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Der Hortfund von Tell Hujayrat al-Ghuzlan (Jordanien). Diese Perlen waren in dem mit einem Tonpfropfen versiegelten Gefäß im Fundament eines über 5000 Jahre alten Hauses deponiert.

© N. Becker / DAI Orientabteilung

Jordanische Grabung: Ein Perlenschatz aus der Kupfersteinzeit

In Jordanien, im untersten Segment einer Grabung, fanden Archäologen einen mehr als 5000 Jahre alten Schatz aus Knochen- und Muschelperlen. Was bedeutete er den Hausbesitzern?

Bis zum untersten Fußboden der Bauten vorzustoßen, das war das Ziel der Archäolog:innen, die in Jordanien vor einigen Jahren eine Siedlung aus der Kupfersteinzeit in Tell Hujayrat al-Ghuzlan untersuchten. Bei einem Haus gelang dies den Forschenden der Orient-Abteilung des Deutschen Archäologischen Instituts (DAI) und des Instituts für Archäologie der University of Jordan (Amman) tatsächlich. „Wir fanden die Fundamentierung mehrerer Räume, darunter war wirklich nichts mehr“, erzählt Jens Notroff vom DAI, der damals als Wissenschaftlicher Mitarbeiter dabei war.

Noch größer war die Freude aber über etwas anderes: In der Ecke eines Raumes fanden Notroff und das Team in einer Nische drei Tongefäße. Eines war zerbrochen, ein großes enthielt Sand, und das dritte kleine kugelrunde Tongefäß war mit einem Tonpfropfen versiegelt. Notroff erinnert sich, wie er das ungewöhnliche Gefäß vorsichtig anhob und es schüttelte. Es rappelte. Was mochte sich darin befinden?

Das runde Gefäß wurde ins Grabungshaus gebracht, gereinigt, fotografiert, beschrieben. Dann entfernten Notroff und seine Kollegen vorsichtig den Tonpfropfen. Ein aufregender Moment, denn das Gefäß stammt aus dem Chalkolithikum, der Kupfersteinzeit im Übergang zur Bronzezeit (3600 vor unserer Zeit). „Wir waren also die ersten, die nach über 5000 Jahren wieder sahen, was die Bewohner damals in diesem Gefäß deponiert hatten“, erzählt der Forscher.

Jens Notroff beim Verpacken des versiegelten Tonkruges in der Grabung 2010. Im Hintergrund sieht man das dritte große Gefäß, das nur mit Sand gefüllt war.

© privat

Das Gefäß enthielt unzählige kleinste Gegenstände, die alle vorsichtig gesäubert wurden. Am Ende entpuppte sich der Inhalt des Kruges als ein Schatz aus Perlen aus Knochen und Muscheln. Unter den Perlen waren Tausende kleinster Perlen, alle durchbohrt und poliert. „Allein diese Perlen zu schneiden und zu polieren, kostete viel Arbeitszeit. Ihre Größe bewegte sich im Millimeterbereich. Andere waren größer, auch länglich geformt“, erzählt Notroff.

Zeichnungen von Tieren schmückten den Fundort

Was es nun genau mit diesem Fund auf sich hat, gibt den Wissenschaftlern bis heute Rätsel auf. Die Art der Perlen sei bekannt gewesen, etwa als Schmuck und Gewandschmuck, aber der Fundort und die Masse sei ohnegleichen. „Ich könnte mir vorstellen, dass es sich hier um eine Art von Gründungsdepot gehandelt hat“, sagt Notroff – also eine Art Glücksbringer, den man mit verbaut. „Die Nische schien für diese Deponierung genau vorbereitet gewesen.“ Die aufwändig produzierte Füllung des Kruges habe einen hohen Wert dargestellt.

 Wir waren die ersten, die nach über 5000 Jahren wieder sahen, was die Bewohner damals in diesem Gefäß deponiert hatten.

Jens Notroff, Archäologe

Dass es ein besonderes Gebäude gewesen sein muss, legt auch der Befund im Nachbarraum nahe. Hier entdeckte man an der Rückwand des Fundortes Tierdarstellungen, die mit den Fingern in den noch feuchten Ton der Wand eingedrückt wurden. Steinböcke und Raubtiere sind als punktierte Lochzeichnungen zu erkennen. In der Verfüllung des Raumes entdeckten die Archäolog:innen zudem zahlreiche Steinbockhörner sowie große Ascheschichten. Es könnte sein, dass der Bau bei einem Brand zerstört wurde.

Schon seit 1985 hatte Lutfi Khalil von der University of Jordan diesen Ort mit dem benachbarten Tell al-Magass ausgegraben, seit 1998 beteiligt sich das DAI an dem dann begründeten Gemeinschaftsprojekt ASEYM, was für „Archaeological Survey and Excavation in the Yitim and Magass Area“ steht. Beide Orte sind frühe „Industriestandorte“ mit beginnender Kupfer- und Schmuckproduktion. Passende Kupferbarren für die Gussformen, die Archäologen hier gefunden hatten, gab es auch im Norden Ägyptens. Dorthin wurden sie vermutlich mit Eseln transportiert, was Knochenfunde nahelegen. Auf dem Rückweg wurden ägyptische Steingefäße nach Jordanien gebracht.

Für die beginnende Bronzezeit ist Tell Hujayrat al-Ghuzlan mit seinem Nachbarort nicht nur ein bedeutender Produktionsort von Kupfer, sondern gleichzeitig ein wichtiger Handelsknotenpunkt in der Nähe des Roten Meeres zwischen der Levante und Ägypten. Das Rätsel des Perlenkruges wartet noch auf eine endgültige Entschlüsselung: An der Orient-Abteilung des DAI wird der Fundplatz gerade weiter ausgewertet.

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