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Meeresströmungen im Nordatlantik zählen zu den komplexen Mustern, deren Entwicklung von Klimamodellen prognostiziert werden sollen.

© AFP

Nobelpreis für Physik: Wissenschaftliche Pionierarbeit

Giorgio Parisi und Syukuro Manabe wurden ausgezeichnet, weil sie essentielle Grundlagen für Klimamodelle geschaffen haben.

Die Schwedische Akademie der Wissenschaften in Stockholm erreichte Giorgio Parisi am Dienstag während der Preisverkündung am Telefon. Er habe nicht mit dem Nobelpreis gerechnet sagte er. Aber er habe den Telefonhörer in die Nähe gelegt, weil er sich doch der Möglichkeit bewusst gewesen sei, dass er auserwählt werden könnte.

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Seine in Berlin lebende ehemalige Schwägerin sagte dem Tagesspiegel, Parisi sei ein sehr geselliger Mensch, immer bemüht, sein komplexes Forschungsfeld seinen Mitmenschen zu erklären, wenn auch nicht immer mit Erfolg. Sie beschreibt ihn als sehr engagierten Menschen, der sich an seiner Uni La Sapienza in Rom gegen den Mangel an Forschungsgeld positionierte und zudem anmahnte, dass die Naturwissenschaften an den Schulen Italiens eine größere Rolle spielen müssten.

Giorgio Parisi.
Giorgio Parisi.

© AFP

Auch die Covid-Pandemie sah Parisi in erster Linie als ein gesellschaftliche Herausforderung, bei der die Wissenschaft sich mehr Vertrauen schaffen müsse. Gleich mit Beginn der Pandemie widmete er sich dem Erklären der Zahlen. Doch mit der Kommunikation der Wissenschaft war er nicht zufrieden. 

Die Rolle der Wissenschaft betonen

„Die Impfgegner zeigen uns, dass es uns nicht gelungen ist, allen zu erklären, wie wissenschaftliche Methoden funktionieren“, sagt er etwas resigniert in einem Interview mit „La repubblica“. 

Um im nächsten Satz die Rolle der Wissenschaft hervorzuheben. „Es gibt keinen Forscher, der die Wahrheit in Besitz hat oder Forschung, die etwas endgültig beweist. Es gibt einen Konsens, der sich schrittweise entwickelt, entlang immer neuer Beweise und mit einem selbstregulierenden Mechanismus, der Fehler korrigiert.“ Diese Botschaft sei in der Pandemie nicht immer durchgedrungen.

Giorgio Parisi setzt sich für die Popularisierung von Wissenschaft in Italien ein. „Naturwissenschaft wird nicht mehr als Weg gesehen, um die Zukunft zu verbessern. Sie verliert an Wert“, sagte er in dem Interview. 

Die Menschen würden dicht an dicht mit extrem hochentwickelten Technologien leben, deren wissenschaftliche Grundlagen aber oft nicht verstanden würden. „Es scheint fast, als ob die Dinge durch Hexerei funktionierten. Wir sollten die Grundlagen bereits vom Kindergarten an lehren.“

Der Teamplayer liebt griechische Tänze

Der 73-jährige Physiker, der Präsident der Accademia dei Lincei war, sei ein Teamplayer, kein abgehobener Mensch, so seine Berliner Verwandte. Auch wenn seine Arbeit zur Theorie von ungeordneten Materialien und zufälligen Prozessen, für die er nun ausgezeichnet wurde, nur die wenigsten seiner Mitmenschen verstehen dürften, isoliere er sich nie. Und er liebe griechische Tänze.

Parisi ist ein Stadtmensch, der gebürtige Römer lebt in der Innenstadt der italienischen Hauptstadt. Hierher kehrte er trotz mehrfacher Auslandsaufenthalte immer wieder zurück.

Giorgio Parisi wurde für seine theoretische Arbeit im Zusammenhang mit der Klimamodellierung geehrt. Zur Notwendigkeit des Klimaschutzes sagte er, dass der Temperaturanstieg sich weiter beschleunigen könnte: „Das erfordert, dass für die kommenden Generationen sofort gehandelt wird.“ Die Situation sei sehr dringend, es brauche nun starke Entscheidungen. Der Nobelpreis geht zum Teil an Parisi für die Entdeckung, wie das "Zusammenspiel von Unordnung und Fluktuationen physikalische Systeme von der atomaren bis hin zur planetaren Ebene bestimmt". Die Akademie sprach von "revolutionären" Erkenntnissen des Professors der Sapienza-Universität in Rom.

