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Datensammlung unter Wasser: Die Leitautorin Julia Baum untersucht die Lebensgemeinschaft eines Korallenriffs im Kiritimati-Atoll im Pazifik.

© Baum Lab

Korallenriffe im Klimawandel: Verlierer und Gewinner bei Hitzewellen

Hitzewellen lassen ganze Korallenriffe absterben. Doch einige Arten von Korallen erweisen sich an Standorten, von denen man es nicht vermuten würde, als widerstandsfähiger.

Der Klimawandel verursacht auch den Weltmeeren ausgeprägte Hitzewellen. Deren Auswirkungen auf Korallenriffe hat ein Team um Julia Baum von der kanadischen University of Victoria untersucht. Die Gruppe analysierte die Situation der Korallen am riesigen Kiritimati-Atoll im zentralen Pazifik.

„Diese Studie nutzt eine seltene Möglichkeit und beobachtet unterschiedlich stark geschädigte Riffe vor, während und nach einer außergewöhnlich langen Hitzewelle“, erklärt Sonia Bejarano vom Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung (ZMT) in Bremen. Die Meeresökologin erforscht ebenfalls Korallenriffe und Möglichkeiten für deren Schutz, war an der jetzt in der Zeitschrift „Science Advances“ veröffentlichten Studie aber nicht beteiligt.

Zusammenleben im Temperaturfenster

Die kanadische Gruppe untersuchte die Auswirkungen der Hitze auf einzelne Korallenstöcke und auf die Lebensgemeinschaft ganzer Riffe, die von Steinkorallen aus Kalk gebildet werden. Die Polypen vieler Steinkorallen-Arten enthalten Algen, mit denen sie in Symbiose leben. Die Algen produzieren mit Sonnenlicht, Wasser und Kohlendioxid Nährstoffe wie zum Beispiel Zucker und genießen den Schutz des Kalkskeletts der Korallen.

Die fruchtbare Teamarbeit funktioniert aber nur in bestimmten Temperatur-Bereichen. Wird es bei Hitzewellen im Meer zu warm, produzieren die Algen giftige Sauerstoff-Radikale und werden abgestoßen. Die Korallen bleichen aus und viele von ihnen sterben nach einiger Zeit ab, weil sie nicht mehr ausreichend mit Nährstoffen versorgt werden.

Verarmte Ökosysteme

Wie zusätzlichen lokale Einflüsse wie Überfischung und Wasserverschmutzung auf die Korallenbleichen wirken, wurde bisher wenig und das mit sehr unterschiedlichen Ergebnissen untersucht. Julia Baum und ihr Team berichten jetzt von einem eindeutigen und überraschenden Ergebnis: Sind die Riffe bereits von solchen lokalen Aktivitäten gestresst, überstehen sie massive Hitzewellen wie in den Jahren 2015 und 2016 besser als die nicht direkt von menschlichen Aktivitäten beeinträchtigten Korallen.

„Das ist aber keineswegs eine gute Nachricht“, erklärt ZMT-Forscherin Sonia Bejarano. „Schließlich standen diese Ökosysteme schon vorher unter Druck und sehr empfindliche Arten waren bereits vor der Hitzewelle verschwunden.“ Die Erwärmung trifft also auf ein bereits verarmtes Riff, in dem die Verluste dann geringer ausfallen als in einer unbeeinflussten Region mit hoher Vielfalt, in der mehr empfindliche Arten verschwinden. „Hat ein Riff durch lokale menschliche Einflüsse bereits einen Teil seiner Vielfalt eingebüßt, hat es weniger zu verlieren“, fasst Sonia Bejarano zusammen.

Ein von menschlichen Aktivitäten kaum geschädigtes Riff vor (links) Hitzewellen im Mai 2015 und danach im Juni 2018

© Danielle Claar (links); Kevin Bruce (rechts)

Ein weiteres zentrales Ergebnis der Gruppe um Baum bestätigt diese Überlegung: Betrachtet das Team nicht das Ökosystem Riff, sondern einzelne Korallenstöcke, überleben diese Hitzewellen in den von Menschen unbeeinflussten Regionen deutlich besser als ihre Artgenossen, die bereits von trübem Wasser oder Überfischung beeinträchtigt werden.

Problematischer Algenwuchs

Allerdings sind nicht alle Korallen-Arten gleich stark von Hitzewellen betroffen. Bleichen zum Beispiel 80 Prozent aus, müssen nicht zwangsläufig einige Monate später auch 80 Prozent der Korallen abgestorben sein. Einige Arten werden mit dem Hitzestress besser fertig als andere, beobachtete das Team. Diese können dann andere Algen aufnehmen, die mit wärmerem Wasser besser zurechtkommen und so die Riffe am Leben erhalten. Es gibt unter den Korallen also Gewinner und Verlierer im Klimawandel.

„Dauerhafter lokaler Stress für Riffe wie zum Beispiel Wasserverschmutzung und Übernutzung sollten daher so weit wie möglich verringert werden“, erklärt Bejarano. „Dann bleiben nach einer Hitzewelle vielleicht mehr Korallen übrig.“

Bleibt so die komplexe Struktur eines Riffs besser erhalten, können dort auch mehr Fische leben und sich vor Feinden verstecken. Das wiederum hilft gegen eine fatale Entwicklung: Nach einer Korallenbleiche überwuchern oft Algen die Riffe und verringern so deren Überlebenschancen weiter. In einem intakten Riff weiden dagegen verschiedene Fischarten Algen ab, sodass Korallen nachwachsen können.

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