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Institut für Hochenergiephysik in Protvino.

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Heute vor 45 Jahren: Was passiert, wenn man den Kopf in einen Teilchenbeschleuniger hält?

Der sowjetische Physiker Anatoli Bugorski ist der einzige Mensch, der je vom Protonenstrahl eines Teilchenbeschleunigers durchdrungen wurde – und überlebte.

Eine Kolumne von Sabrina Patsch

In Comicbüchern werden Menschen, die sich ionisierender Strahlung aussetzen, mit Superkräften belohnt. Oder sie werden zu Zombies, wie in einem im Large Hadron Collider am Cern gedrehten Horrorfilm. Was tatsächlich passiert, wenn man in den Strahlengang eines Hochenergie-Teilchenbeschleunigers gerät, demonstrierte der sowjetische Physiker Anatoli Bugorski unfreiwillig am 13. Juli 1978, heute vor 45 Jahren.

Der damals 36-jährige Bugorski forschte am Institut für Hochenergiephysik in Protwino, 100 Kilometer südlich von Moskau. Er arbeitete am U-70-Protonen-Synchrotron, der bei seiner Eröffnung elf Jahre zuvor die weltweit energiereichsten Protonen erzeugen konnte. Bugorski wollte ein defektes Bauteil des Beschleunigers überprüfen, hielt seinen Kopf in den Raum zwischen zwei Beschleunigerröhren – und soll ein Licht gesehen haben, heller als tausend Sonnen. Schmerz habe er keinen gespürt.

Protonen sind massereiche Bausteine des Atomkerns, die im Teilchenbeschleuniger auf nahezu Lichtgeschwindigkeit gebracht werden können. Die Energiedosis, die Bugorski durch die Strahlung in sich aufnahm, war 500 Mal größer als das, was üblicherweise innerhalb von 14 Tagen zu einem sicheren Tod führt. Der Protonenstrahl trat durch seinen Hinterkopf ein und auf der linken Seite seiner Nase wieder aus. Seine linke Gesichtshälfte schwoll massiv an und er wurde in eine Klinik in Moskau gebracht, wo Ärzte seinen Tod erwarten mussten und begleiten wollten.

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Doch Bugorski starb nicht. Während der folgenden Tage löste sich die Haut an den Eintrittsstellen des Strahls ab. Im Verlauf der nächsten Jahre trat eine Lähmung seiner linken Gesichtshälfte auf. Durch sein Gesicht zieht sich eine Linie: Die rechte Hälfte altert, während die linke faltenlos eingefroren scheint. Zudem verlor er sein Gehör auf dem linken Ohr und litt an einem Tinnitus.

Dass ein Protonenstrahl durch sein Gehirn schoss, zeigte sich insbesondere an einer Form der Epilepsie und Krampfanfällen. Trotzdem schloss er seine Promotion ab und arbeitete nach dem Unfall jahrelang in der Forschungseinrichtung weiter. Bugorski hatte sehr viel Glück: Er lebt noch heute. Wäre die Neigung des Strahls nur minimal anders gewesen, wäre das vermutlich nicht der Fall.

Lesen Sie alle bisher erschienenen Folgen der „Tagesrückspiegel“-Kolumne hier.

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