Ein komplexes System von entscheidender Bedeutung für die Menschheit ist das Erdklima. "Die diesjährigen Preisträger haben alle dazu beigetragen, dass wir tiefere Einblicke in die Eigenschaften und die Entwicklung komplexer physikalischer Systeme gewonnen haben", erklärte Thors Hans Hansson, Vorsitzender des Nobelkomitees für Physik.

Ein erstes realistisches Klimamodell

Eine zentrale Figur in der Geschichte der Klimamodellierung wurde am Dienstag ebenfalls mit dem Nobelpreis ausgezeichnet: Syukuro Manabe. In den 1960er Jahren bereits brachte er die ersten Klimamodelle mit auf den Weg – eine Pionierleistung. 

Der 90-jährige Manabe wurde in Japan geboren, promovierte 1958 an der Universität Tokio und ging dann in die USA. Zuletzt forschte er an der Elite-Universität Princeton. Bereits in den 1960er Jahren hatte der Klimatologe nachgewiesen, dass der Anstieg der Temperaturen auf der Erde mit dem CO2-Gehalt in der Atmosphäre zusammenhängt. 

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Syukuro Manabe hatte mit Richard Wetherald in den 60er Jahren in Princeton das erste realistische Klimamodell programmiert. Dabei berücksichtigte er nicht nur die Wärmestrahlung, sondern konnte auch die Konvektion abbilden, das Auf- und Absteigen von warmer oder erkalteter Luft.

In den USA arbeitete der Wissenschaftler, der inzwischen auch US-Staatsangehöriger ist, zunächst bei verschiedenen Wetterbehörden, bevor er nach Princeton ging. 

Immer wieder beriet Manabe auch verschiedene Forschungszentren in seinem Geburtsland.1997 bis 2001 arbeitete er am Frontier Research System for Global Change in Japan, kehrte dann aber in die USA zurück.

Rund 250 Fachartikel und Bücher hat Manabe veröffentlicht - und dutzende renommierte Preise bekommen. Inzwischen gibt es sogar einen Preis in seinem Namen: Der vom amerikanischen Meteorologenverband verliehene "Syukuro Manabe Climate Research Award" ehrt Forscher, die herausragende Beiträge zum Verständnis des Klimasystems der Erde liefern.

Manabe ist Mitglied der United States National Academy of Sciences und ausländisches Mitglied der Academia Europaea und der Royal Society of Canada.

Syukuro Manabe.
Syukuro Manabe.

© AFP

"Wenn ich darauf zurückschaue, wie das Klima sich in den letzten Jahrzehnten verändert hat und wie die Modelle diese Veränderungen eingefangen haben, dann können wir über die nach vorne schauenden Projektionen sehr sicher sein", sagte Manabe in einem Interview.

"Alles machen, um den Klimawandel zu minimieren"

Es sei sehr schwer zu sagen, ab welcher Temperatur die Veränderung gefährlich wird. "Was wir wissen ist, dass die Erwärmung gefährlicher wird, sobald sie zwei Grad überschreitet, und dass es umso besser für uns ist, je weniger das Klima sich verändert. Wir müssen also alles machen, um den Klimawandel zu minimieren."

Der Vorsitzende des Nobelkomitees für Physik, Thor Hans Hansson, wandte sich zur Verkündung der diesjährigen Preise an politische Entscheidungsträger in aller Welt. Er sei sich nicht sicher, ob diese die Warnungen vor dem Klimawandel endlich verstünden, wenn das Nobel-Komitee sie darauf hinweise. Fest stehe jedenfalls, "dass die Klimamodelle solide auf Physik-Theorie beruhen".

Manabe teilt sich mit Klaus Hasselmann eine Hälfte des Preisgeldes (insgesamt 985 000 Euro), die andere Hälfte geht an Giorgio Parisi

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