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In einem künstlerisch gestalteten Raum sitzen oder stehen drei junge Menschen und lesen in Bilderbüchern.

© Thilo Rückeis

Zeitgemäßer Kunstunterricht: Neues Lernen in der "Grundschule der Künste"

An der Universität der Künste Berlin will die „Grundschule der Künste“ Schüler unabhängig von ihrer sozialen Herkunft für Kunst begeistern. Studierende, die dort ausgebildet werden, finden die neuen Räume "traumhaft".

Tische stehen wild durcheinander und feinkörniger schwarzer Sand liegt auf dem Boden verteilt, dass es unter den Schuhen nur so knirscht. Hier arbeiten Schüler mit einem Künstler zusammen ein halbes Jahr lang an einem Projekt, und wie sie den Raum hinterlassen haben, gleicht er dem Albtraum eines Kunstlehrers. Doch Kirsten Winderlich, Professorin an der Universität der Künste (UdK), strahlt inmitten des Chaos. In dem Kunstraum, den sie und ihr Team zusammen mit der Nachwuchsdesignerin Judith Seng an der Universität der Künste eingerichtet hat, soll vieles anders sein als in üblichen Klassenzimmern.

Statt frontal ausgerichteter Tischreihen gibt es Arbeitsflächen in verschiedenen Höhen. Die Kinder können sich auch daraufsetzen, davor knien und sie durch den Raum schieben. Überall an den Wänden können die Werke mit Magneten aufgehängt werden. Hier sollen Lehramtsstudierende der Berliner Unis, Schulkinder und Künstler zusammenkommen und sich der Kunst und ihrer Vermittlung auf eine neue Art und Weise nähern. „grund_schule der künste“ nennt und schreibt sich der neue Bereich. Am heutigen Donnerstag wird das Projekt unter der Schirmherrschaft von Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) am Berlin-Wilmersdorfer UdK-Standort an der Bundesallee offiziell eröffnet.

Lernen, wie Kinder auf Kunst reagieren

Dass Schulklassen sich hier der Kunst annähern, ist aber nur ein Teil der grund_schule der künste. Lehramtsstudierende für die Grundschule können hier Seminare belegen oder direkt mit den Kindern lernen, wie sie Kunst- und Musikunterricht später einmal gestalten können und wie vor allem Kinder auf Kunst reagieren. Das Gleiche gilt für die Lehrer der kooperierenden Schulen. So soll auch über neue didaktische Modelle nachgedacht werden, wie die Kunst Schüler bilden kann.

Der UdK ist es wichtig, Schulkinder aller Bezirke und sozialer Herkünfte an der Welt der Kunst teilhaben zu lassen. Kirsten Winderlich stellt bei ihrer Arbeit fest, dass sich die Kinder unabhängig von ihrem Elternhaus für den Umgang mit der Kunst begeistern können: „Die Lehrer sind oft erstaunt, was die Kinder alles können.“ Die Lehrkräfte erhielten in der grund_schule der künste die Chance, ihre Schülerinnen und Schüler anders als gewohnt zu erleben.

Leselust in Olafur Eliassons Bücherwald

Zu den neuen Räumen gehört auch eine „Bilderbuchwerkstatt“, die der dänisch-isländische und in Berlin lebende Künstler Olafur Eliasson gestaltet hat. Der Boden ist hügelig und mit dickem, grünem Teppich ausgelegt, aus ihm wachsen Stämme empor. Sie sind mit weichem Stoff verkleidet und haben Bücherfächer. Der skandinavische Wald war Vorbild für diese Gestaltung. Kinder können sich mit einem Bilderbuch in einer Kuhle verkriechen. „Der Raum sieht selbst schon aus wie aus dem Bilderbuch“, sagt die Studentin Kirby Hielscher. „Es ist ein wahr gewordener Traum.“ Auch mit diesem Raum arbeitet Winderlich, hier sollen die Studierenden lernen, wie sich Kinder mit Bilderbüchern neue Welten eröffnen können.

Die Studierenden nehmen die experimentellen Methoden und Räume begeistert an. In der grund_schule der künste manifestiere sich, dass sich der Blick auf den Kunstunterricht in den vergangenen Jahren „um 180 Grad gedreht hat“, sagt Rieke Fröhlich. Heute müsse es wie in allen Fächern darum gehen, innerhalb der Klasse zu differenzieren und die Kinder individuell zu fördern. Kirby Hielscher glaubt, dass die modernen Kinderbücher in der Bilderbuchwerkstatt beim Kunstunterricht helfen können. „Viele Kinder sagen, dass sie nicht malen können, aber wenn ein Bilderbuch auch nur schemenhafte Zeichnungen enthält, kann das Mut machen.“ Außerdem könnten Kinder in der grund_schule der künste ohne Notendruck Erfahrungen mit Kunst sammeln.

Kunst nicht mehr als Hauptfach für angehende Grundschullehrer

Was Winderlich und ihr Team verwirklicht haben, ist ein wahrhaft kreatives Umfeld für Studierende und Kinder. Umso mehr ärgert es Winderlich, dass Kunst- und Musikunterricht in den Berliner Grundschulen in Zeiten straffer Lehrpläne so kurz kommt. Angehende Grundschullehrkräfte könnten Kunst und Musik nach dem neuen Lehrerbildungsgesetz in Berlin nicht mehr als Hauptfach belegen. „Die universitäre Ausbildung für die künstlerischen Fächer in der Grundschule ist aktuell sehr erschwert, wenn nicht gar unmöglich geworden“, sagt Winderlich. Viel zu tun also für die grund_schule der künste.

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