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Gräber auf dem Friedhof der antiken Stadt Meroe. Die Bauten der Hauptstadt des legendären Königreichs Kusch datieren aus der Zeit von 300 vor bis 350 nach Christus. Zum Teil sind die unterirdischen Grabkammern schon erschlossen.

© QMPS / Pawel Wolf

Königsstadt von Meroe: Sudans vergessene Pyramiden

Die Pyramiden der Königsstadt von Meroe im Sudan gehören zu den wichtigsten archäologischen Stätten Afrikas. Jetzt werden sie restauriert - auf die Initiative Katars, das sich als Kulturnation profilieren will.

Was für ein Anblick! Wie Bauklötze stehen die Pyramiden auf einer leichten Anhöhe, umgeben von sanften Sanddünen. Der verfluchte Sand. Er schmirgelt bei starkem Wind die Fassaden der Gräber auf dem Friedhof der antiken Stadt Meroe, der Hauptstadt des legendären Königreichs Kusch, aus der Zeit von 300 vor bis 350 nach Christus. Mit den ägyptischen Pyramiden sind die maximal 30 Meter hohen Bauwerke nicht zu vergleichen. Manche wirken wie abgeschnitten. Aber ihre Konzentration auf relativ engem Raum ist beeindruckend.

Die zum Teil restaurierten Eingänge der Pyramiden von Meroe sind nach Osten ausgerichtet, eine beeindruckende Ansammlung von Grabbauten mit unterirdischen Grabkammern, deren Pyramiden im abendlichen Streiflicht lange Schatten werfen. Die Königsstadt Meroe ist die bedeutendste touristische Attraktion des Sudan, aber nicht alle Pyramiden sind in einem guten Zustand. Seit den sechziger Jahren setzen Umwelteinflüsse und ein unkontrollierter Tourismus den Bauten zu.

Katar will sich weltweit als Kulturnation profilieren

Aus eigener Kraft kann ein so armes Land wie Sudan das nicht stemmen. Deutsche Archäologen sind zwar schon lange in Sudan aktiv, aber mit überraschender Hilfe aus Katar können nun Projekte vertieft, neue Projekte aufgelegt und wissenschaftliche Publikationen veröffentlicht werden. Katar verfolgt seit Längerem das Ziel, sich als Kultur- und Wissenschaftsnation angesichts sinkender Öl- und Gaseinnahmen weltweit zu profilieren. Dem dient auch das kürzlich eröffnete Arabische Kulturhaus „Diwan“ in der Villa Calé in Grunewald.

Zur Rettung der Pyramiden von Meroe lancierte Qatar Museums 2014 im Rahmen des Qatar-Sudan Archaeological Project (QSAP) ein Programm unter dem Namen „Qatari Mission for the Pyramids of Sudan“ (QMPS) in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Archäologischen Institut (DAI) und der sudanesischen Antikenverwaltung (NCAM), um die berühmten Monumente zu erforschen, zu schützen und einer geregelten touristischen Nutzung zuzuführen.

Das Deutsche Archäologische Institut (DAI) hat seit den 1990er Jahren in Sudan die Arbeit von Friedrich Wilhelm Hinkel (1925-2007), dem führenden Sudanforscher schon zu Zeiten der DDR, unterstützt. Durch die Förderung von Seiten Katars war es dem DAI möglich, das Archiv seit 2014 zu digitalisieren. Es gilt als das größte Sudan-Archiv weltweit und befindet sich im DAI. Allerdings würde man heute nicht mehr derartige Rekonstruktionen wie an den Grabeingängen vornehmen.

50 Pyramiden sind in Meroe erhalten

Hunderte von Pyramiden stehen auf dem Friedhof von Meroe aus der Zeit von 300 vor bis 350 n.Chr. „50 Pyramiden davon sind erhalten, ihr Zustand ist nicht immer der beste“, berichtete Pawel Wolf vom DAI unlängst bei der Vorstellung des QSAP im „Diwan“.

