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Vorbilder gesucht: In den Naturwissenschaften, Mathematik und in Tech-Berufen mangelt es immer noch an weiblichem Nachwuchs.

© Getty Images/Ariel Skelley

Männer dominieren MINT-Fächer: Frauenförderung an den Unis kommt nur langsam voran

In Deutschland arbeiten besonders wenige Frauen in den mathematischen Fächern. Es fehlt an Vorbildern und manchmal auch am Willen, etwas zu ändern – doch die FU steuert gegen.

Experimente machen, programmieren und echte Labore besuchen: Jedes Jahr können Mädchen ab der neunten Klasse im Rahmen des MINToring-Programms ein dreiwöchiges Praktikum an der Freien Universität Berlin (FU) machen. Dort bekommen sie einen Eindruck von Informatik, Physik und Geowissenschaften. Ein Angebot, das es an keiner anderen Berliner Uni gibt. 

Eine Befragung von mehr als 100 Schülerinnen, die in den vergangenen Jahren daran teilgenommen haben, hat nun ergeben: 73 Prozent von ihnen wünschten sich nach dem Praktikum, einen Beruf in diesem Bereich auszuüben. „Nach dem Besuch des MINTorings trauen sich die Schülerinnen mehr zu“, sagte Esto Mader vom Team Zentrale Frauenbeauftragte an der FU, die die Ergebnisse kürzlich bei einem Podiumsgespräch mit dem Titel „Mint für alle!“ vorstellte. Die Mehrheit der Mädchen gab an, sich nach dem Praktikum einem Studium in diesem Bereich besser gewachsen zu fühlen.  

Nur wenige Frauen machen Karriere im MINT-Bereich

Programme, die Schülerinnen auf diese Weise begeistern, sind dringend nötig. Denn nach wie vor sind Frauen in den MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Natur- und Technikwissenschaften) hierzulande unterrepräsentiert. Verglichen mit anderen EU-Ländern liegt Deutschland auf dem letzten Platz der Rangliste: Lediglich 22 Prozent der Bachelor-Abschlüsse in MINT-Fächern gingen 2022 in Deutschland an Frauen. In Griechenland und Schweden, die bei dem Ranking vorne liegen, waren es 41 Prozent.

Die ungleiche Geschlechterverteilung verschärft sich später mit jeder wissenschaftlichen Karrierestufe weiter. Dadurch, dass es nur wenige Frauen in wissenschaftlichen Leitungspositionen gibt, mangelt es auch an weiblichen Vorbildern, die Studentinnen ermutigen könnten, diese Laufbahn einzuschlagen.

„Den stärksten Verlust an Frauen haben wir in der Postdoc-Phase“, sagte Martina Erlemann, Professorin für Wissenschafts- und Geschlechtersoziologie in der Physik, die im Rahmen einer laufenden Studie derzeit die Arbeitsplatzkultur im Fachbereich Physik der FU untersucht. Sie und ihr Team wollen herausfinden, mit welchen Problemen Nachwuchsforscherinnen konfrontiert werden, aber auch, was sie als karrierefördernd wahrnehmen. Dafür interviewten sie 20 Beschäftigte mit Promotion aus Arbeitsgruppen der Physik – sowohl Männer als auch Frauen, darunter zwölf Mitarbeitende, die nicht in Deutschland aufgewachsen sind.

Ein gemischtes Bild in der Physik

„Wir wollten gerne wissen: Wie sind die Erfahrungen der unterrepräsentierten Gruppen im Hinblick auf eine inklusive Arbeitsplatzkultur am Fachbereich Physik“, sagte Erlemann, die erste Ergebnisse vorstellte. „Insgesamt sind die Erfahrungen sehr heterogen“, sagte sie. Einige der Befragten berichteten, dass sie sich in ihren Arbeitsgruppen wohlfühlten, es ein gutes Gemeinschaftsgefühl und Kommunikationsklima gebe. Zudem gaben einige als positiv an, dass ihre Vorgesetzten Elternschaft unterstützten.

Andere erzählten aber auch von negativen Erfahrungen. Sie fühlten sich isoliert und psychisch belastet. Vier der Interviewten berichteten von sexualisierter und rassistischer Diskriminierung – beispielsweise von rassistisch konnotierten Witzen beim Mittagessen. „Hier wurde auch über eine Unsicherheit der Arbeitsgruppen-Leitung berichtet, wie damit umzugehen sei“, sagte Erlemann.

Stagnation in der Mathematik

Auch in der Mathematik gibt es trotz steigender Frauenanteile bei Studierenden und Promovierenden kaum Veränderungen beim Anteil der Professorinnen, der bundesweit bei 20 Prozent liegt. „Wie die Physik ist auch die Mathematik immer noch eine dominant männlich geprägte Fachkultur“, sagte die Soziologin und Gleichstellungsexpertin Anina Mischau. Diverser könne sie nur werden, wenn diejenigen, die an Machtpositionen sitzen, gewillt seien, etwas zu ändern. Zudem müsse vor allem in die Lehre ein diverseres Bild von Menschen, die Mathematik betreiben, eingebracht werden, damit die nächste Generation dieses in die Forschung oder als Lehrkräfte in die Schulen tragen kann.

An der FU ist der Anteil von Frauen in den vergangenen Jahren zwar in vielen MINT-Fächern gestiegen, doch insgesamt sind Männer nach wie vor in der Überzahl. Im Wintersemester 2020 waren rund 40 Prozent der Studierenden in der Mathematik weiblich, 34 Prozent in der Physik und 43 Prozent in den Geowissenschaften. Am geringsten ist ihr Anteil mit 28 Prozent in der Informatik. 2015 lag er hier jedoch noch um einiges niedriger, nämlich bei 19 Prozent.

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