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© Kyba/GFZ / Kyba/GFZ

Lichtverschmutzung nimmt zu: Potsdamer Forscher wertet Messungen von Bürgern aus

Das Projekt „Globe at Night“ sammelte Tausende Beobachtungen des Sternenhimmels. Ein Ergebnis: Die Helligkeit in Europa steigt um 6,5 Prozent.

Die Sterne am Nachthimmel sind weltweit immer kürzer oder weniger gut sichtbar: Dies zeigte jetzt ein Team um den Potsdamer Geoinformatiker Christopher Kyba anhand von Daten, die Bürger anhand rund um den Globus im Rahmen eines Citizen Science Projekts zur Lichtverschmutzung in den vergangenen elf Jahren Daten gesammelt haben.

Die Ergebnisse veröffentlichte Kyba, der am Deutschen GeoForschungsZentrum (GFZ) in Potsdam und an der Ruhr-Uni Bochum forscht, zusammen mit der amerikanischen Astronomin Constance Walker in der Fachzeitschrift „Science“.

Zwar könne das künstliche Himmelsleuchten, das vor allem dicht besiedelten Gebieten ausgeht, im Prinzip von Satelliten gemessen werden. Doch verfügten die Instrumente im All, die die gesamte Erde erfassen, nicht über ausreichende Messgenauigkeit und Empfindlichkeit, erklärten die Forschenden zum Citizen-Science-Ansatz. Die Daten wurden durch das weltweite Projekt „Globe at Night“ gesammelt, das das NOIRLab der US-amerikanischen National Science Foundation koordiniert.

Wie ein „Sensornetz“ für die Forschung wirkten Kyba zufolge die insgesamt 51.351 ausgewerteten Beobachtungen, die zwischen 2011 und 2022 in wolken- und mondfreien Nächten auf der ganzen Welt gemacht wurden. Unter den 19.262 Standorten lagen 3.699 Orte in Europa und 9.488 in Nordamerika. Per Onlineformular gaben die Teilnehmenden an, welche Sterne und Formationen sie sehen konnten.

Satelliten unterschätzen Einfluss von Werbung und Fassadenbeleuchtung

Die Änderungen der Himmelshelligkeit schätzte das Team anhand der Anzahl der sichtbaren Sterne ab: Für Europa habe dies 6,5 Prozent mehr Helligkeit pro Jahr ergeben, für Nordamerika ein Plus von 10,4 Prozent. Änderungsrate der Lichtemissionen habe mit der Zeit also stärker zugenommen, als es die Satellitenmessungen der künstlichen Lichtemissionen auf der Erde vermuten ließen.

Laut Kyba ist das Ergebnis „dramatisch“. Er erläuterte in der Pressemitteilung: Bei einem Ort mit einer Zunahmerate von 9,6 pro Jahr, dem aktuell ermittelten weltweiten Durchschnitt, würde ein Kind, das an einem Ort geboren wird, an dem 250 Sterne sichtbar sind, dort an seinem 18. Geburtstag nur noch 100 Sterne sehen können.

Blaues Licht trägt stärker zum Himmelsleuchten bei.

Christopher Kyba, Geoinformatiker

Dem Geoforscher zufolge ist der Unterschied zwischen der menschlichen Beobachtung und den Satellitenmessungen wohl auf Veränderungen in der Beleuchtungspraxis zurückzuführen: „Satelliten reagieren am empfindlichsten auf Licht, das nach oben gen Himmel gerichtet ist – aber es ist horizontal abgestrahltes Licht, das den größten Teil des Himmelsleuchtens ausmacht“, so Kyba. Wenn also Werbung und Fassadenbeleuchtungen häufiger, größer oder heller würden, könnten sie einen Einfluss haben, den Satellitenbilder so nicht erfassen dürften.

Als weiteren Faktor nennen die Autoren die weit verbreitete Umstellung von orangefarbenen Natriumdampflampen auf weiße LEDs, die unter anderem auch blaues Licht aussenden. „Unsere Augen sind nachts empfindlicher für blaues Licht, und blaues Licht wird in der Atmosphäre eher gestreut, trägt also stärker zum Himmelsleuchten bei“, erklärte Kyba weiter. Jedoch sei der einzige Satellit, der die ganze Erde bei Nacht abbilden könne, im Wellenlängenbereich des blauen Lichts nicht empfindlich.

Der Citizen-Science-Ansatz habe allerdings auch einen Haken, bemerkten das Team zur Auswertung. So beeinflusse die Herkunft der Teilnehmenden die Aussagekraft über räumliche und zeitliche Trends: Bislang beteiligen sich vor allem Menschen aus Nordamerika und Europa an dem Experiment. Die Hälfte der asiatischen Beiträge stamme aus Japan.

Dass das Projekt mit die meisten Daten aus Regionen der Erde sammelte, in denen das Himmelsleuchten derzeit am stärksten ausgeprägt sei, habe seinen Erkenntniswert. Es bedeute aber auch, „dass wir nicht viel über die Veränderungen des Himmelslichts in Regionen mit wenigen Beobachtungen sagen können“, betonte Kyba. In Entwicklungsländern gelte es daher noch mehr Daten zu erheben, um auch dort ein genaueres Bild von Lichtverschmutzung zu bekommen.

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