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Das Foto wurde von einem Forschungsschiff während einer Antarktis-Expedition gemacht und zeigt einen Eisberg im Antarktischen Ozean.

© Kyodo/dpa

Mit der Antarktis verbunden: Südpolarmeer benötigt Schutz als Lebensraum und Kohlenstoffsenke

Am Freitag tagt die 44. Antarktis-Konferenz in Berlin und Aktivisten demonstrieren. Polarforscher Arved Fuchs erklärt, wofür.

Wer einmal am Südpol war, macht eine ganz besondere Erfahrung. Sie verändert uns als Mensch. Es ist das raueste und kälteste Klima der Erde, in dem wir Menschen nur durch Zusammenarbeit eine Chance haben, zu überleben. Das habe ich selbst bei meiner Durchquerung der Antarktis 1989 erlebt.

Doch nur weil wir an die extreme Kälte nicht angepasst sind, heißt das nicht, dass es kein Leben in diesem Teil der Welt gibt. Die Vielfalt ist unvergleichlich. Die Natur der Pole hat uns schon immer fasziniert, sie hat uns Respekt gelehrt und wir haben uns als Abenteurer und Forscher das Ziel gesetzt, die Menschen mit den Polen zu verbinden. Wir sind Teil der Natur dieses Planeten.

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Selbst in 500 Meter Tiefe unter den Eisschollen des Südpolarmeeres entdeckten Wissenschaftler während einer Reise auf dem Forschungsschiff Polarstern buntes Leben: Seegurken, Seeanemonen und Riesenwürmer. Diese teilweise noch unbeschriebenen Lebewesen sind Teil eines fragilen Ökosystems. Sie entwickeln sich sehr langsam und müssen deshalb besonders geschützt werden. Als Leiter von Expeditionen mit wissenschaftlicher Begleitung sehe ich meine Mission darin, zu veranschaulichen, wie relevant die extremen Klimazonen für die Biodiversität der Erde sind.

Arved Fuchs, Polarforscher und Buchautor, engagiert sich für den Schutz der Polarregion.
Arved Fuchs, Polarforscher und Buchautor, engagiert sich für den Schutz der Polarregion.

© picture alliance/dpa

Zirkumpolarstrom versorgt Ozeane mit Nährstoff

Wie sehr wir mit diesem Teil des Planeten verbunden sind, belegt die Wissenschaft mit Zahlen: Das Südpolarmeer nimmt bis zu 40 Prozent des anthropogenen Kohlendioxids auf, das die biologische Pumpe der Ozeane aus der Atmosphäre zieht. Zudem ist der Zirkumpolarstrom – eine kalte Meeresströmung, die den Kontinent umfließt – einer der Motoren des weltweiten Systems, das unsere Ozeane mit Nährstoffen versorgt.

Dass die Biodiversitäts- und die Klimakrise zusammenhängen, beginnt unsere Gesellschaft erst langsam zu begreifen. Am Beispiel von Krill lässt sich veranschaulichen, dass intakte Nahrungsnetze für die CO2-Speicherfähigkeit der Meere unerlässlich sind: Diese kleinen Krebstiere fressen tagsüber Phytoplankton und wandern im Anschluss in die Tiefe. Dabei transportieren sie auch Kohlenstoff nach unten. Sie werden von Pinguinen, Walen und Robben gefressen, deren Ausscheidungen und der darin gebundene Kohlenstoff auf den Meeresgrund sinken.

Krill transportiert Tonnen von Kohlenstoff nach unten

Allein im Gebiet der Antarktis werden durch Krill jedes Jahr 23 Millionen Tonnen Kohlenstoff nach unten transportiert. Das entspricht der Menge an Kohlenstoff, die pro Jahr von 35 Millionen Autos ausgestoßen wird. Kommt der Krillbestand zum Beispiel durch Überfischung in ein Ungleichgewicht, so wird das gesamte antarktische Nahrungsnetz gestört: Das Leben vom Schwarzen Seehecht, von Schwert- oder Blauwalen wird bedroht und gleichzeitig das System der Kohlenstoffsenke empfindlich gestört.

