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Die Ganztagsschule biete die Chance, gerade auch Mädchen durch zielgerichtete Angebote frühzeitig für die MINT-Disziplinen zu begeistern. 

© Michael Gottschalk/imago/photothek

Qualitative Aufwertung für Ganztagsschule gefordert: Chance für Bildungsgerechtigkeit

Nationales MINT Forum sieht großes Potenzial in der Verzahnung von Pflichtunterricht und Ganztagsangeboten. Doch dafür sei das Personal entscheidend.

Der Rechtsanspruch auf einen Ganztagsschulplatz für jedes Grundschulkind ab 2026 biete die Chance, den Ganztag als qualitativ hochwertigen Bildungsort zu entwickeln. So lautet eine der zentralen Erkenntnisse eines Positionspapiers, das die Impulsgruppe „MINT-Bildung im Ganztag“ des Nationalen MINT Forums am Montag in Berlin vorgestellt hat. Der Begriff MINT umschreibt Bildung in den Fächern Mathe, Informatik, Naturwissenschaft.

„Dieses Potential sollte die Politik nutzen, besonders im Hinblick auf die Realisierung von mehr Chancengerechtigkeit und Teilhabe im Bildungssystem“, sagte Michael Fritz, Vorstandsvorsitzender Stiftung Haus der kleinen Forscher und Initiator der Impulsgruppe. Außerschulische MINT-Akteure könnten hierzu einen erheblichen Beitrag leisten.

Den ganzen Grundschultag als Bildungsort ausbauen

In dem Positionspapier werden die Faktoren für das Gelingen des Vorhabens und Impulse benannt, die für eine erfolgreiche Gestaltung eines Ganztagsangebotes notwendig sind. „Der zukünftige Rechtsanspruch bietet Anlass und Chance, den ganzen Grundschultag entlang eines erweiterten Bildungsverständnisses als Bildungsort auszubauen, in dem der Pflichtunterricht und das freiwillige Ganztagsangebot komplementär miteinander verzahnt und qualitativ weiterentwickelt werden“, so Michael Fritz. Das müsse auf auf Augenhöhe gedacht und geplant werden, ohne die Bereiche gegeneinander auszuspielen. 

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Besonders im Hinblick auf die Realisierung von mehr Teilhabe und Chancengerechtigkeit im Bildungssystem sei eine solche Verzahnung dringend geboten. Für ein verzahntes Bildungsangebot sei jedoch das Personal entscheidend: „Es braucht hier ein klares Konzept, das deutlich über die bisherige Verteilung der Zuständigkeiten hinausgehen muss: Abstimmung, Verzahnung, Aufbau von Zuständigkeiten und Kompetenzen, die dazu befähigen, mehr als Betreuung und Hausaufgabenhilfe anzubieten“, sagte Fritz.

Das MINT Forum fordert daher auch eine stärkere konzeptionelle Unterfütterung der geplanten Ganztagsbetreuung an Grundschulen. Der Ganztag müsse noch stärker als Bildungsort betrachtet werden: „Als komplementäre Trias zwischen Bildung, Erziehung und Betreuung entwickeln und festigen“, so die Impulsgruppe.

Dazu müsse der Begriff „Bildung“ mehr umfassen als nur schulische Inhalte und Ziele. Die Verortung des Ganztags in der Kinder- und Jugendhilfe mit ihrem erweiterten Bildungsbegriff könne „eine Chance für die Komplementarität beider Subsysteme – Ganztag und Unterricht – sein“.

Beitrag zur Chancengerechtigkeit

Die Ganztagsschule sollte demnach als ein Bildungsort verstanden werden, der zu mehr Teilhabe und Chancengerechtigkeit beitragen könne. „Ganztag bietet besonders in den Nachmittagsstunden die Möglichkeit, speziell für Kinder und Jugendliche mit herkunftsbedingten Nachteilen mehr Teilhabe herzustellen“, so die Erklärung dazu in dem Positionspapier.  

Die MINT-Bildung habe hier ein besonderes Potenzial, da gerade die MINT-Disziplinen weniger stark „sprachlich codiert“ sind als beispielsweise geisteswissenschaftliche Bereiche. Gleichzeitig fördere die sprachliche Auseinandersetzung mit den echten Herausforderungen im Umgang mit Natur und Technik implizit auch die sprachliche Entwicklung. „MINT-Bildung fördert früh Erfolgserlebnisse, die sich auf den gesamten späteren Bildungsweg auswirken können“, heißt es in dem Positionspapier. 

Bildungsforscherin  Kristina Reiss ist Mitglied der Impulsgruppe des MINT Forums.
Bildungsforscherin  Kristina Reiss ist Mitglied der Impulsgruppe des MINT Forums.

© TUM

Neben der Chancengerechtigkeit biete sich auch die Chance, gerade Mädchen durch zielgerichtete Angebote frühzeitig für die MINT-Disziplinen zu begeistern. „Und damit die Weichen zu stellen für gleiche Chancen am Arbeitsmarkt, unabhängig vom Geschlecht und frei von Klischees“, so die Impulsgruppe. In den MINT-Disziplinen sind Frauen an den Hochschulen unterrepräsentiert. 

„Im Ganztag liegt das große Potential, mehr Kindern besonders aus bildungsfernen Familien frühe Teilhabe an vielfältigen Bildungsangeboten zu ermöglichen - und ihnen damit einen deutlich besseren Start zu verschaffen“, betonte die Bildungsforscherin Kristina Reiss von der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (acatech) und Mitglied der Impulsgruppe. In der MINT-Bildung liege dabei eine besondere Chance, da sie sprachlich leichter zugänglich sind. „Gleichzeitig fördert die sprachliche Auseinandersetzung mit den echten Herausforderungen im Umgang mit Natur und Technik implizit die sprachliche Entwicklung“, so Reiss, die bis 2021 Vorstandsvorsitzende des Zentrums für internationale Bildungsvergleichsstudien (ZIB) war, das die Pisa-Studien in Deutschland durchführt.

Ganztagsangebot gemeinsam mit außerschulischen Anbietern gestalten

Die Impulsgruppe betont vor allem auch die Rolle von Außerschulische MINT-Akteuren. Dafür wäre es wichtig, wenn die koordinierenden Stellen des Ganztagsangebotes in den Schulen systematisch über regionale und lokale Angeboten und Partner informiert würden. Ziel sollte es dabei sein, dass der Bildungsort Ganztag gemeinsam mit den außerschulischen MINT-Anbietern gestaltet wird. 

„Wir sind froh, dass die Politik den Ganztag qualitativ weiterentwickeln will und dies auch im aktuellen Koalitionsvertrag Niederschlag findet“, so die Sprecher des Nationalen MINT Forums. „Außerschulische MINT-Akteure und Initiativen sind hier ein echtes Pfund: Deutschland hat eine große und vielfältige Landschaft an außerschulischen MINT-Bildungsangeboten, darauf können wir stolz sein.“ Die Bildungs- und Wissenschaftspolitik sollte dieses Potential für die erfolgreiche Gestaltung des Bildungsorts Ganztag nutzen. Dafür stehe das MINT Forum beratend zur Verfügung.

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