Durch eine Mauer und das Pflanzen von Bäumen vor der Stätte werden nun die wertvollen Bauten vor dem Wind geschützt, der die Fassaden durch den aufgewirbelten Sand abschmirgelt. 2015 hat man eine schon einmal ausgegrabene Pyramide erneut geöffnet und dabei zwei Grabkammern freigelegt, die mit Wandmalereien versehen sind. Dieser Fund war nach der Entdeckung vor 100 Jahren in Vergessenheit geraten.

Warum engagiert sich Katar im Sudan? Als eine Delegation aus Katar 2009 zur Unesco nach Paris reiste, um die Aufnahme der archäologischen Stätte von Al Zubarah in die Liste des Weltkulturerbes zu beantragen, feierte man in Paris gerade den 50. Jahrestag der Rettung der nubischen Altertümer wie etwa des Tempels von Abu Simbel in Ägypten, den man mit internationaler Hilfe durch die Unesco in höhere Lagen verlegt hatte. Durch den 1959 von Ägyptens Staatschef Gamal Abdel Nasser verkündeten Bau des Assuan-Staudamms wären viele Altertümer Ägyptens und Sudans in den Fluten des Nils versunken.

Eigentlich wollte Katar den Jemen unterstützen

Dieses spektakuläre Projekt galt als erste internationale Kooperation zur Rettung ausländischer Kulturgüter. Unter dem Eindruck dieser Feierlichkeiten zur Rettung der Denkmäler Sudans entschlossen sich Qatar und Sudan 2012, das Qatar-Sudan Archaeological Project (QSAP) zu unterzeichnen. Das QSAP wird in Sudan als NGO unter dem Namen Nubian Archaeological Development Organisation (NADO) geführt. Ausgestattet ist es mit 135 Millionen US-Dollar und damit seit der Nubienkampagne von 1959 das größte Projekt zur Kulturgüter-Rettung.

Ursprünglich hatte die katarische Antikenverwaltung geplant, den Kulturgutschutz in Jemen zu unterstützen, der es ebenfalls bitter nötig gehabt hätte. Doch die politische Entwicklung durchkreuzte diese Pläne und so fiel die Wahl auf Sudan. Es ist eine bittere Ironie der Geschichte, dass Katar bis 2017 die von Saudi-Arabien geführte Koalition gegen die Huthis in Jemen unterstützte, bei deren Bombardements den jemenitischen Kulturgütern schwerer Schaden zugefügt wurde.

Das schmälert nicht den Einsatz für den Kulturerhalt im Sudan. 42 Missionen sind unter diesem Dach der NADO zusammengefasst, die Hälfte der Projekte ist sudanesisch, elf werden von Deutschen geleitet. Insgesamt sind 25 internationale Institutionen aus zwölf Ländern an den Projekten zum Kulturerhalt beteiligt. Wer mitwirken wollte, musste einen Plan für die archäologischen Stätten vorlegen, denn sie sollen auch dem Ausbau eines hochwertigen Tourismus und der Bildung dienen. 20 Besucherzentren sind entstanden oder werden noch gebaut. Unterstützt wird auch die Renovierung und Modernisierung von bereits bestehenden Museen. So gibt es in Meroe jetzt ein Touristendorf mit einfachen Zimmern und ein Besucherzentrum. Ein weiteres wichtiges Ziel der Mission sei es, kleineren Universitäten zu helfen, eine eigene archäologische Forschung aufzubauen und Fachkräfte auszubilden, berichtete Thomas Leisten, Direktor der Stätten für internationales Kulturerbe der Museen Katars. Zudem sollen die archäologischen Stätten gegen den Sand, gegen Raubgrabungen und die landwirtschaftliche Expansion gesichert werden.

Auch Bildung und Regionalplanung werden gefördert

QSAP produziert auch Broschüren für Touristen und Touristenführer in verschiedenen Sprachen – und demnächst Unterrichtsmaterialien für Schulen. Denn wenn die Kinder verstehen, was in ihrer Nachbarschaft passiert und sie vom Kulturtourismus profitieren, werden sie ihre Kulturgüter besser schützen, sagt Leisten. Die Besucherzentren könnten im Sudan auch als neutrale Orte für die Schlichtung örtlicher Streitigkeiten dienen. Damit fördert das QSAP nicht nur den Kulturerhalt in Sudan, sondern ebenso Bildung und Regionalplanung.

