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Berlin im Bildungsvergleich hinten: „Ich habe von Berlin mehr erwartet“

Die Bildungsforscherin Petra Stanat ist Leiterin der Ländervergleichsstudie "Bildungstrend 2016". Im Interview erklärt sie das schlechte Abschneiden der Berliner Neuntklässler.

Frau Stanat, Berliner Schülerinnen und Schüler bleiben nach wie vor die Kellerkinder der Bildungsnation Deutschland. Warum ist das so?

Kellerkinder? Es gibt doch durchaus auch Positives für Berlin zu berichten! Die Schüler konnten in Englisch ihre Kompetenzen steigern, in Deutsch sind die Leistungen nahezu stabil. Aber angesichts der unterdurchschnittlichen Ergebnisse von 2009 hätte ich mit mehr Bewegung gerechnet.

Haben sich Politik und Schulen in Berlin etwa nicht genug angestrengt?
Berlin ist ja eines der Länder, das die Hauptschulen abgeschafft hat, um benachteiligten Schülern in Sekundar- und Gemeinschaftsschulen bessere Chancen zu geben. Aber womöglich hat man sich mit anderen Strukturfragen wie der Früheinschulung verkämpft, anstatt systematisch an der Verbesserung der Unterrichtsqualität zu arbeiten. Berlin sollte genauer hingucken, was Hamburg macht.

Was macht Hamburg besser?
Das Ziel, die Qualität des Unterrichts weiterzuentwickeln, wird dort konsequent verfolgt. Die auf den Bildungsstandards beruhenden Vergleichsarbeiten wurden ausgeweitet, die Lehrkräfte bekommen regelmäßig Rückmeldungen, wie sich ihre Klasse entwickelt und die Kollegien erhalten Beratung.

Warum tut sich Berlin da so schwer?
Die Einstellung zu diesem Instrument ist oft negativ. Wir müssen immer erklären, dass es nicht um Überwachung geht.

Haben Berliner Schulen ein Problem mit Leistungsanforderungen?
In Berlin, aber auch in Bremen scheint mir Leistungsorientierung oft negativ gesehen, mit Druck, Stress und Angst assoziiert zu werden statt mit Lernfortschritten und Erfolgserlebnissen.

Welche Aufstiegschancen hat Berlin im Ländervergleich? Der ausschlaggebende Migrantenanteil sinkt ja nicht.
Ja, diese Herausforderung für Stadtstaaten besteht. Deshalb halte ich nichts von der Fixierung aufs Ranking: Berlin wird Bayern nie überholen. Aber jedes Land kann sich verbessern, wenn es systematisch an Schwächen arbeitet. Ein Beispiel: In Berlin gibt es viele Ressourcen für die Sprachförderung, aber kein klares Konzept für eine „Berliner Sprachbildung“.

Petra Stanat ist Leiterin der IQB-Studie. Das Gespräch führte Amory Burchard.

Wie der Ländervergleich im Einzelnen ausgefallen ist, lesen Sie hier.

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