zum Hauptinhalt
Schulkinder verschiedener Herkunft sitzen bei einem Gruppenspiel im Kreis.

© Sven Hoppe/dpa

Programm BiSS wird fortgesetzt: Sprachbildung für 2700 Schulen bundesweit

Gut Deutsch lesen, schreiben und sprechen zu können, ist der Schlüssel nicht nur zum Schulerfolg. Ein Bund-Länder-Programm soll jetzt mehr Schulen erreichen.

Was hilft gegen die Bildungsarmut in Deutschland? Als unlängst das 125-Millionen-Euro-Programm "Schule macht stark" vorgestellt wurde, schien es, als seien Bildungspolitiker und Bildungsforschung ratlos. Wie Schüler aus sozial benachteiligten Familien ihren Lernrückstand aufholen können, dafür habe man noch "keine Rezepte gefunden", sagte Hamburgs Bildungssenator Ties Rabe (SPD). Bislang fehlten Hinweise, "was wirklich wirkt".

Was Rabe und auch KMK-Präsident Alexander Lorz (CDU), der es als härteste Nuss des Bildungssystems bezeichnete, den Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und dem Bildungserfolg aufzubrechen, schon Ende Oktober hätten wissen müssen: Für die Sprachbildung stimmt es nicht, dass Instrumente für den Umgang mit unterschiedlichen Lernvoraussetzungen in heterogenen Gruppen fehlen. Das zeigte sich jetzt bei der Bilanztagung der 2013 gestarteten Bund-Länder-Initiative "Bildung durch Sprache und Schrift (BiSS)" in Berlin.

An 600 Modellkitas und -schulen bundesweit werden seit 2013/14 Maßnahmen zur Sprachdiagnostik, Sprachförderung und Leseförderung von Kita- und Schulleitungen, Erzieherinnen und Lehrkräften entwickelt und umgesetzt. Begleitet wurden sie dabei mehr oder weniger eng von Bildungsforschenden. Das gelang offenbar so gut, dass die Ergebnisse nun auf 2700 Grundschulen und Schulen in der Sekundarstufe I übertragen werden sollen.

"BiSS-Transfer", wie das Anschlussprogramm heißt, wird vom Bundesbildungsministerium von 2020 bis 2025 mit rund 13 Millionen Euro gefördert, gaben das BMBF und die Kultusministerkonferenz am Freitag bekannt. Mit vielen Konzepten, Toolboxen und Handreichungen für die Lehrkräfte lägen genügend "beeindruckende Ergebnisse" vor, um das Projekt jetzt "flächendeckend auszurollen", sagte KMK-Präsident Lorz bei der BiSS-Tagung im Café Moskau.

Ein Instrumentenkasten mit 100 Tipps

Konkret geht es bei den BiSS-Projekten darum, Kindern schon in der Kita Deutsch als Bildungssprache nahezubringen, Erfolge und Defizite möglichst an die Grundschulen zu kommunizieren - und die Sprachförderung dann systematisch bis zum Schulabschluss fortzusetzen. In 15 Studien wurden Instrumente und Materialien erprobt, evaluiert und weiterentwickelt, teilt die KMK mit. Die über 600 Kitas und Schulen haben in 100 Verbünden an der Verbesserung ihrer Konzepte gearbeitet - und tauschen sich in diesem Netzwerk weiterhin aus. Erzieher, Erzieherinnen und Lehrkräfte erhalten durch BiSS unter anderem Onlinefortbildungen und können sich in einer Datenbank mit mittlerweile gut 100 Diagnostik- und Förderinstrumenten bedienen.

Ein naheliegendes Ergebnis der Studien, das Lehrkräfte nun bundesweit anwenden können: Trainings zur Lese- und Schreibflüssigkeit wirken sich positiv auf die Lese- und Schreibleistungen der Kinder und Jugendlichen aus. Doch ist es damit getan, dass Lehrerinnen und Lehrer nun einfach in die Toolbox mit den erfolgreichen Beispielen schauen und sie für ihren Unterricht übernehmen?

"Da brauchen wir jetzt den Praxistransfer", sagt die Berliner Bildungsforscherin Petra Stanat, die maßgeblich an der wissenschaftlichen Begleitung beteiligt ist. In den Kollegien der Schulen gelte es zu vermitteln, dass es sich bei der Lese- und Schreibförderung nicht um Zusatzinstrumente handelt, sondern dass sie zum täglichen Unterricht gehören.

Sprachförderung bei Mehrsprachigkeit überfordert Lehrkräfte

Nachholbedarf sieht Stanat zudem bei der Sprachförderung. So müsse es heute bei mehrsprachigen Kindern selbstverständlich sein, ihre ersten Sprachen, die sie von zu Hause mitbringen, wertzuschätzen - und in Kita oder Schule nicht zu verbieten. Sie aber in den Unterricht einzubauen, überfordere die meisten Lehrkräfte bislang. Ebenso wie es die Schulen insgesamt überfordere, für ihre vielfältige Schülerschaft ein praktikables Sprachentwicklungskonzept zu entwickeln.

Die Bildungsforscherin rät dazu, solche Aufgaben - die Schulen oft genug von der Bildungspolitik gestellt werden - Schritt für Schritt anzugehen. Anfangen könne man damit, "sprachförderliche Anregungen" zu bieten. Vorbildlich sei etwa das Kita-Projekt „Mit Kindern im Gespräch“ der Universität Koblenz-Landau, das jetzt in Rheinland-Pfalz zur flächendeckenden Förderstrategie werde, sagte Stanat auf Nachfrage.

Es gibt also auch bei der Sprachbildung noch viel zu tun. KMK-Präsident Lorz fasste das Ziel so zusammen: "Egal wie groß die sprachliche Vielfalt ist, wir haben für alle das passende Instrument." Es sei aber noch ein weiter Weg, "bis wir da einen Haken dran machen können".

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false