zum Hauptinhalt

Kornkammern zunehmend im Klimastress: Erträge wichtiger Nahrungspflanzen sinken im Klimawandel

Landwirtschaft weltweit muss sich an den Klimawandel anpassen, um Erträge zu sichern. Klimamodelle zeigen, dass weniger Zeit bleibt als angenommen.

Durch den Klimawandel könnten Erträge von Mais, Reis und Soja bereits in den nächsten 20 Jahren abnehmen. Die Ergebnisse eines internationalen Modellvergleichs zeigen, wie sich die Ernteerträge bei fortschreitender Erwärmung entwickeln könnten.

Ähnliche Prognosen gab es bereits, die neue aber ist mit deutlich weniger Unsicherheiten behaftet – und pessimistischer . Ein internationales Forschungsteam beschreibt im Fachmagazin „Nature Food“ diese Ergebnisse. Die Erwartungen weisen jedoch nicht für alle Nutzpflanzen in die gleiche Richtung.

[Wenn Sie aktuelle Nachrichten aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können]

Bessere Klimaprojektionen und Pflanzenmodelle

Hauptbefund des Modellvergleichs ist, dass die Klimaauswirkungen durchweg früher eintreten. Die Forscher:innen erwarten vor dem Jahr 2040 Veränderungen für mehrere wichtige Erzeugerregionen. „Die großen Kornkammern werden früher als bisher angenommen mit deutlichen anthropogenen Klimarisiken konfrontiert sein“, schreiben sie.

Die mittlere Maisproduktivität könnte bis zum Ende des Jahrhunderts statt leicht zuzunehmen um sechs bis 24 Prozent abnehmen, je nachdem welche klimatische Erwärmung zugrunde gelegt wird. Die Erträge könnten gegenüber den Erwartungen schon ab dem Jahr 2032 sinken. „Für temperierte Klimazonen, 81 Prozent Anteil an der Gesamtproduktion, errechnet sich dieser Termin ab 2037“, sagte Klaus-Peter Götz von der Humboldt-Universität zu Berlin dem Science Media Center Deutschland (SMC). Diese „worst case“-Information sei aus seiner Sicht neu.

Auch Sojabohnen und Reis reagieren negativer auf den Klimawandel als in bisherigen Projektionen. Die neuen Ergebnisse kommen durch wärmere Klimaprojektionen zustande und durch Verbesserungen der Modelle, die abbilden, wie Pflanzen auf die Erwärmung reagieren.

Im Gegensatz zu Mais verzeichnet Weizen stärkere Zuwächse um bis zu 18 Prozent. Dies beruht auf der Düngewirkung des Kohlendioxids in der Luft und größeren Zuwächsen in hohen Breitengraden, wo Landwirtschaft erst möglich oder ertragreicher wird. Die Weizenernten nehmen nach den Projektionen jedoch bis zur Mitte des Jahrhunderts immer weniger zu und der Zuwachs könnte danach wieder verloren gehen.

Düngeeffekt schwer einzuschätzen

Für den Modellvergleich wertete das Forschungsteam Modellergebnisse zu Erträgen von Mais, Weizen, Sojabohnen und Reis aus. Die neuen Projektionen für das einundzwanzigste Jahrhundert beruhen auf Berechnungen mit mehreren Erntemodellen und Klimamodellen der neuesten Generation. Vor allem durch die verbesserte Klimamodellierung konnten bislang bestehende Unsicherheiten zu Ernteerträgen erheblich verringert werden.

Der Klimawandel beeinflusst die globale Landwirtschaft bereits jetzt durch höhere Extrem- und Durchschnittstemperaturen, veränderte Regenmengen und Niederschlagsmuster, häufigere und intensivere Dürre- und Trockenheitsphasen und die höhere Kohlendioxid-Konzentration in der Atmosphäre. Der Düngeeffekt des Kohlendioxids hängt auch davon ab, wie effektiv Pflanzen das Gas aus der Luft aufnehmen können. Stärkeres Wachstum kann sich nur ergeben, wenn die Versorgung mit Wasser und Nährstoffen gewährleistet ist.

Stefan Siebert von der Universität Göttingen verweist auf Studien, die zeigen, dass die Qualität der Ernteprodukte bei höheren Kohlendioxid-Gehalten der Atmosphäre stark beeinträchtigt werden kann, „etwa geringerer Proteingehalt, geringerer Vitamingehalt, weniger Mikronährstoffe wie Zink oder Eisen“.

Anpassung gegen Versorgungsengpässe

Die beschleunigte Erderwärmung konfrontiert landwirtschaftlichen Akteure mit weiteren potentiell negativen Effekten auf die Produktion. „Dies hat Konsequenzen für die Planung von Anpassungsmaßnahmen“, sagte Reimund Rötter, von der Georg-August-Universität Göttingen dem SMC. Dabei geht es unter anderem darum, klimaresiliente Sorten bereitzustellen.

„Der Zeitraum für mögliche Anpassungen wird kürzer“, sagte Matin Qaim von der Universität Bonn dem SMC. „Ohne deutliche Veränderungen kann es regional sehr leicht zu Versorgungsengpässen und Hungersnöten kommen.“ Den Klimawandel „so gut es geht noch aufzuhalten“, müsse Top-Priorität bleiben. Gleichzeitig sollten aber auch Anpassungsstrategien für die Landwirtschaft entwickelt und umgesetzt werden.

„Das bedeutet vor allem, vielfältigere Produktionssysteme, auch unter Berücksichtigung neuer beziehungsweise bisher vernachlässigter Kulturarten“, sagt Qaim. Mais erscheint aufgrund der relativ hohen Erträge schwer ersetzbar, sagt Götz. „Sorghumhirsen oder Panicum sind jedoch gegenüber suboptimalen Umweltbedingungen toleranter.“ Sorgumhirsen könnten nach kritischen Phasen mit Wachstumspausen ihre Entwicklungsprozesse reaktivieren.

Laut Qaim sollten auch neue Züchtungsmethoden, etwa mithilfe der Genschere eingesetzt werden, um Pflanzen gezielt und schnell widerstandsfähiger gegen Hitze, Dürre und anderen Klimastress zu machen. „Hier sollten wir weit verbreitete Vorurteile zügig überwinden, denn diese Technologien bieten großes Potential, zur Nachhaltigkeit und Resilienz in der Landwirtschaft beizutragen“, sagt der Direktor am Zentrum für Entwicklungsforschung der Uni Bonn.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false