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Flache Bergwerksteiche überschwemmen ein ehemaliges Flusssystem in der Region La Pampa in Madre de Dios, Peru. Die Farben der Teiche spiegeln Schwebstoffe und Algenwachstum nach der Einstellung des Goldabbaus wider.

© Jason Houston (iLCP Redsecker Response Fund/CEES/CINCIA)

Quecksilber und Zyanid: Wie Flussbergbau tropische Ströme verändert

Es geht um Gold, Diamanten und Mineralien für die Energiewende: In den Tropen nimmt der Bergbau an Flüssen stark zu. Eine globale Bestandsaufnahme zeigt die Folgen für die Umwelt.

Von Walter Willems, dpa

Der Bergbau an Flüssen beeinträchtigt die Wasserqualität dieser Gewässer in nahezu allen tropischen Ländern – und das mit zunehmendem Tempo. Das berichtet ein internationales Forschungsteam nach der ersten globalen Bestandsaufnahme zum Thema im Fachjournal „Nature“. Dabei geht es nicht nur um beim Bergbau genutzte giftige Stoffe wie Quecksilber und Zyanid, sondern auch um eine deutlich steigende Fracht von Sand, Lehm oder Schlamm, die die Wasserqualität beeinträchtigt und Flussbewohner schädigen kann.

„Bergbau in den Tropen gab es seit Jahrhunderten, vielleicht sogar Jahrtausenden, aber noch nie in einem Ausmaß wie in den letzten beiden Jahrzehnten“, wird Erstautor Evan Dethier vom Dartmouth College in Hanover im US-Bundesstaat New Hampshire in einer Mitteilung der Universität zitiert. „Die Schädigung der Flüsse durch Bergbau quer durch die Tropen ist eine globale Krise.“

Fast jedes Bergbaugebiet beeinflusst die Flüsse

Für die Studie sichtete das Team die Fachliteratur und wertete Satellitenbilder und Messergebnisse aus. Dabei untersuchten die Forschenden 396 Gebiete in 49 tropischen Ländern, in denen Mineralien entweder in Flüssen oder im angrenzenden Schwemmland abgebaut wurden. 60 Prozent der Projekte entstanden demnach erst nach dem Jahr 2000 und fast die Hälfte (46 Prozent) nach 2006.

Die Folgen des Bergbaus untersuchten die Forscher für 173 tropische Flüsse. Bei 80 Prozent hatte sich die Sedimentfracht demnach mindestens verdoppelt. Fast jedes Bergbaugebiet verursache eine solche Sedimentfracht, die bis zu 1200 Kilometer stromabwärts reichen könne, im Mittel 150 bis 200 Kilometer, sagt Dethier.

Dort, wo einst ein Bach durch den Regenwald in der Region La Pampa in der peruanischen Region Madre de Dios floss, dominieren flache Bergwerksteiche die Landschaft. Die degradierten Bäche führen nun Ablagerungen aus diesen Bergbauteichen flussabwärts.

© Jason Houston (iLCP Redsecker Response Fund/CEES/CINCIA)

In den 30 tropischen Ländern mit solchem Bergbau an großen Flüssen ab 50 Metern Breite waren diese im Mittel auf knapp einem Viertel (23 Prozent) ihrer Länge beeinflusst. In Elfenbeinküste und Senegal lag der Wert bei jeweils 40 Prozent, in Guyana bei 48 Prozent und in Französisch-Guyana sogar bei 57 Prozent. „Viele dieser tropischen Flüsse sind Orte mit hoher Artenvielfalt und derzeit noch wenig erforscht“, sagte Studienleiter David Lutz. „Viele Arten könnten möglicherweise aussterben, bevor wir überhaupt wissen, dass sie überhaupt existiert haben.“

Die Steigerung der Sedimentkonzentrationen kann viele negative Folgen haben, vor allem für Wasserbewohner.

Bryony Walmsley, Leiterin des Südafrikanischen Instituts für Umweltverträglichkeitsprüfungen

Überwiegend werde Gold an und in den Flüssen abgebaut, aber insbesondere in Afrika würden auch Diamanten gesucht, schreibt die Gruppe, etwa in Angola, Kamerun und Kongo. Gerade im Kongo geraten demnach zunehmend Mineralien in den Fokus, die für Elektrogeräte wie Handys oder Batterien von Elektrofahrzeugen wichtig sind, etwa Kobalt, Coltan, Wolfram und Tantalit. „Diese Mineralien werden immer gefragter, wenn wir von fossilen Brennstoffen zu sauberer Energie übergehen“, sagte Dethier.

Ergebnisse der Studie sind „ein Schock“

In einem „Nature“-Kommentar schreibt die Umweltberaterin Bryony Walmsley aus Kapstadt, die Studie sei ein Schock – angesichts der vielen weiteren Bedrohungen, denen Flüsse in den Tropen ausgesetzt seien. „Der Transport von Sedimenten durch Flüsse ist ein natürlicher Prozess, der für die Gestalt und das Funktionieren von Flüssen entscheidend ist – insbesondere an den Mündungen und Deltas“, betont die Leiterin des Südafrikanischen Instituts für Umweltverträglichkeitsprüfungen (SAIEA). „Doch die Steigerung der Sedimentkonzentrationen auf ein Vielfaches der natürlichen Werte kann viele negative Folgen haben, vor allem für Wasserbewohner. Die verminderte Klarheit des Wassers begrenzt den Lichteinfall, und erhöhte Sedimentfrachten können Fischkiemen verstopfen und Lebensräume verändern.“

Hinzu komme die Nutzung giftiger Stoffe wie Quecksilber und Zyanid, die sich an die feinen Partikel anheften und die Gesundheit der stromabwärts lebenden Menschen gefährden könnten. „Die Autoren leisten einen entscheidenden Beitrag zu unserem Verständnis der Folgen des Flussbergbaus, indem sie das Ausmaß und die Folgen des Problems quantifizieren.“

Gerade die Energiewende habe in den letzten beiden Jahrzehnten zu einer verstärkten Suche nach Mineralien geführt. „Leider findet der meiste Bergbau in tropischen Flüssen in Ländern mit begrenzter Kontrolle der Umwelt- und Sozialgesetze statt und schreitet unbehindert von solchen Anforderungen fort.“

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