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Grafik, in der das Das TOI-270-Sternensystem dargestellt ist.

© Nasa; Bearbeitung: Bayhan

Mit Weltraumteleskop Tess entdeckt: Das Rätsel um die Größe der Planeten bei Stern „TOI-270“

Immer wieder werden „zweite Erden“ beschrieben. Doch die Suche nach Exoplaneten führt auch zu wirklich spannenden Entdeckungen – etwa von neuen Planetentypen.

Wer als Planetenforscher seine Arbeit gern in die Öffentlichkeit bringen will, hat gute Chancen, wenn er oder sie Begriffe wie „erdähnlich“ oder „möglicherweise bewohnbar“ in der Mitteilung des eigenen Instituts unterbringt. So geschehen wieder vergangene Woche mit einem Planeten in einem fernen Sonnensystem, der tatsächlich aber doch nur ganz, ganz vielleicht diese Bezeichnung verdient.

Auf Twitter diskutieren inzwischen auch Fachleute darüber, wie inflationär und den ganzen Berufsstand diskreditierend diese Begriffe angewandt werden. Dabei fördert die Suche nach Exoplaneten, auf denen eher kein Blauer Klaus wohnen wird, ständig sehr spannende Funde zutage. Zum Beispiel ganz neue Planetentypen.

Die Lücke zwischen Mars und Jupiter

Maximilian Günther vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) und sein Team haben jetzt jedenfalls ein besonderes Trio Planeten aufgespürt. Es umkreist den Stern „TOI-270“ im Sternbild Maler. Neben einem mutmaßlichen Gesteinsplanet namens „TOI-270 b“, der in etwa so groß ist wie die Erde, drehen da in etwas größerem Abstand zwei weitere Körper ihre elliptischen Bahnen. Sie bestehen hauptsächlich aus einer dichten Gashülle und ähneln damit dem Neptun.

Doch während dieser einen vierfachen Erdradius aufweist, sind die beiden anderen nur etwa doppelt so groß wie die Erde. „Und das macht sie so spannend“, sagt Günther. Denn in unserem Sonnensystem gibt es nur zwei Größenklassen: die kleinen felsigen Körper wie Merkur, Venus, Erde und Mars und dann relativ große wie Saturn oder Neptun. „Eine mittlere Größe ist aber nicht vertreten, da haben wir eine Lücke, und die Frage lautet: Warum?“

Zwar hätten Forscher in fernen Sonnensystemen bereits einige Exoplaneten in der Größenklasse zwischen Erde und Neptun – gern „Mini-Neptune“ genannt – entdeckt, doch dort waren diese dann wiederunter sich. In TOI-270 hingegen finden sich erstmals die verschiedenen Planetengrößen um einen Stern versammelt. Günther spricht daher auch von einem „Verbindungsglied“, das helfen könne zu verstehen, wie sich Planeten unterschiedlicher Größe in einem System bilden.

Heiß genug, um eine Pizza zu backen

Aufgespürt wurde TOI-270 mithilfe des amerikanischen Weltraumteleskops „Tess“. Dieses beobachtet für je 27 Tage ein ausgewähltes Himmelsareal. Zeigen Sterne regelmäßige Helligkeitsänderungen, könnten diese durch Planeten hervorgerufen sein, die um ihren Mutterstern kreisen. Der Stern wird dann zum TOI – „Tess Object of Interest“ – und bekommt eine Nummer.

TOI-270 ist ein kleinerer, kühlerer Stern als die Sonne, wie das Team im Fachjournal „Nature Astronomy“ schreibt. Daher herrschen auf den drei Planeten, die bisher relativ nah an dem Stern entdeckt wurden, verhältnismäßig milde Temperaturen. Der innerste und erdähnliche „TOI-270 b“ kommt auf 250 Grad - „genug um auf der Oberfläche eine Pizza zu backen“, wie Günther sagt. Doch die beiden äußeren Mini-Neptune, „TOI-270 c“ und „d“, haben an der Oberfläche schätzungsweise 150 beziehungsweise 70 Grad.

Nach Ansicht der Forscher ist es wahrscheinlich, dass in größerer Entfernung noch weitere Planeten kreisen, die noch kühler sind und damit sicher in die „habitable Zone“ gehören. So wird der Abstandsbereich bezeichnet, in dem es auf einem Planeten Wasser dauerhaft in flüssiger Form als Voraussetzung für erdähnliches Leben geben kann. Doch auch die Größe eines Planeten und die Zusammensetzung der Atmosphäre müssen stimmen, damit eventuell Leben möglich ist.

