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So könnte eine Jagdszene ausgesehen haben, bei der ein Tier der Art Tanystropheus hydroides erbeutet wurde.

© Roc Olivé (Institut Català de Paleontologia Miquel Crusafont) FECYT

Saurier mit Giraffenhals: Meeresreptil ging es an die Gurgel

Rund zehn Millionen Jahre jagte eine Gruppe langhalsiger Reptilien im Meer. Was beim Beuteerwerb von Vorteil war, war aber auch ein Angriffspunkt für größere Räuber.

Von Walter Willems, dpa

Vor mehr als 200 Millionen Jahren lebende Meeresreptilien der Gruppe Tanystropheus hatten extrem verlängerte Hälse. Sie halfen den Tieren bei der Beutesuche. Andererseits vermuten Fachleute schon lange, dass der lange, grazile Hals Fressfeinden ein perfektes Angriffsziel bot. Nun stellen Stuttgarter Forscher im Fachblatt „Current Biology“ zwei Funde vor, die dies erstmals eindeutig belegen. Die Analyse zeigt, dass die beiden Urzeitreptilien am Hals enthauptet wurden.

Stephan Spiekman und Eudald Mujal vom Staatlichen Museum für Naturkunde stellen in dem Artikel zwei Individuen verschiedener Tanystropheus-Arten vor: der bis zu sechs Meter großen Art T. hydroides und der etwa 1,5 Meter langen Art T. longobardicus. Trotz des Größenunterschieds hatten beide Arten, die wohl überwiegend im Wasser lebten, 13 extrem verlängerte Halswirbel.

Fossilien mit Bissspuren

Bei den Fossilien der Tiere, die aus dem Paläontologischen Museum der Universität Zürich stammen, enden die extrem gut konservierten Hälse abrupt. „Nur Hals und Kopf sind erhalten“, wird Mujal in einer Mitteilung der Zeitschrift zitiert. „Es gibt keinerlei Spur vom Rest der Tiere.“ Dass die Hälse plötzlich enden, spreche dafür, dass die Tiere „bei einem extrem gewalttätigen Ereignis“ von einem anderen Tier verletzt wurden. „Das beweisen auch die Zahnmarken.»

Bei dem größeren T. hydroides fand das Team Spuren von zwei Bissen am zehnten Wirbel. Beim zweiten Zuschnappen riss der Angreifer den Hals ruckartig nach hinten – ähnlich wie manche heutige Reptilien. Der Angriff erfolgte demnach von oben oder von hinten. Auch der kleinere T. longobardicus wurde mindestens zweimal gebissen. Die tödliche Attacke erfolgte bei ihm am siebten Wirbel.

Gerade der Halsbereich des siebten bis zehnten Wirbel sei die verwundbarste Stelle dieser Reptilien, schreiben die Autoren. „Diese Region bot Räubern wahrscheinlich ein optimales Ziel, denn sie ist weit weg vom Kopf und noch vor dem dickeren und muskulöseren Nacken“, heißt es.

Erfolgsmodell trotz Schwachstelle

Der gute Zustand von Hals und Kopf zeigt demnach, dass die Angreifer in beiden Fällen diese Körperteile verschmähten und sich wohl an den fleischigeren Rumpf ihrer Beute hielten. Bei dem größeren Opfer lässt die Bissstelle mit 1,5 Zentimeter Abstand zwischen den Zähnen sogar Rückschlüsse auf den möglichen Angreifer zu: Dabei könne es sich um die Raubechse Nothosaurus giganteus handeln, um den Fischsaurier Cymbospondylus buchseri oder um den kleineren Helveticosaurus zollingeri. In all diesen Fällen hätte der Angriff im Wasser stattgefunden.

Um sich vor solchen Angreifern zu schützen, so das Autorenduo, habe sich Tanystropheus wohl in flachen Gewässern mit schlechter Sicht am Grund aufgehalten und dort auf Beute gelauert. Je nach Größe waren dies Krabben, Tintenfische und Fische. Vertreter dieser Gruppe hätten mindestens zehn Millionen Jahre lang gelebt und seien somit recht erfolgreich gewesen, trotz ihrer Verwundbarkeit. Generell müssen lange Hälse Vorteile geboten haben, denn sie treten bei Meeresreptilien über einen Zeitraum von 175 Millionen Jahren auf.

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