zum Hauptinhalt
An der Tür eines Klassenzimmers stehen Corona-Regeln wie "keine Teilnahme bei Krankheit".

© Armin Weigel/dpa

Kolumne: Wiarda will's wissen: Macht endlich gemeinsame Sache für die Bildung!

Eine oder zwei Milliarden für Corona-Nachhilfe? Beides zu wenig, meint unser Kolumnist. Und fordert einen nationalen Bildungspakt weit über Notprogramme hinaus.

Bund und Länder wollen Deutschlands Schülern eine „Lernmilliarde“ gönnen. Vielleicht werden es auch zwei, die Verhandlungen laufen noch. Allen Schülerinnen und Schülern, bei denen durch die Corona-Schulschließungen besonders große Lernlücken entstanden sind, sollen „Lernangebote“ gemacht werden.

Dafür wollen Bund und Länder Lehramtsstudierende engagieren, Freiwilligendienstleistende, sie wollen bestehende Mentoring-Initiativen unterstützen und vieles mehr. SPD-Chefin Saskia Esken spricht von einer „Kraftanstrengung“ für die junge Generation.

Rechnen wir mal kurz und nehmen dabei optimistisch den höheren Betrag. Zwei Lernmilliarden würden etwa 2,5 Prozent der Gesamtausgaben von Bund und Ländern pro Jahr für alle öffentlichen Schulen entsprechen. Nach einem Schuljahr, an dessen Ende die meisten Schüler 50 Prozent und mehr ihrer Unterrichtszeit zu Hause verbracht haben werden.

Reform noch vor der Bundestagswahl angehen

Sicher, viele Länder haben noch eigene Nachhilfeprogramme aufgelegt, doch selbst ein paar hundert Millionen zusätzlich lassen nur folgende Frage zu: Hat die junge Generation wirklich ein so schlechtes Standing, dass Politiker:innen, die angesichts einer Bildungskrise ungeahnten Ausmaßes einmalig zwei, drei Prozent mehr herausholen wollen, nationale Kraftanstrengungen beschwören müssen?

[Wenn Sie alle aktuellen Entwicklungen zur Coronavirus-Pandemie live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Was diese Bezeichnung wirklich verdienen würde: Wenn Bund und Länder, wenn Regierung und Opposition unter dem Eindruck der bildungs- und sozialpolitischen Verwerfungen der vergangenen zwölf Monate das routinierte wie folgenlose Gerede von der überfälligen Reform des Bildungsföderalismus beenden würden. Und sie stattdessen noch vor der Bundestagswahl angehen würden.

Ein Porträtbild von Jan-Martin Wiarda.
Unser Kolumnist Jan-Martin Wiarda. Auf seinem Blog www.jmwiarda.de kommentiert er aktuelle Ereignisse in Schulen und Hochschulen.

© Privat

Die Zwei-Drittel-Mehrheit für die Grundgesetzänderung dürfte, wenn die Beteiligten es ernst meinen, eigentlich kein Problem sein. Zumal viel Wichtiges auch ohne ginge. Nur müssten sich Kanzlerin und Regierungschefs dafür auch einmal über so viele Stunden einschließen, wie sie es auch am Montag wieder für ihre neuen Corona-Beschlüsse tun werden.

Was die Reform des Bildungsföderalismus beinhalten müsste: dass Bund und Länder Schluss machen mit dem Stückwerk immer neuer Notprogramme. Dass sie stattdessen dauerhaft die Finanzierung des Schulbaus untereinander aufteilen, denn derzeit sind das Äußere und Innere vieler Bildungseinrichtungen allzu deutliche Belege für ihren politischen Stellenwert.

Den Digitalpakt entfristen

Zur Reform des Bildungsföderalismus würde auch die Entfristung des Digitalpakts auf dem jetzigen Niveau gehören, inklusive der dauerhaften Finanzierung von Systemadministratoren in den Schulen. Nicht weniger wichtig: die vollständige Absicherung der Lernmittelfreiheit für alle Kinder aus einkommensschwachen Familien durch den Bund, wobei wir von Schulbüchern genauso reden wie von Schülerlaptops und der Finanzierung von Datenflatrates.

Ob die Länder die Lernmittelfreiheit auf alle Einkommensgruppen ausdehnen wollen, bliebe ihre Entscheidung. Und schließlich die dauerhafte und gemeinsame Finanzierung der digitalen Lehrer(fort)bildung, wie sie durch die versprochenen „Digitalen Kompetenzzentren“ angelegt ist.

Und was ist mit den Ländern? Sie müssen mit dem durchschaubaren Gefeilsche um Umsatzsteuerpunkte aufhören, um an mehr Steuermittel zu kommen. Wenn es ihnen mit dem Vorrang für Bildung ernst ist, müsste ihnen der oben skizzierte Weg tatsächlich sogar sehr recht sein.

Den Kultusministern sowieso. Die müssten sich im Gegenzug für das Bundesgeld allerdings dazu verpflichten, den in ihrem neuen Bildungsabkommen versprochenen Fahrplan für transparente Schulleistungsvergleichen und mehr Vergleichbarkeit der Schulabschlüsse deutlich schneller und weiter zu gehen. Keiner braucht ein Bundeszentralabitur, aber genauso wenig braucht Deutschland immer neue föderale Sondernummern.

Das Vertrauen in die Leistungsfähigkeit des Staates geht gerade bei vielen Menschen gegen Null. Selbst wenn sie das mit dem Impfen und Testen irgendwann dann doch mal hinbekommen: Bund und Länder müssen beweisen, dass sie noch in der Lage sind, die Zukunft zu gestalten. Eine bessere Gelegenheit als die Reform des Bildungsföderalismus werden sie dafür nicht bekommen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false