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© dpa

Wissen: Klimawandel in Sekunden

Hamburger Superrechner soll Forschern genauere Aussagen ermöglichen.

Eine schwere Tür öffnet sich – und schon kann man das eigene Wort nicht mehr verstehen. Im Lärm der Belüftungsanlagen denken schwarze Rechnerschränke vor sich hin. Sie sind akkurat in vier Reihen aufgestellt, ein Blechkorpus neben dem anderen. Durch die Gitter blinken blaue Leuchtdioden. „Das ist ,Blizzard’, unser neuer Rechner. Er ist etwa 60-mal schneller als sein Vorgänger.“ Michael Böttinger vom Deutschen Klimarechenzentrum in Hamburg kann im Schlaf aufsagen, was in dem Hochleistungsrechner steckt: 8448 Prozessorkerne, rund 20 000 Gigabyte Arbeitsspeicher, 50 Kilometer Kabel und 60 000 Magnetbandkassetten für die Datenarchivierung. Damit belegt Blizzard, der Mitte Dezember offiziell in Betrieb ging, Rang 33 unter den weltweit leistungsstärksten Rechnern.

Mit seiner Hilfe können Klimaberechnungen noch präziser erfolgen, weil das Gitternetzsystem, mit dem die Forscher den Globus umspannen, so engmaschig ist wie nie zuvor. Bisher hatten die Gitterpunkte noch 180 Kilometer auseinandergelegen. Für den kommenden UN-Klimabericht, an dem auch wieder die Hamburger Wissenschaftler mitarbeiten, wird der Abstand auf weniger als 100 Kilometer halbiert. „Wir können damit aber noch immer keine kleinräumigen Phänomene abbilden“, sagt der Forscher. „Was zum Beispiel im Zentrum eines Hurrikans passiert, bleibt uns verborgen.“

Böttinger kümmert sich um die Visualisierung der Vorhersagen. Per Mausklick setzt er den Klimawandel in Gang. 2030, 2040, 2050 – ein Zeitrafferfilm lässt das Jahrhundert in zehn Sekunden über den Bildschirm rasen. Zuerst schlägt der Klimawandel auf der Nordhalbkugel zu. Dort breiten sich wabernde dunkelrote Farbkleckse rasch aus, während sich die Erderwärmung südlich des Äquators etwas mehr Zeit lässt. „Der Süden ist durch die großen Wasserflächen der Ozeane und das Eis der Antarktis klar im Vorteil, denn diese Gebiete können viel Wärme aufnehmen“, erläutert Böttinger. „Auf der Nordhalbkugel könnten wir dagegen eine Temperaturerhöhung von vier bis fünf Grad bekommen. Das kann man vergleichen mit dem Wechsel von der letzten Eiszeit zur Gegenwart.“

Das Klimarechenzentrum erstellt aber nicht nur Computersimulationen, sondern widmet sich auch einem weiteren Forschungsschwerpunkt, der Energieeffizienz von Großrechnern. Böttinger: „Blizzard verbraucht mehr Strom als der Weihnachtsmarkt am Jungfernstieg.“ Daran müsse sich etwas ändern, auch wenn der Rechner mit Ökostrom läuft. „Schließlich wollen wir den Klimawandel erforschen und nicht beschleunigen.“

Ein Haus weiter, im Zentrum für Marine und Atmosphärische Wissenschaften, sitzt Marco Giorgetta vor rätselhaften Skripten, die aus Gleichheitszeichen, Semikolons und undurchschaubaren Kürzeln bestehen. „So stellen wir uns das Erdsystem in vereinfachter Form vor: Ozeanströmungen, Landmassen, Windsysteme, Niederschläge“, erläutert er die Zeichenfolge der Programmierer.

„Wir haben aber noch nicht alles verstanden.“ Zum Beispiel die Vorgänge im Grönlandeis. Vermutlich gibt es Korridore, durch die Schmelzwasser bis aufs Felsbett hinabfließt. Es könnte dort unten wie ein Schmiermittel wirken. Die Eismassen werden dadurch schneller in Richtung Küste transportiert. Als Folge könnte das Abschmelzen des grönländischen Eises rascher voranschreiten und so die Erhöhung des Meeresspiegels forciert werden.

Giorgetta vermutet, dass die Erderwärmung ab dem Jahr 2050 so richtig Fahrt aufnimmt, wenn so weitergewirtschaftet wird wie bisher. Dann besteht die Gefahr, dass es im globalen Kohlenstoffkreislauf zu deutlichen Veränderungen kommt, die die Erwärmung weiter anfachen. Er nennt ein Beispiel: Wenn die Niederschläge im Amazonasgebiet abnehmen, geht es dem Regenwald immer schlechter, bis er irgendwann kaum noch Kohlendioxid aufnimmt. Die Böden indes würden weiterhin Kohlendioxid abgeben. Aus einem CO2-Speicher würde eine CO2-Quelle, die den Treibhauseffekt weiter beschleunigt.

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