Die Fischerei stellt den größten negativen Einfluss auf die Biodiversität dar. In Kombination mit den Folgen der steigenden Temperaturen durch den Klimawandel gefährdet sie das fragile Gleichgewicht dieses extrem reichen Ökosystems. Durch strengen Schutz weiter Teile – auch vor Fischerei-Aktivitäten – kann das Südpolarmeer in Zeiten des Klimawandels widerstandsfähig bleiben und weiterhin seiner Rolle als bedeutende Kohlenstoffsenker nachkommen.
Jedes Jahr kommt die Kommission zur Erhaltung der lebenden Meeresschätze der Antarktis zusammen. Bereits 2009 beschlossen 25 Länder und die EU, ein Netzwerk von Meeresschutzgebieten im Südpolarmeer zu schaffen. Im Weg stehen Interessenkonflikte einiger beteiligter Länder in der kommerziellen Fischerei. Nur durch Gespräche auf höchster politischer Ebene können sie gelöst oder zurückgestellt und der Schutz des Südpolarmeeres realisiert werden.

Am Freitag „Demo für die Antarktis“ in Berlin

Aus diesem Grund bin ich Teil einer Großdemonstration der Antarctic and Southern Ocean Coalition (ASOC), des Pew Bertarelli Ocean Legacy Projekts und Bündnispartnern wie Greenpeace, Scientists for Future, Fridays for Future und der Deutschen Umwelthilfe (Anm.d.Red.: Demo für die Antarktis findet am Freitag, 27. Mai, ab 12 Uhr, vor dem Brandenburger Tor statt). Wir möchten Aufmerksamkeit auf das wichtige Thema Antarktis- und Meeresschutz lenken. Nebenan treffen sich parallel die Vertreter der beteiligten Nationen zur „Konsultativtagung zum Antarktis-Vertrag“ (ATCM) – bereits zum 44. Mal.

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Deutschland setzt sich vor allem für den Schutz des Weddellmeeres ein. Es ist neben der Westlichen Halbinsel und der Ostantarktis eines der drei Meeresschutzgebiete, die seit 2009 in Planung sind. Gemeinsam würden sie mit insgesamt etwa vier Millionen Quadratkilometern das flächenmäßig größte Meeresschutzgebiet in der Geschichte der Menschheit bilden. In den letzten Jahren blockierten Russland und China diesen Schutz. Wenn es den Staaten in diesen brisanten Tagen gelingen sollte, die höchste diplomatische Ebene in ihren Ländern für den Schutzgedanken zu mobilisieren, schaffen sie die beste Verhandlungsgrundlage. Dann kann sich auch auf der internationalen Ebene Großes in Bewegung setzen.

Der Antarktis-Vertrag ist hierfür ein gutes Beispiel: Bereits vor 60 Jahren erkannte man die globale Bedeutung des fragilen Ökosystems der Antarktis. Trotz der internationalen Uneinigkeiten schlossen sich zwölf Länder, darunter auch Russland, zusammen. Er trat 1961 in Kraft und hat zum Ziel, das ökologische Gleichgewicht am Südpol zu bewahren, wissenschaftliche Forschung zu unterstützen und friedliche, internationale Kooperation zu fördern.

Das 44. Treffen der Ländervertreter des Antarktisvertrags, das dieses Jahr in Berlin stattfindet, sehen wir vor allem als eine Chance für politische Entscheidungsträger, Konflikte zu überwinden und dafür zu sorgen, dass der Geist des Antarktisvertrages fortbesteht – für die zukünftigen Generationen und unseren Planeten. Der Moment dafür ist jetzt. Wir sollten diese Chance nutzen.

Arved Fuchs

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