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Die Studierenden der Humboldt-Universität, Zora Neumann und Max Manzey, sitzen in der Cafeteria ihrer Uni an einem Tisch.

©  Spiekermann-Klaas

Humboldt-Studierende planen "Bildungsstreik": „Etwas müssen wir tun“

Stellenstreichungen an der Humboldt-Universität, "Armutslöhne" für Dozenten und überfüllte Seminare: Warum die Studierenden Zora Neumann und Max Manzey für das Sommersemester Proteste planen.

Frau Neumann, Herr Manzey, Sie planen einen Bildungsstreik. Was ist der Auslöser?
MANZEY: Ob es ein „Bildungsstreik“ wird, wissen wir noch nicht, aber sollten unsere Forderungen nicht erfüllt werden, könnte es darauf hinauslaufen. An der Humboldt-Universität gibt es dafür zwei aktuelle Anlässe: die beschlossene Fakultätsreform, bei der die demokratische Mitsprache beschnitten werden soll, sowie das Haushaltsloch. Zentral ist für uns aber die strukturelle Unterfinanzierung. An der Humboldt-Uni sind die Hörsäle überfüllt, die Mensa ist für die vielen Studierenden zu klein, in der Uni-Bibliothek fehlen Arbeitsplätze und Schließfächer, und unsere Dozenten aus dem Mittelbau müssen für Armutslöhne arbeiten.

NEUMANN: Auf unserer VV (Vollversammlung, die Redaktion) sind im Januar über 1000 Studierende gewesen. Da wurde auch ein Informationsmangel festgestellt. Herr Olbertz (der Präsident der HU, die Redaktion) versucht, seine Kürzungspläne beim Mittelbau unter Verschluss zu halten. Er weiß, dass wir nicht einverstanden wären. Unser Eindruck ist, dass auch die Angestellten der HU nicht ausreichend informiert werden. Also versuchen wir, Druck über die Öffentlichkeit aufzubauen.

MANZEY: Ja, die Lage an der HU ist intransparent. Aber im Grunde ist das Problem, dass die HU unterfinanziert ist. Die Zuwächse, die im Hochschulvertrag für die nächsten vier Jahre festgelegt sind, müssten doppelt so hoch sein.

Überall herrscht an den Unis Mangel. Manche sagen aber, dass die HU ihren Mangel besonders schlecht verwaltet. Obwohl sie Spielräume durch die Exzellenzmittel haben sollte, muss sie die Notbremse ziehen.

MANZEY: Das mag sein. Für Studierende ist es aber sehr schwierig, da durchzublicken. Die Mittel aus der Exzellenzinitiative fließen jedenfalls nicht in die grundständige Lehre, sondern in bestimmte Bereiche der Forschung. Und wenn die Mittel nach 2017 auslaufen, muss die HU sie aus eigener Tasche aufbringen. Herr Olbertz muss sich beim Berliner Senat für zusätzliche Mittel einsetzen.

Angesichts des Berliner Haushaltslochs galten die jetzigen finanziellen Zuwächse als großer Erfolg. Ist es realistisch, dass das Parlament noch mal was drauflegt?

NEUMANN: Die Lage an der HU ist katastrophal! Ich habe mich bewusst für ein Studium an der HU entschieden, weil ich dachte, es ist eine gute Uni. Nun bin ich in Seminaren mit 40 oder 50 Leuten, in denen eigentlich nur 20 sein sollten. Die Dozenten müssen eine One-man-Show machen, ein Gespräch ist gar nicht möglich. In Vorlesungen müssen viele auf dem Boden sitzen. Einen Pflichtkurs konnte ich nicht belegen, weil er schon überfüllt war. Dafür bin ich nicht an die HU gekommen.

MANZEY: Wir wollen natürlich, dass viele studieren. Aber das muss ausfinanziert sein. Bei mir im Master ist es nicht überfüllt, es sind ja auch nur 30 Studierende zugelassen worden. Aber wenn mal einer der seltenen gesellschaftskritischen Kurse angeboten wird, sitzt man auch gleich auf der Treppe. Um die Unterfinanzierung zu stoppen, müssten die Mittel des Landes mit der HU neu verhandelt werden. Diesmal würden wir die Verhandlung mit lautstarkem Protest unterstützen. Auch in anderen Bundesländern, zum Beispiel in Sachsen-Anhalt, haben Proteste Erfolg gehabt.Es hängt davon ab, ob wir genug Druck auf die Landesregierung ausüben können.

Die Studienbedingungen interessieren alle. Aber die Fakultätsreform?

MANZEY: Die Blockade der Kuratoriumssitzung im Dezember ging ja von den Fachschaftsinitiativen der Institute aus. Das zeigt, dass ein relevanter Teil der Studierenden hinter den Protesten steht.

NEUMANN: Bisher haben wir kein überzeugendes Argument für die Umsetzung der Reform gehört.

Offenbar hat jede Studierendengeneration ihren Bildungsstreik. 1988/89 wurde protestiert, dann 1997/1998, weiter 2003/2004 und dann im Jahr 2009. Können Sie sich an diesen letzten Protest erinnern?

MANZEY: Ja, ich war selbst dabei.

Was hat sich danach getan?

MANZEY: Bei diesem Protest waren die Ziele diffuser als jetzt. Vor allem ging es um den Leistungsdruck im Bachelor und um den Master für alle. Den Master für alle haben wir nicht erreicht. Aber zumindest die HU hat alle Bachelorprogramme überprüft und die Anwesenheitskontrollen abgeschafft. Kritische Professoren haben gesagt, dass sich endlich mal jemand gegen die neoliberale Uni gewehrt hat und es in dieser Zeit möglich war, Reformen jenseits des Bologna-Mainstreams durchzusetzen. Jetzt geht es aber auch besonders um die Mitarbeiter in der Lehre und der Verwaltung. Für uns sind schlechte Studienbedingungen blöd, aber sie fürchten um ihre Existenz. Ich hoffe, dass wir ein Bündnis mit Verdi und der GEW eingehen können.

Soll Ihr Bildungsprotest sich auch bundesweit ausbreiten?

MANZEY: Das wird sich zeigen. Es hat ja unlängst schon Proteste in Sachsen-Anhalt, Thüringen, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern und im Saarland gegeben, das Thema hat also eine bundesweite Dimension. Denn natürlich stehen alle Länder schon wegen der Schuldenbremse unter großem Druck. Wir müssen also den Bund zwingen, massiv in die Hochschulen zu investieren. Dazu muss das Kooperationsverbot fallen.

Wie geht es weiter?

MANZEY: Anfang April wird es ein Vernetzungstreffen in Halle geben. Danach werden wir gucken, wie sich die Lage an der HU und beim Senat entwickelt hat.

NEUMANN: Es wird dann wieder eine Vollversammlung geben. Sie kann beschließen, ob wir protestieren und welche Protestformen wir wählen. Hier gilt: -je mehr und je länger, desto besser. Aber etwas müssen wir tun. So oder so.

Die Fragen stellte Anja Kühne.

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