Moderne Gentechnik-Forschung auf Eis gelegt: Forscher stellen sich gegen Stopp durch Grünen-Landesfürst
Ministerpräsident Kretschmann hat ein Programm zur Erforschung neuer Gentechniken in Baden-Württemberg gestoppt. Über 100 Wissenschaftler üben scharfe Kritik.
Fünf Millionen Euro wollte die baden-württembergische Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) für ein Forschungsprogramm zur Nutzung von "Genome Editing" an Pflanzen ausgeben. Doch vergangene Woche stoppte Bauers Parteikollege und Ministerpräsident des Landes, Winfried Kretschmann, das Programm.
Jetzt zeigen sich insgesamt 122 Forschende in einem offenen Brief an Kretschmann "irritiert und besorgt" über die Entscheidung. Sie schade "sowohl dem Wissenschaftsstandort Baden-Württemberg als auch Deutschland massiv".
Die Unabhängigkeit der Wissenschaft sei von immenser Bedeutung, um evidenzbasierte Lösungsstrategien für eine nachhaltige Landwirtschaft in Anbetracht globaler ökologischer Krisen zu entwickeln, heißt es dem Schreiben weiter.
Es müsse möglich sein, "Handlungsspielräume kritisch und lösungsorientiert" zu beleuchten, "um für die Herausforderungen der Zukunft auf ein breites Repertoire an Werkzeugen und wissenschaftlicher Expertise zurückgreifen zu können".
Daher müsse Forschung über Genome Editing zugelassen werden, "damit Potentiale und Risiken differenziert abgeschätzt werden können".
Genomeditierte Pflanzen könnten das Klima schonen
So beziehe etwa der Klimarat IPCC auch biotechnologische Werkzeuge ausdrücklich ein, um klimaschonende landwirtschaftliche Konzepte zu entwickeln. Genome-Editing-Verfahren wie die Gen-Schere Crispr/Cas9 könnten "ein wichtiger Baustein für eine zukunftsfähigere Landwirtschaft sein", indem sie gegen "Trockenheit, Versalzung oder Pflanzenkrankheiten" widerstandsfähigere Pflanzen ermöglicht, heißt es in dem Brief an Kretschmann.
Die dafür nötigen Veränderungen seinen von "natürlich und in der konventionellen Züchtung auftretenden Mutationen nicht unterscheidbar". Ein erhöhtes Risiko für Mensch und Umwelt sei daher nicht zu erwarten.
Die Forscher, darunter etwa der Direktor vom Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie in Tübingen, Detlef Weigel, und einer der Pioniere des biologischen Landbaus Urs Niggli, Direktor des Schweizer Instituts für Sustainable Food- and Farming Systems, fordern nun, das geplante Forschungsprogramm doch auszuschreiben "und in dessen Rahmen, weitere Erkenntnisse über Potentiale und mögliche Risiken der neuen Züchtungsmethoden zu gewinnen."
Nur darauf könne eine sachliche und konstruktive Debatte basieren, die Chancen und Risiken im Sinne einer nachhaltigen, produktiven Landwirtschaft abwägt.
Mit der Wissenschaft oder nur, wenn es passt?
Der Brief, koordiniert von der Organisation "Progressive Agrarwende", zielt erkennbar darauf ab, jenen Teil der Grünen zu unterstützen, die Politik entlang wissenschaftlicher Erkenntnisse machen wollen - sei es bei Themen wie der Homöopathie, dem Klimawandel oder der Nutzung moderner Gentechnik in der Pflanzenzüchtung.
Bislang ist dieses Lager, zumindest auf Bundesebene der Partei, allerdings in der Minderheit. Vorschläge wie von den Bundesvorsitzenden Robert Habeck und Annalena Baerbock, im Zuge der Diskussion um ein neues Grundsatzprogramm der Grünen ergebnisoffener über Gentechnikfragen zu diskutieren, stießen daher bislang auf heftige Kritik.
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