bei der Bekämpfung eines tödlichen Erregers ist dieses Wissen von entscheidender Bedeutung. Um COVID-19 ein schnelles Ende zu bereiten, müssen wir dringend überall dort mehr Testen, wo dies bislang zu wenig geschieht - parallel zu einer schnelleren und gerechteren Verteilung von Impfstoffen und Behandlungen.

Emma Hannay, Peter Sands

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