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Ein junges Paar in dicken Pullis sitzt in seiner Wohnung mit einem Tablet auf dem Fußboden.

© Getty Images

Neue Zahlen zur Ausbildungsförderung: Leichter Bafög-Anstieg, aber schlechte Prognose bis 2026

Mit einer kleinen Bafög-Reform sollen wieder mehr Studierende mehr Geld bekommen. Doch eine Prognose zeigt: Die Zahl der Geförderten könnte wieder sinken.

Die Zahl der mit Bafög geförderten Studierenden ist im vergangenen Jahr erstmals seit 2012 leicht gestiegen - um 2000 Personen (0,4 Prozent) gegenüber dem Vorjahr. Damit haben 2021 bundesweit 468.000 Studierende Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz erhalten, wie das Statistische Bundesamt am Freitag mitteilte.

Bei den Schülerinnen und Schülern gibt es einen starken Rückgang - um zehn Prozent auf 155.000 Geförderte. Das ist vor allem auf den Wechsel von zuvor Berufstätigen ins Aufstiegsbafög, etwa bei Erzieher:innen, die sich weiterqualifizieren, zurückzuführen.

"Der freie Fall beim Bafög ist gebremst, eine stabile Trendumkehr steht aber noch aus", kommentiert Matthias Anbuhl, Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks (DSW). Die könne auch nicht von der aktuellen Bafög-Reform erwartet werden, mit der die Elternfreibeträge um 20,75 Prozent angehoben wurden, um den Kreis der Bafög-Beziehenden nach einer jahrzehntelangen Talfahrt deutlich auszuweiten.

Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) freut sich indes, "dass die Zahl der mit Bafög geförderten Studierenden endlich wieder ansteigt". Das sei "nach langen Jahren des Rückgangs eine sehr gute Nachricht". Positiv sei auch der Anstieg des durchschnittlichen Förderbetrages. Tatsächlich erhielten 2021 geförderte Studierende im Durchschnitt 579 Euro (plus fünf Euro gegenüber 2020).

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Auch hier sollte die diesjährige Bafög-Reform einen deutlich größeren Sprung bringen: So ist der Höchstsatz von 861 auf 934 Euro gestiegen. Außerdem erhalten Geförderte, die nicht bei ihren Eltern leben, wegen der Energiekrise in diesem Jahr einen einmaligen Heizkostenzuschuss von 230 Euro.

Fraunhofer-Prognose: 150.000 Geförderte weniger im Jahr 2026

Demgegenüber stehen allerdings zwei konträre Entwicklungen. Einerseits hat die zuständige Ministerin wiederholt eine Strukturreform des Bafög angekündigt, die auch im Koalitionsvertrag der Ampel steht und mit der die Zahl der geförderten Studierenden in neue Dimensionen gehoben werden soll.

[Lesen Sie dazu auch unser aktuelles Interview mit Bettina Stark-Watzinger auf Tagesspiegel Plus]

Dazu erklärte Stark-Watzinger am Freitag: "Unser nächstes Ziel ist es, durch strukturelle Reformen nicht nur mehr Menschen zu erreichen, sondern ihnen auch eine flexiblere und modernere Unterstützung zu bieten."

Andererseits zeigen neue Angaben aus ihrem Ministerium, dass ohne diese große Reform, die unter anderem auf der Auszahlung der geplanten Kindergrundsicherung an die Studierenden beruhen soll, die Zahl der Bafög-Geförderten bis 2026 wieder deutlich sinken könnten.

Ein rosa Sparschwein steht auf dem Temperaturregler eines Heizkörpers.
Trotz des Heizkostenzuschusses von 230 Euro dürften viele Bafög-Beziehende im Winter in Geldnot kommen.

© IMAGO/Christian Ohde

Auf Anfrage von Nicole Gohlke, stellvertretende Vorsitzende und bildungspolitische Sprecherin der Linken-Fraktion im Bundestag, heißt es aus dem BMBF, die Zahl der insgesamt mit dem Bafög geförderten werde 2022 rund 467.000 betragen, im Folgejahr 466.000, 2024 nur noch 418.000 und 2025 auf 385.000 fallen. In vier Jahren könnten es der Prognose zufolge nur noch 319.000 Bafög-Empfänger sein.

Ein Grund dafür könnte sein, dass die Freibeträge durch steigende Gehälter wieder eingeholt werden.

Die Zahlen umfassen nach Auskunft der Fragestellenden alle Bafög-Beziehenden, also Studierende und Schüler:innen. Sie beruhen Jens Brandenburg (FDP) zufolge, Staatssekretär im BMBF, auf einer Simulation des Fraunhofer-Instituts für angewandte Informationstechnik. Brandenburg betont allerdings eine "beträchtliche Schätzunsicherheit".

Staatssekretär hofft auf mehr Anträge - und auf die Strukturreform

So könnte die aktuelle Bafög-Reform zu "Verhaltensanpassungen bei der Zielgruppe" führen, wenn wegen der öffentlichen Aufmerksamkeit mehr Studierende die Ausbildungshilfe beantragen. Der "hypothetische Verlauf" entspreche auch nicht den tatsächlichen Plänen der Bundesregierung, erklärt Brandenburg mit Verweis auf die in dieser Legislaturperiode geplante Strukturreform.

Diese schnell anzugehen, mahnt auch Fragestellerin Nicole Gohlke an. "Trotz vollmundig angekündigter Reform inklusive Nachbesserungen soll es in vier Jahren 150.000 weniger Bafög-Beziehende als jetzt geben", kritisiert sie in einem Statement für den Tagesspiegel. "Die Bundesregierung spart also noch mit ihrer Bafög-Reform." Das sei "zynisch und deutlich zu wenig".

Gohlke fordert die Bundesregierung auf, beim Bafög "am besten noch vor dem Winter nachzubessern". Vor dem Hintergrund der Inflation und steigender Energie- und Nahrungsmittelpreise brauche es "ein armutsfestes Bafög, welches zum Leben reicht". Die Linken-Politikerin schlägt vor, die Wohnpauschale in einen regional gestaffelten Mietkostenzuschuss umzuwandeln, der die wirklichen Wohnkosten abdeckt.

Auch das Deutsche Studentenwerk weist darauf hin, dass die "immensen Preissprünge bei Lebensmitteln, Strom und Heizungen" viele Studierende "schon heute  vor existentielle Nöte" stellen. Generalsekretär Matthias Anbuhl fordert "eine weitere, schnelle Anhebung der Bedarfssätze". Insgesamt habe die Bundesregierung mit der Anhebung der Elternfreibeträge, Altersgrenzen und Bedarfssätze aber wichtige Akzente gesetzt.

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