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Genetik: Supermäuse könnten helfen, Medikamente zu verbessern

Übergroße Versuchstiere könnten den Weg zu neuen Medikamenten und größerem Vieh ebnen.

Es klingt wie eine Szene aus Tom und Jerry, aber ein Biologe hat ein genetisches Rezept gefunden, Mäuse mit einer viermal größeren Muskelmasse als normal zu erschaffen.

Die Mutantenmäuse, gezüchtet von Se-Jin Lee von der Hopkins University School of Medicine in Baltimore, Maryland, unterscheiden sich genetisch in zwei wesentlichen Punkten von normalen Mäusen. Sie können ein Protein mit Namen Myostatin nicht herstellen, dafür produzieren sie zuviel eines anderen Proteins, Follistatin. Diese Veränderung lässt die Muskelmasse der Mäuse schneller wachsen.

Die muskulösen Mäuse unterscheiden sich erheblich von normalen Mäusen - ihre Muskelfasern, von denen sie 73 % mehr besitzen, sind mehr als doppelt so groß, berichtet Lee im Magazin Plos One (1).

Die Vergrößerung der Muskelmasse sowohl in der Anzahl als auch in der Länge und Dicke der Faser bedeutet gute Neuigkeiten für die Forscher, die sich mit dem Wiederaufbau von Muskelmasse bei Personen mit Krankheiten wie Muskeldystrophie, AIDS oder Krebs befassen, fügt Lee hinzu.

Doppelschlag

Myostatin schränkt das Muskelwachstum ein, weshalb Mäuse, denen dieses Protein fehlt, sich förmlich aufblasen. Follistatin bindet an Myostatin, was möglicherweise dessen Wirkung unterbindet. Genau aus diesem Grund hat Lee dieses Protein untersucht, aber er hätte nicht erwartet, dass die Mäuse durch seine Behandlung - Zugabe von Follistatin, Weglassen von Myostatin - so gewaltig wachsen würden.

Die Tatsache, dass Follistatin das Anwachsen von Muskelgewebe bei Abwesenheit von Myostatin unterstützt, lässt vermuten, dass hier mehr als nur ein Mechanismus am Werk ist. Mäuse haben von Natur aus einen sehr viel höheren Myostatin-Spiegel als Menschen, sagt Lee. Das bedeutet, dass es im menschlichen Organismus wahrscheinlich nur eine untergeordnete Rolle spielt. "Es ist im Menschen praktisch nicht messbar - das hat uns schon immer gestört", sagt Lee. "Offensichtlich gibt es hier noch andere Faktoren."

Falls Biologen noch andere Proteine identifizieren könnten, an die Follistatin bindet, könnten sie neue und vielversprechendere Medikamente für den Muskelaufbau bei Menschen entwickeln. Bisher waren die Versuche, ein Mittel zu finden, dass das Myostatin angreift, nicht von Erfolg gekrönt, auch wenn der Hersteller Wyeth mit einem auf Antikörpern basierenden Medikament experimentiert, das Muskeldystrophie durch Blockieren des Myostatins lindern könnte.

Muskelwahn

Mittel, die helfen, Muskelmasse zu erhalten, könnten auch älteren Menschen die Chance geben, ihre Kraft nicht zu verlieren, sagt Lee. "Es geht nicht darum, 80-jährige Schwarzenegger zu erschaffen - ältere Menschen werden einfach schwächer, sie können fallen und sich die Hüfte brechen."

Die Entdeckung könnte auch dazu beitragen, die Ideen der Viehzüchter umzusetzen, muskulösere Tiere zu züchten. Dadurch könnte man Kuh- oder Schafrassen erschaffen, die deutlich fleischiger sind. Viele der "Doppelmuskel"-Rassen wie das Flämische Blauvieh oder das Texelschaf tragen Mutationen des Myostatingens in sich.

Das Schreckgespenst der leistungssteigernden Drogen für Sportler schwebt über Lees Forschungsfeld. Jedes Medikament, das ein Wachstum von Muskeln verspricht, muss für Leistungssportler prinzipiell interessant sein. Auch wenn bisher noch kein Mittel freigegeben wurde, dass das Muskelwachstum bei Menschen in dieser Weise beeinflusst, gibt es keine Garantie, dass nicht bereits in dieser Richtung experimentiert wird, sagt Lee.

"Ich würde es auf keinen Fall empfehlen oder auch nur seine Wirkung bestätigen", sagt er. "Aber es existiert eine ganze Subkultur (die den Einsatz von gesundheitsschädlichen leistungssteigernden Drogen im Sport befürwortet) da draußen, die durchgeknallt ist. Das ist ein Problem und wird mit Sicherheit eine Herausforderung (für die zuständigen Behörden) sein."

(1) Lee, S.-J., Plos One 8, e789 (2007).

Dieser Artikel wurde erstmals am 6.9.2007 bei news@nature.com veröffentlicht. doi:10.1038/news070827-3. Übersetzung: Sonja Hinte. © 2007, Macmillan Publishers Ltd

Michael Hopkins

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