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Wolf-Dieter Heilmeyer in der Antikensammlung im Alten Museum, deren Direktor er von 1992 bis 2004 war. Der liegende Löwen aus Milet stammt von 575 bis 550 vor unserer Zeit und ist eins seiner Lieblingsobjekte.

© Rolf Brockschmidt

Italienische Ehre für Berliner Archäologen: Hingabe zum Detail

Wolf-Dieter Heilmeyers Karriere begann auf der Grabung vom Olympia, später leitete er die Berliner Antikensammlung. Die italienische Wissenschaftsakademie zeichnete ihn jetzt für sein Lebenswerk aus.

Als er den Brief aus Rom vom Präsidenten der Accademia Nazionale dei Lincei per E-Mail erhielt, war Wolf-Dieter Heilmeyer mehr als erstaunt. Die 1603 gegründete italienische Akademie der Wissenschaften, der schon Galileo Galilei angehörte, hatte ihm für sein Lebenswerk den Antonio-Feltrinelli-Preis für Archäologie verliehen.

Der Preis wurde ihm im Beisein von Staatspräsident Sergio Mattarella Ende Juni überreicht. Die Accademia kannte Heilmeyer von Vorträgen, aber „jetzt in der Versammlung von Akademie-Mitgliedern zu stehen und mit ihnen als Preisträger zu sprechen, war natürlich etwas Besonderes“, erzählt er im Alten Museum in der Antikensammlung in Berlin. 

Seit 1950 wird dieser mit 100.000 Euro dotierte höchste Wissenschaftspreis Italiens vergeben, Heilmeyer ist erst der dritte ausländische Archäologe, der ausgezeichnet wurde. „Für uns ist das die höchste Auszeichnung, die man als Archäologe in Europa bekommen kann“, erzählt Heilmeyer nicht ohne Stolz und zeigt seine Medaille mit dem Luchs.

Als junger Forscher bei der Olympia-Grabung

Seit seinem Studium der Klassischen Archäologie – unter anderem an der FU Berlin – hat er immer im Ausland geforscht, zunächst in Italien, später in Griechenland. In Rom hat Heilmeyer sich für die antike Architektur begeistert und bald sein Thema gefunden: korinthische Normalkapitelle, also eine besondere Art, den obersten Teil von Säulen zu dekorieren. „Ich hatte in Rom früh begriffen, dass am Augustusforum andere Blätter an den Kapitellen waren als am Trajansforum gegenüber“. Über die Varianten der Blätter kann man die Werkstatt der Bildhauer und damit die Epoche ermitteln, vor allem, wenn man die Kapitelle an einem Tempel findet, der auch noch eine Inschrift trägt.

Die Medaille der italienischen Akademie der Wissenschaften zeigt einen Luchs. Sie ist der höchste Preis, den Italien im Bereich der Wissenschaft vergibt.

© Rolf Brockschmidt

Emil Kunze, der erste Leiter des Deutschen Archäologischen Instituts in Athen und bekannter Forscher, habe ihm die entscheidenden Tipps gegeben, wo man Kapitelle in Griechenland finden könne. So hat er im Mittelmeerraum über 2000 Kapitelle dokumentiert. „Machen Sie das mal fertig, kommen Sie wieder und werden Sie dann ein richtiger Archäologe“, habe Kunze zu ihm gesagt. Nach seiner Dissertation über die Kapitelle bekam Heilmeyer eine Stelle auf dessen großer Grabung in Olympia, dem griechisch-antiken Heiligtum des Zeus im Nordwesten der Halbinsel Peloponnes.

Heilmeyers Arbeit hierzu wurde 1972 veröffentlicht und rasch zum Standardwerk. Heute könnten die exakten Beschreibungen ein wunderbares Futter für eine Datenbank werden.

In Olympia konzentrierte sich der damalige Nachwuchsforscher auf 2000 kleine Tonfigurinen und 4000 Bronzefiguren, die er als Erster präzise beschrieb. Im Abstand von 30 Jahren, also einer Generation, hat er Veränderungen in Stil und Herstellung festgestellt. Diese Arbeit ermöglichte es ihm, die Geschichte Olympias rückwärts bis 1000 vor unserer Zeit zu rekonstruieren.

Heilmeyer vor dem sogenannten „Betenden Knaben“ aus Rhodos vom Ende des 4. Jahrhunderts vor unserer Zeit. Seit 1830 befindet sich die Skulptur in der Antikensammlung.

© Rolf Brockschmidt

Interessiert an Stil und Herstellung der Objekte

„Seit dieser Zeit hat mich die Technologie der Antike interessiert“, erzählt er. Auf Basis seiner Olympia-Forschungen erhielt Heilmeyer 1977 einen Ruf an die Freie Universität und wurde ein Jahr später auch Direktor des Antikenmuseums in Charlottenburg. „So hatte ich Zugriff auf alle Objekte bis in die Magazine, um über Technologien zu forschen.“ Auch arbeitete er früh mit der Bundesanstalt für Materialprüfung zusammen, um  etwa Wandstärken von Bronzefiguren zu ermitteln.

Neue Forschungsperspektiven eröffnete für ihn zudem der Einsatz des Mikroskops, das er für ein genaues Studium von Objektoberflächen nutzte. Er habe wissen wollen „wie hat sich die Oberfläche im Laufe der Geschichte verändert, was hat das Objekt erlebt hat“, erzählt er.

Die Wiedervereinigung der Berliner Antikensammlungen in Ost und West 1992 unter seiner Leitung war ein weiterer bedeutender Moment seiner Laufbahn. Durch seinen Impuls begann man, Forschungsergebnisse als Sonderausstellungen für das Publikum aufzubereiten. Was ihm damals ein Anliegen war, ist heute vielerorts selbstverständlich: dass Museen auch Forschungseinrichtungen sind.

Wolf-Dieter Heilmeyer denkt auch 20 Jahre nach seiner Emeritierung noch nicht an Ruhestand. Im Moment arbeitet er an einem Artikel über den illegalen Kunsthandel, ein Thema, das ihn schon seit langem umtreibt. Vielleicht ist hierzu ja noch eine Publikation zu erwarten.

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