Die Königlichen Bäder von Meroe waren das erste Projekt, das das DAI seit 1999 in Kooperation mit der sudanesischen Antikenverwaltung durchführt. Die Wasseranlage befindet sich in direkter Nachbarschaft zu den Königspalästen. Für den bestmöglichen Schutz sowie eine bessere Erlebbarkeit der Antiken hat das Büro Kéré Architecture aus Berlin einen neuen Schutzbau entworfen. Er soll mit lokal verfügbaren Materialien und Ressourcen gebaut werden sowie mit seiner natürlichen Belüftung und Belichtung leicht zu pflegen sein.

Wie haben die Menschen gelebt, die die Pyramiden gebaut haben? In dem Hamadab Projekt, das ebenfalls das DAI mit der Shendi University im Sudan durchführt, soll das Leben in einer ganz normalen Siedlung erforscht werden. Es konnten bisher Eisenproduktion, Keramik, Glas, Fayence und Textil nachgewiesen werden, erzählt Pawel Wolf vom DAI. Mit einem von QSAP bezahlten Survey habe man im Umkreis von 60 Quadratkilometern 150 neue archäologische Stätten entdeckt - Arbeit für künftige sudanesische Archäologen.

Die Kultur des Sudan ist 5000 Jahre älter als die Ägyptens

Auch die Berliner Humboldt Universität nimmt an dem Großprojekt QSAP teil. Seit 1960 waren Forscher der Universität damit beschäftigt, die Monumente von Musawwarat al-Sufra zu erforschen. Jetzt geht es vornehmlich um die Konservierung dieser einzigartigen Bauwerke.

Für Dietrich Wildung, den Erforscher von Naga östlich von Khartum und ehemaligen Direktor des Ägyptischen Museums Berlin, steht fest, dass die Kultur des Sudans 5000 Jahre älter ist als die Ägyptens. Für ihn ist Naga, die südlichste archäologische Stätte des Sudan, das „Tor zum Norden“. Hier mischten sich die Kulturen, hier sind hellenistische, ägyptische und nubische Elemente an den Bauwerken mit ihren unterschiedlichen Einflüssen zu definieren. Wildung wünscht sich, dass das von David Chipperfield entworfene Museum für Naga, endlich gebaut wird. Es könnte ein Ort der nationalen Identität werden könnte, sagt Wildung. Allerdings warnte er davor, das Projekt zu touristisch anzugehen, denn der Vorteil von Naga sei es, eine Ruinenstätte in nahezu unveränderter Landschaft zu präsentieren.

Von der Unversehrtheit der Anlagen und ihrer vorsichtigen Erschließung können die Bewohner der Umgebung profitieren, wie überall dort, wo das QSAP aktiv ist. Katar investiert in Bildung und Kultur, da es sich der Tatsache bewusst ist, dass die Öl- und Gasreserven endlich sind und nur eine gebildete Bevölkerung den Anforderungen einer diversifizierten Wirtschaft gewachsen ist. Durch internationale Kooperationen entwickeln sich Dialog und Wissenstransfer, was der Entwicklung des Landes nur dienen kann.

Kultur kann Grenzen überwinden, das zeigte sich schon 1960 in Paris. „Am 8. März 1960 sind alle Nationen – zu einem Zeitpunkt, an dem viele von ihnen in einen geheimen oder erklärten Krieg verwickelt sind, zum ersten Mal alle gemeinsam aufgerufen, die Kunstwerke einer Zivilisation zu retten, der keiner von ihnen angehört.“ Dies sagte der französische Schriftsteller und damalige Kulturminister Frankreichs, André Malraux (1901-1976), in seiner Rede an die Unesco zur Lancierung der Nubienkampagne. Zum ersten Mal habe die Menschheit „eine universale Sprache der Kunst entdeckt“. Malraux Gedanke gilt heute mehr denn je.

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