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Das Element der Delfine, die Ozeane, wird immer lauter. Das hat gefährliche Folgen für die Meeressäuger.

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Lärm: Von wegen stiller Ozean

Schrille Sonare, dröhnende Druckluftkanonen und scheppernde Schiffsschrauben – der Lärm in den Meeren hat sich im vergangenen Jahrzehnt verdoppelt.

Lärm ist das Markenzeichen unserer Zeit, sagt der Regisseur Roman Polanski. Er dringt aus Baustellen, schallt vom Flughafen und nervt im Straßenverkehr. Und er macht krank. Das betrifft mitnichten nur Menschen. Auch im Meer, dort, wo man eigentlich Stille erwarten würde, lärmt es gewaltig. Der Umweltorganisation OceanCare zufolge hat sich der menschgemachte Lärmpegel in den vergangenen 60 Jahren an manchen Orten von Jahrzehnt zu Jahrzehnt verdoppelt.

24 Stunden lang knallen die Luftdruckkanonen

Die größten Lärmverursacher sind Öl- und Gasindustrie, die Schifffahrt und das Militär. Letzteres setzt Tief- und Mittelfrequenzsonare ein, um unter Wasser beispielsweise U-Boote zu orten. Die ausgesendeten Schallwellen haben besonders hohe Energie und erreichen mehr als 230 Dezibel Lautstärke.

Bei der Erdöl- und Erdgasexploration hingegen werden Druckluftkanonen, sogenannte Airguns, verwendet, um Rohstoffvorkommen im Meeresboden zu sondieren. Diese Schallwellen durchdringen die ganze, tausende Kilometer dicke Wassersäule und einige Hundert Meter des Meeresbodens. Um besonders großflächige Informationen zu bekommen, werden viele Airguns gleichzeitig, in hoher Taktung und 24 Stunden am Tag während einer Sondierungskampagne verwendet.

Stille Orte sind auch unter Wasser immer seltener

Auch wenn von der Schifffahrt selbst keine aktiven Schallwellen ausgehen, sind sie im dichten Schiffsverkehr auf den Weltmeeren als konstante Geräuschkulisse in tiefen Frequenzen zu hören. Sicher ist: Unter Wasser stille Orte zu finden, wird zunehmend schwieriger.

Wie weit entfernt ein normaler Tag von der Stille ist, zeigt eine Studie der Meeresforscherin Heather Heenahan von der Duke University in Beaufort, USA. Mit Unterwassermikrofonen zeichnete ihr Team in vier hawaiianischen Buchten den Lärmpegel auf und verglich den „Alltag“ mit einer Ausnahmesituation im März 2011, als nach einem Tsunami jegliche Aktivität in den Buchten stoppte. Der lauteste Teil dieses Tages war in den Buchten immer noch 16 Mal leiser als ein normaler Tag.

Die Studie zeigt, wie viel Lärm der Mensch unter Wasser verursacht. Im Fokus der Forscher standen unter anderem Freizeitaktivitäten, etwa die bei Touristen beliebten Delfintouren. Genau diese aber stören die ansässigen Spinnerdelfine bei ihrem Tagschlaf, den sie benötigen, um in der Nacht Nahrung zu jagen.

Vor allem Delfine leiden unter dem Lärm

Generell sind die Meeressäuger die prominentesten Opfer des Unterwasserlärms, denn sie sind für die Orientierung, Kommunikation, Beutefang und Paarung auf ihr Gehör angewiesen. Vom Menschen verursachte Schallwellen führen nicht nur zur Orientierungslosigkeit, Panik und Strandung von Walen und Delfinen, sie können auch innere Verletzungen wie Gefäßschäden in den Organen verursachen. Auch wenn die Tiere in Panik zu schnell auftauchen, erliegen sie der „Taucherkrankheit“, bei der sich Stickstoffbläschen im Blut bilden und die nicht selten zum Tod führt. Immer mehr Studien zeigen aber auch, dass andere Meeresbewohner wie Fische, Krustentiere, Muscheln und Seesterne unter der Dauerbeschallung ihr Verhalten ändern – zu ihren Ungunsten.

Naturschutzorganisationen wie OceanCare und Greenpeace setzen sich für eine Reduzierung des Unterwasserlärms ein und konnten im vergangenen Jahr bewirken, dass in einem Teilbereich des Mittelmeers, nördlich der Balearen, kaum noch Erdölsondierungen stattfinden. Außerdem erreichten sie, dass ein Wanderkorridor für Wale als Schutzzone etabliert wird.

Mehrere zwischenstaatliche Gremien haben in den letzten Jahren zumindest anerkannt, dass Unterwasserlärm eine große Gefahr für das marine Leben darstellt und haben teilweise auch Resolutionen verabschiedet, um Gegenmaßnahmen einzuleiten. Auch die EU hat entsprechende Richtlinien verfasst. Letztendlich liegt die Verantwortung dennoch bei jedem Staat selbst. Neben politischen Maßnahmen können Innovationen zu Erfolgen führen: Beim Bau eines Offshore-Windparks in der Nordsee wurde eine Technologie verwendet, die den durch die Baustelle verursachten Lärm im Wasser dämpft. Die dort ansässigen Schweinswale wurden zwar dennoch temporär aus ihrem Lebensraum vertrieben, aber in einem viel kleineren Radius.

Claudia Vallentin

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