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Ein Totenschädel aus der Sammlung der Charité

© dpa

Koloniales Erbe in Namibia: Charité gibt Herero-Gebeine zurück

Die Charité gibt nach 2011 erneut namibische Gebeine aus ihrem Medizinhistorischen Museum zurück - 110 Jahre nach dem blutigen Vernichtungsfeldzug der Deutschen in der ehemaligen Kolonie „Deutsch-Südwestafrika“. Den Nachfahren der gepeinigten Herero und Nama ist das zu wenig.

Nach knapp 110 Jahren gab die Berliner Charité die sterblichen Überreste von 21 Opfern des deutschen Genozids an den Herero und Nama zurück. Der namibische Kultusminister Jerry Ekandjo empfing die Gebeine, die bislang im Medizinhistorischen Museum der Charité lagerten. Bereits am Dienstag hatte er 14 Schädel aus der historischen Sammlung der Universität Freiburg angenommen.

Dem Zentralrat der Afrikanischen Gemeinde in Deutschland ist das zu wenig. Mit anderen Organisationen hat er das Bündnis „Völkermord verjährt nicht“ gegründet und fordert eine offizielle Entschuldigung der Bundesregierung für die Kolonialverbrechen. Doch die blieb bei der Veranstaltung in der Charité aus, denn die Übergabe der Gebeine war nicht als öffentliche Veranstaltung geplant. „Eine Farce“, sagt der in Berlin lebende Herero Israel Kaunatjike. Die Bundesregierung habe weder die Nachfahren der Genozidopfer noch die Öffentlichkeit in die Charité eingeladen, „aus Angst vor Protesten und Reparationsforderungen“. Kaunatjike stand daher zunächst nur mit Wirken des namibischen Botschafters auf der Gästeliste. Kurzfristig erlaubte die Charité dann auch allen anderen NGO-Teilnehmern eine Teilnahme.

2011 hatte die Charité erstmals 20 Schädel einer namibischen Delegation übergeben. Bei der Veranstaltung kam es zum Eklat: Die damalige Staatssekretärin Cornelia Pieper (FDP) nahm als Gast an der Übergabe teil. Eine Entschuldigung gegenüber den anwesenden Namibiern sprach sie jedoch nicht aus. Pieper wurde daraufhin ausgebuht – daher wurde wohl die gestrige Übergabe klein gehalten.

Charité-Chef Einhäupl entschuldigte sich im Namen der Wissenschaft

Die Gebeine der Herero kamen einst unter fragwürdigen Wegen nach Deutschland. Namibia war als „Deutsch-Südwestafrika“ von 1884 bis 1915 Kolonie auf dem schwarzen Kontinent. 1904 erklärte die Bevölkerung den Aufstand, der deutsche General Lothar von Trotha antwortete mit einem Vernichtungsfeldzug. Zehntausende Herero und Nama wurden in die Wüste getrieben, in Konzentrationslager gebracht oder zur Zwangsarbeit verpflichtet. Nach vier Jahren hatten die Deutschen bis zu 85 000 Herero und knapp 10 000 Nama getötet. Historiker bewerten die Ereignisse heute als ersten Genozid des 20. Jahrhunderts.

Viele Gebeine wurden im Anschluss nach Deutschland verschifft, um sogenannten rassenanatomischen Untersuchungen unterzogen zu werden. Noch heute lagern in deutschen Museen vermutlich rund 3000 Knochen, und bleiben Zeugnis der kolonialen Geschichte.

Bei der Übergabe der Gebeine mahnte Charité-Chef Karl Max Einhäupl, „dass hier im Namen der Wissenschaft die Gebote der Menschenwürde verletzt wurden“ und entschuldigte sich persönlich für diese Fehler. Vertreter der Bundesregierung waren nicht anwesend. Ein Sprecher des Auswärtigen Amt betonte gegenüber der Nachrichtenagentur dpa, die Bundesregierung komme ihrer Verantwortung durch eine verstärkte bilaterale Zusammenarbeit nach.

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