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Vor allem Agrarchemikalien können in Kombination eine größere Wirkung auf das Bienensterben haben als in der Summe ihrer jeweiligen Einzelwirkungen.

© Wolfgang Kumm/dpa

Pestizide, Parasiten, Pollen-Monotonie: Bienen leiden unter Mix aus Chemikalien und anderen Faktoren

Bienen und andere Betäuber haben nicht nur mit Agrarchemikalien, sondern auch Schädlingen und Ernährungsstress zu kämpfen

In der Landwirtschaft genutzte Chemikalien, Parasiten, Nahrungsmangel – Bienen und anderen Bestäubern schadende Einflüsse gibt es viele. Oft konzentrieren sich Studien auf einzelne davon. Im Zusammenspiel könne die Wirkung einzelner Faktoren sich aber gerade bei Agrarchemikalien potenzieren, warnen Forschende im Fachjournal „Nature“.

Dieser Verstärkereffekt werde bisher unterschätzt und zu wenig beachtet. Die derzeitigen Regulierungsmaßnahmen könnten Bestäuber nicht ausreichend vor solchen Wechselwirkungen schützen. Ein Paradigmenwechsel hin zu verpflichtenden, großangelegten Beobachtungsstudien nach einer Zulassung sei nötig. Die intensive Landwirtschaft gehe mit einer Vereinheitlichung der Landschaft und dem Verlust von Lebensräumen einher, erläutert das Team um Harry Siviter und Emily Bailes von der Royal Holloway University of London in Egham. Zudem sei sie in hohem Maße auf Agrarchemikalien wie Pestizide, Insektizide, Herbizide und Fungizide angewiesen, um Schädlinge zu bekämpfen und Erträge zu steigern.

90 Analysen und 365 Wechselwirkungen untersucht

Für eine Vielzahl von Ökosystemen mit etlichen Pflanzen- und Tierarten, darunter für die Bestäubung von Nutzpflanzen wichtige Insekten, hat das gravierende Nachteile. Sie seien zeitweise oder stetig verschiedenen Chemikalien ausgesetzt, aus dem Fehlen von Pollen und Nektar liefernden Wildblumen in großflächigen Monokulturen resultiere Nahrungsmangel. Der Einsatz und Transport kommerziell gezüchteter Bestäuber wie Honigbienen in hohen Dichten und über große Entfernungen erhöhe den Druck auf Bestäuber durch Vorteile für Parasiten und Erreger noch, so die Wissenschaftler.

Das Team um Siviter und Bailes wertete in einer Metaanalyse nun die Ergebnisse von 90 Analysen aus, die die Auswirkungen von 356 Wechselwirkungen zwischen Agrarchemikalien, Parasiten und/oder Ernährungsstressoren auf die Gesundheit von Bestäubern – meist Honigbienen – verglichen.

Bestimmte Faktoren haben demnach in Kombination eine größere Wirkung auf das Bienensterben als in der Summe ihrer jeweiligen Einzelwirkungen. Besonders galt das für Chemikalien wie Azolfungizide und Pyrethroide. Bei Parasitenbefall und Unterernährung war die kumulative Wirkung hingegen häufig nicht größer als die summierten Einzelwirkungen.

Chemikaliencocktail ist ein Risiko für Bienenpopulationen

Da zur Risikobewertung von Agrarchemikalien häufig nur die Summer der Einzelwirkungen und nicht die Wirkung in Kombination berücksichtigt werde, könnten die interaktiven Effekte anthropogener Quellen auf das Bienensterben deutlich unterschätzt werden, warnen die Forschenden im Fachblattt „Nature". Zwar sei es kaum möglich, alle Kombinationen der vielen Chemikalien durchzutesten. Es könnten aber häufig verwendete Mischungen erprobt werden, wie sie sich auf Bestäuber und andere Tiere auswirken.

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Die vorgestellte Analyse sei bemerkenswert, weil sie eine Vielzahl von Bienenreaktionen wie Futtersuche, Gedächtnis, Sterblichkeit und Fortpflanzung berücksichtige, schreibt Adam Vanbergen vom National Research Institute for Agriculture, Food and Environment (INRAE) in Dijon (Frankreich) in einem Kommentar zu der Studie in „Nature“. Die Ergebnisse bestätigten, dass der Cocktail aus Agrarchemikalien ein Risiko für Bienenpopulationen darstellen könne, die hohe Variabilität zwischen den untersuchten Studien und Parametern erfordere aber eine vorsichtige Interpretation.

Weitere Analysen seien nötig – auch dazu, über welche Mechanismen die beobachteten synergistischen Effekte von Agrarchemikalien auf das Bienensterben zustande kommen. Zudem müssten Forschung und Regulierungsbehörden ihren Fokus vom Nutztier Honigbiene auf andere Bestäuberarten ausweiten. (dpa)

Annett Stein

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