Dies für TOI-270 zu klären, ist mit vorhandenen Teleskopen nicht möglich. Für die Astronomen steht daher erst einmal eine andere Frage im Vordergrund: Wie haben sich die bereits bekannten Planeten mit ihren unterschiedlichen Größen dort gebildet? Anhand ihrer Messungen zur Größe und Masse der Planeten sind sich ihre Entdecker ziemlich sicher, dass der innerste ein Felsplanet ist, vielleicht mit einer dünnen Atmosphäre. Die beiden äußeren, etwas größeren, müssten eine dichte Gashülle haben, die einen kleineren festen Kern umschließt.

Hoffnung auf das neue James Webb Space Teleskope

„Das ließe sich mit einer Theorie erklären, die derzeit in Fachkreisen intensiv diskutiert wird“, sagt Thomas Evans vom MIT, einer der Autoren der aktuellen Studie. Diese Theorie besagt, dass viele Planeten, die rund zwei Erdradien messen und nahe um ihren Mutterstern kreisen, einst wesentlich größer begannen: mit einer mächtigen, wasserstoffdominierten Gashülle. Die hochenergetische Strahlung des Sterns sorgt aber im Laufe der Zeit dafür, dass viel davon gleichsam in den Weltraum hinausgeschossen wird , so dass nur der felsige Kern übrig blieb. Dies könne auch TOI-270 b so ergangen sein.

„Die beiden anderen, die weiter draußen kreisen, bekamen dagegen weniger Strahlung ab und konnten so vielleicht ihre Wasserstoffhülle halten“, erklärt Evans. Eine andere Möglichkeit besteht darin, dass die beiden früher gebildet wurden und durch ihre Anziehungskraft mehr Gas einsammeln konnten, bevor dieses vom wachsenden und heißer werdenden Stern aus der protoplanetaren Scheibe „geblasen“ wurde. Die Entstehung von TOI-270 b hätte in diesem Szenario etwas länger gebraucht und es wäre weniger Gas übrig geblieben, um es aufzunehmen. „Ich halte das erste Szenario für deutlich wahrscheinlicher“, sagt Evans. „Aber wirklich sicher wissen wir es nicht.“

Die Astronomen hoffen nun auf weitere Untersuchungen. Die könnten einiges zutage bringen, denn TOI-270 ist „nur“ 73 Lichtjahre von der Erde entfernt und lässt sich daher mit verschiedenen Teleskopen beobachten. Für 2020 hat das Team Messzeit für „Hubble“ erhalten. Beobachtungen mit diesem Klassiker der Weltraumteleskope könnten aufklären helfen, ob die Mini-Neptune tatsächlich eine wasserstoffdominierte Atmosphäre haben. Mit dem Nachfolger, dem „James Webb Space Teleskope“, das 2021 in Betrieb gehen soll, könnten sie mit etwas Glück sogar die Atmosphärenchemie des kleinen Felsplaneten ermitteln, glaubt Evans.

"Unser Sonnensystem ist untypisch"

Zudem wird auch Tess erneut in die Richtung blicken und womöglich Hinweise auf weitere Planeten bei TOI-270 finden. Solche neuen Puzzlestücke könnten das Bild des Planetensystems verfeinern und die Hypothese stärken helfen – oder widerlegen.

Die bisherigen Beobachtungen zeigten, dass es in Sonnensystemen eben doch Planeten unterschiedlicher Größe geben könne, „ohne dass eine Lücke zwischen sehr kleinen und sehr großen Objekten wie in unserem Sonnensystem besteht“, sagt Harald Krüger vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Göttingen, der an der Studie nicht beteiligt ist. Eigentlich würde man dies auch genau so erwarten: ein kontinuierliches Spektrum von Klein bis Groß, zumindest in den meisten Fällen. „Das heißt, unser Sonnensystem ist untypisch“, sagt Krüger. Schuld hat vermutlich Jupiter, der Gasriese. Seine Anziehungskraft ist so groß, dass er sich massenhaft Material einverleibt hat und damit zu wenig übrig blieb, um einen weiteren Planeten zwischen Mars und Jupiter entstehen zu lassen.

Ansonsten ist unser Sonnensystem aber regelkonform: innen die felsigen Planeten, weiter draußen die Gas- und Eisriesen. „Das hängt mit der Nähe zur Sonne zusammen“, sagt Krüger. „Wo mehr Wärmestrahlung hingelangt, gelangt das Gas – vor allem Wasserstoff und Helium – in den Weltraum und geht damit verloren.“ In größerer Entfernung ist es kühler und die Planeten können die flüchtigen Substanzen besser halten.

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