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In Coronazeiten wird wieder mehr in Plastik verpackt.

© freepik/teksomolika

Weniger Abfall im Alltag: Obst und Gemüse von der Zange

Verpackungsmüll vermeiden statt recyceln – auch in Zeiten von Corona.

Die Zahlen steigen unaufhaltsam an, obwohl die Problemlage von Coffee-to-go- Bechern, Pizzakartons und Plastikmüll im Meer den Menschen immer stärker bewusst wird. 18,9 Millionen Tonnen Verpackungsmüll fielen 2018 in Deutschland an, verkündete das Umweltbundesamt Ende Oktober 2020.

Die Corona-Pandemie könnte die „Verpackungsmoral“ nun weiter verschlechtern: Während sich das öffentliche Leben infolge von Lockdown und Pandemie-Vorsichtsmaßnahmen mehr ins Private verlagert hat, kämpft die Stadtreinigung mit Bergen an Pizzaschachteln, Dönerboxen und Einweg-Kaffeebechern. Mehrweg- Systeme wie der eigene Becher für unterwegs und der Verkauf von unverpacktem Obst und Gemüse werden aus Hygienegründen eingeschränkt. Führt die Corona-Krise zu einem Rückschritt in Sachen Verpackungsvermeidung?

Credo: Precycling ist besser als Recycling

Dieser und anderen Fragen geht die interdisziplinäre Nachwuchsgruppe „PuR – Mit Precycling zu mehr Ressourceneffizienz” nach, ein Kooperationsprojekt zwischen der TU Berlin und dem Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie. Es wird vom Bundesforschungsministerium mit 2,5 Millionen Euro über fünf Jahre gefördert. „Precycling ist besser als Recycling“ ist das Credo der Nachwuchsgruppe, die von Dr. Elisabeth Süßbauer geleitet wird. „Einwegverpackungen sind ein fester Bestandteil von Produktion und Konsum geworden“, erklärt die Umwelt- und Organisationssoziologin. „Wir müssen daher Verpackungen als komplexe Systeme begreifen und das Precycling, also das Vermeiden von Abfällen, besser integrieren.“ Im Mai 2020 untersuchte die Gruppe in einer Studie mit 26 Berliner*innen, wie die Corona-Pandemie deren Alltagshandeln verändert. Eine Woche lang wurden Einkaufs- und Ernährungsgewohnheiten notiert sowie Verpackungsmüll fotografiert, die Proband*innen anschließend befragt.

Mehr Lust auf eigenes Gemüse

„Die Studie zeigt einerseits, dass beispielsweise die Lust am Gemüse- oder Kräuteranbau im eigenen Kleingarten oder auf dem Balkon während des Lockdowns gestiegen ist, was zu einem bewussteren Umgang mit frischen Lebensmitteln führen könnte. Und auch der Einkauf in der näheren Umgebung des Wohnorts scheint ein besseres ‚Behältermanagement‘ zu fördern, also das Mitbringen von eigenen Behältern und Beuteln“, zählt Elisabeth Süßbauer auf. „Doch andererseits lehnten Kunden aus Angst vor Ansteckung den Kauf unverpackter Lebensmittel ab, und eigene Mehrwegbehälter konnten aus Hygienegründen gar nicht mitgebracht werden. Viele Gastronomien mussten auf Essen zum Mitnehmen umstellen, das in der Regel in Einwegplastik verpackt ist.“ Die Forschungsgruppe schlägt Handlungsstrategien vor und testet sie praktisch mit dem Lebensmitteleinzelhandel, mit einem Lieferdienst und einem Logistikunternehmen: Gastronomien sollten unter anderem eigene Mehrwegbehälter bereitstellen, oder Supermarktketten Zangen und Handschuhe auch für Obst und Gemüse, ähnlich wie bei Backwaren.

Corona hat Müll nur verlagert

Doch ganz wird das Rad mit großer Wahrscheinlichkeit nicht zurückgedreht, davon gehen auch die Doktorandinnen Klara Wenzel und Anne Müller aus, die maßgeblich an der Studie beteiligt waren: „Die vielen Abfälle des Unterwegs-Verzehrs werden in der Regel nicht im eigenen Haushalt entsorgt und sind dadurch quasi unsichtbar. Das häufigere Kochen und Essen zuhause hat sie nun sichtbarer gemacht.” Ob die erhöhte Sichtbarkeit der Abfälle hilft, Verpackungsabfälle zu vermeiden und in welchem Umfang, wird die Nachwuchsgruppe PuR in weiteren Forschungen untersuchen.

„Aus Schrott macht Rad“: Zur Europäischen Woche der Abfallvermeidung und noch das ganze Semester zeigen TU-Studierende und -Beschäftigte unter anderem, wie man ein Schrottfahrrad wieder zum fahrbaren Untersatz macht.

Das Video ist hier online abrufbar: www.tu.berlin/go11907

Patricia Pätzold

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