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Josef Mengele quälte in Ausschwitz im Namen der Wissenschaft.

© imago/United Archives International

Heute vor 80 Jahren: Bestialische Menschenversuche

Akribisch protokollierte Josef Mengele, wie er Menschen zu Tode quälte – im Namen der Wissenschaft. Darf Wissen, das so gewonnen wurde, verwendet werden?

Eine Kolumne von Sascha Karberg

Wer heute eine lebensbedrohliche Unterkühlung erleidet, wird behandelt basierend auch auf Wissen, das aus Menschenversuchen in deutschen Konzentrationslagern stammt.

Die Opfer wurden gezwungen, Kälte bis zu 2,3 Grad Celsius auszuhalten. Verkabelt mit Thermosonden im Magen oder Darm, wurden ihnen Blut, Urin und Rückenmarksflüssigkeit entnommen.

Proben von ihrem Gewebe erhielten Professoren und Ärzte deutscher Universitäten, die das abgepresste Wissen veröffentlichten und sich damit profilierten. Wie Josef Mengele, der am 30. Mai 1943, heute vor 80 Jahren, die medizinische Leitung des „Zigeunerfamilienlagers“ in Auschwitz übernahm und seine Experimente an Zwillingen begann.

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„Wir wurden behandelt wie Tiere, wir waren seine Versuchskaninchen“, sagte Eva Mozes Kor, die zusammen mit ihrer Zwillingsschwester von Mengele misshandelt wurde. „Aber es schmerzt zehnfach mehr festzustellen, dass (...) Wissenschaftler und Ärzte diese Daten nutzen wollen, trotzdem sie auf unethische Weise gewonnen wurden“.

Eine andere Überlebende der Mengele-Experimente, Sara Seiler Vigorito, kann das Argument nachvollziehen, dass die Daten eingesetzt werden sollten, um Leben zu retten; ein Gebrauch darüber hinaus sei jedoch nicht akzeptabel.

Erkenntnisse, die von geringem Nutzen sind, sollten aus Respekt vor den Opfern und den intrinsischen Werten der Wissenschaft nicht verwendet werden, sagt Robert Martin, Philosophieprofessor an der Dalhousie Universität in Kanada, zitiert von Manuel Reinisch (in „Umgang mit Erkenntnissen aus moralisch verwerflicher Humanforschung“).

Andernfalls könnte die Wissenschaft in den Verdacht geraten, Wissen wichtiger zu nehmen als menschliches Leben. Es zu nutzen, um Leben zu retten, könne jedoch auch als besondere Wertschätzung der Nazi-Opfer aufgefasst werden.

Klar ist: Eine Wissenschaft, die rücksichtslos nutzenorientiert handelt, beschädigt ihre Integrität und ihr gesellschaftliches Ansehen, befleckt ihre moralische Rechtschaffenheit und schafft Misstrauen.

Sich dessen bewusst zu sein, ist auch heute noch nötig. So ignorierte etwa der chinesische Forscher He Jiankui die Risiken seiner eigenmächtigen Genexperimente an den Zwillingen Lulu und Nana. Den vermeintlichen wissenschaftlichen Nutzen, sie resistent gegen Aids-Viren zu machen, stellte er rücksichtslos über alle Bedenken.

Lesen Sie alle bisher erschienenen Folgen der „Tagesrückspiegel“-Kolumne hier.

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