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Ein Wissenschaftler arbeitet in einem Covid-19-Labor an einem Impfstoff.

© Nicolas Asfouri/AFP

Update

„Stark von Geldgebern abhängig“: Vertrauen in die Wissenschaft sinkt während Coronakrise weiter

Zu Beginn der Pandemie stieg das Vertrauen in die Wissenschaft, sinkt aber seitdem kontinuierlich. Viele vermuten etwa, dass Erkenntnisse zurückgehalten werden.

Je länger die Corona-Krise dauert, desto mehr schwindet das Vertrauen in die Wissenschaft - ausgehend allerdings von einem zu Beginn der Pandemie deutlich gestiegenen Wert. Dem am Donnerstag veröffentlichten Wissenschaftsbarometer zufolge vertrauen aktuell 20 Prozent der im November Befragten voll und ganz in Wissenschaft und Forschung, weitere 40 Prozent tun dies "eher".

Bei einer ersten Corona-Sonderbefragung des seit 2014 jährlich erscheinenden Wissenschaftsbarometers im April 2020 setzten noch 36 Prozent vollstes Vertrauen in die Wissenschaft, insgesamt waren 73 Prozent vertrauensvoll. Im Mai sank der Wert auf 66 Prozent. 2018 waren es allerdings nur 54 Prozent und im Jahr vor Corona 46 Prozent.

Erhoben werden die Daten von Wissenschaft im Dialog, einer Initiative der großen deutschen Wissenschaftsorganisationen, um den wissenschaftlichen Austausch mit der Öffentlichkeit zu verstärken. Für die aktuelle Ausgabe des Wissenscchaftsbarometer wurden Anfang November bundesweit gut 1000 Menschen ab 14 Jahren befragt.

Der häufigste Grund, Aussagen von Wissenschaftler*innen und Forschungsergebnissen zu misstrauen, ist die Annahme, dass Forschende stark von ihren Geldgebern abhängig seien. Dem stimmen aktuell 49 Prozent der Befragten zu. 2019 waren es allerdings noch 64 Prozent. Die Überzeugung, dass in der Wissenschaft häufig Fehler gemacht werden, erschüttert das Vertrauen von 16 Prozent; 2019 waren es aber noch 20 Prozent.

Andererseits ist der am häufigsten genannte Grund, der Wissenschaft zu vertrauen, die Überzeugung, dass Forschende nach Regeln und Standards arbeiten, davon sind 30 Prozent voll und ganz und 32 Prozent eher überzeugt. 2019 lagen die Zustimmungswerte bei 18 beziehungsweise 34 Prozent.

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Warum das zu Beginn der Coronakrise zunächst gestiegene Vertrauen schnell erodierte, erklärt vielleicht dieses Umfrageergebnis: Rund 40 Prozent der Befragten gehen davon aus, dass Wissenschaftler der Öffentlichkeit nicht alles sagen, was sie über das Coronavirus wissen. Und 15 Prozent sind der Auffassung, dass es keine eindeutigen Beweise für die Existenz des Virus gibt.

"Politik soll der Wissenschaft folgen"

Vergleichsweise stabil ist indes die Auffassung, dass politische Entscheidungen im Umgang mit Corona auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen sollten. Dem stimmen aktuell 49 Prozent voll und ganz zu (und weitere 28 Prozent eher). Im Mai und im April waren davon jeweils 51 Prozent voll überzeugt. Und dass Kontroversen zwischen Wissenschaftlern zu Corona hilfreich seien, damit sich die richtigen Forschungsergebnisse durchsetzen, bestätigten im Frühjahr wie im Herbst zwei Drittel.

Das seit Mai wieder sinkende Vertrauen erklärt Rainer Bromme, Professor für pädagogische Psychologie an der Universität Münster und Beiratsmitglied bei Wissenschaft im Dialog, auf Nachfrage mit der "Konfusion in Bezug auf Corona-Maßnahmen und politische Konsequenzen. "In dem Maße, in dem Konsequenzen, die aus wissenschaftlichen Erkenntnissen gezogen werden, konsistent sind oder nicht, werden daraus offenbar Rückschlüsse gezogen."

Eine genauere Analyse der in der Umfrage gewonnenen Daten stehe aber noch aus. Dass sich Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen zuweilen selbst oder untereinander widersprechen, wenn es um die angemessenen Eindämmungsmaßnahmen geht, könne jedenfalls nicht der Grund für zurückgehendes Vertrauen sein. Denn der Umfrage zufolge werde genau dies ja mehrheitlich positiv gesehen.

"Wissenschaftler sollen sich nicht in Politik einmischen"

"Bemerkenswert" findet es Bromme, "wie klar eine große Mehrheit der Befragten erwartet, dass die Politik ihre Entscheidungen unter Berücksichtigung wissenschaftlicher Erkenntnisse fällen sollte." Das heiße aber nicht, dass sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler selbst in die Politik einmischen sollten, was 42 Prozent ablehnen.

Den neuen Impfstoffen, die ab Ende dieses oder Anfang kommenden Jahres zur Verfügung stehen, vertraut die Mehrheit: 55 Prozent der Befragten erklärten im November, dass sie sich wahrscheinlich impfen lassen. Knapp 30 Prozent sagen, das sei unwahrscheinlich.

Was kann die Wissenschaft tun, um die Impfbereitschaft zu erhöhen? Wer der Wissenschaft allgemein vertraue, zeige auch eine höhere Impfbereitschaft, sagt Rainer Bromme. Allerdings sei dieser Zusammenhang aufgrund vieler Einflussfaktoren nicht sehr stark. Das Vertrauen in die Corona-Impfung könne vor allem durch eine "klare Risikokommunikation" gestärkt werden - und das geschehe bereits.

"Was sind die Nutzen, was sind die Risiken - auch im Vergleich zu anderen Impfungen - und was geschieht, um die Risiken überschaubar zu machen: Diese Diskussion müssen wir intensiv führen."

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